Aufsätze

Anmerkungen zur Refinanzierungsstruktur ausgewählter Bankengruppen in Deutschland

Traditionell werden Banken als Finanzintermediäre im engeren Sinne betrachtet, deren Haupttätigkeiten die Vergabe von Krediten und die Hereinnahme von Einlagen darstellen. Die in diesem Rahmen durchgeführte Fristen-, Losgrößen- und Risikotransformation begründet den gesamtwirtschaftlichen Nutzen von Banken.1) Tatsächlich ist nicht nur das Tätigkeitsfeld von Banken wesentlich umfangreicher; es stehen ihnen in der Regel auch verschiedene Quellen zur Verfügung, über die der fremdfinanzierte Teil von Kredit- und Handelsgeschäften abgedeckt werden kann.

Vor der seit Sommer 2007 andauernden Finanzmarktkrise griffen Banken hierbei vermehrt auf Interbankenmärkte, über die sich Banken gegenseitig Finanzmittel zur Verfügung stellen, sowie auf Märkte für (innovative) Finanzinstrumente wie Repogeschäfte, Verbriefungen und Kreditderivate für die Refinanzierung des Bankgeschäfts zurück. So kam es während der letzten Jahre weltweit zur Substitution traditioneller Kundeneinlagen durch stärker marktbasierte Refinanzierungsquellen.2)

Wachsende Bedeutung marktbasierter Refinanzierungsquellen

Anhand der folgenden Betrachtungen wird argumentiert, dass - zumindest bis zum Ausbruch der aktuellen Finanzkrise - seit Anfang der neunziger Jahre gerade die zuvor genannten stark marktbasierten Refinanzierungsquellen auch für deutsche Banken an Bedeutung gewonnen haben. Insofern stehen die Beobachtungen des vorliegenden Artikels in Einklang mit Erkenntnissen aus der einschlägigen Literatur, wonach sich einerseits das Einlagenwachstum bei deutschen Banken seit 1990 verglichen mit den Jahren zuvor verringert hat,3) andererseits aber Interbankenverbindlichkeiten - und damit der Interbankenmarkt - während der letzten 15 Jahre wesentlich an Bedeutung gewonnen haben.4) Die Unterscheidung nach Bankengruppen macht allerdings deutlich, dass bestimmte Gruppen von Banken ihre Refinanzierungsstruktur stärker geändert haben als andere.

Im Einzelnen werden nachfolgend Großbanken, Landesbanken, Sparkassen, genossenschaftliche Zentralbanken und Kreditgenossenschaften als Bankengruppen gegenüber gestellt. Als wichtigste Refinanzierungsquellen werden die für die jeweilige Bankengruppe aggregierten Einlagen beziehungsweise Kredite von Banken und Nichtbanken, Inhaberschuldverschreibungen sowie Repogeschäfte für den Zeitraum Januar 1990 bis August 2008 betrachtet. Datengrundlage ist die monatliche Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank.5) Um Vergleiche hinsichtlich der Bedeutung zwischen den berücksichtigten Bankengruppen zu ermöglichen, werden die Anteile der Refinanzierungsquellen an der aggregierten Bilanzsumme jeder Gruppe, die sich ebenfalls aus den Daten der monatlichen Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank berechnen lässt, bestimmt. Die graphische Darstellung der auf diese Weise berechneten Anteile an der Bilanzsumme der jeweiligen Bankengruppe erleichtert die Gegenüberstellung.

Gegenüberstellung der Refinanzierung in den Bankengruppen

Für die Refinanzierung der Großbanken haben Einlagen beziehungsweise Kredite von Nichtbanken im betrachteten Zeitraum an Bedeutung verloren. Von ursprünglich etwa 55 Prozent reduzierte sich ihr Anteil auf zirka 30 Prozent im Zeitabschnitt zwischen 1990 und 2001. Nach einer Phase, in der sich der Refinanzierungsanteil der Einlagen beziehungsweise Kredite von Nichtbanken kaum veränderte, ist ab 2005 eine leicht ansteigende Tendenz zu beobachten. Dagegen sind die Einlagen beziehungsweise Kredite von Banken tendenziell wichtiger für die Refinanzierung der Großbanken geworden. Ihr Anteil stieg von zirka 28 Prozent in 1990 auf zirka 35 Prozent in 2008 (Abbildung 1).

Ab 2005 tragen Einlagen beziehungsweise Kredite sowohl von Banken als auch von Nichtbanken mit jeweils etwa einem Drittel zur Refinanzierung der Großbanken bei. Als weitere Finanzierungsquelle gewinnen seit 1999 Repurchase-Agreements (Repos) an Bedeutung. Der Anteil an Schuldverschreibungen ist dagegen über den Beobachtungszeitraum im Wesentlichen unverändert geblieben.6)

Für Landesbanken stellten Schuldverschreibungen dagegen zu Beginn des Beobachtungszeitraums die wichtigste Refinanzierungsquelle dar, deren Anteil an der gesamten Refinanzierung bis 2008 stetig zurückging (Abbildung 2). Ab 1997 wurden Schuldverschreibungen schließlich durch Einlagen beziehungsweise Kredite von Banken als Hauptrefinanzierungsquelle abgelöst. Zuletzt trugen Einlagen und Kredite von Banken etwa ein Drittel zur gesamten Refinanzierung der Landesbanken bei und bewegten sich damit auf einem ähnlichen Niveau, wie es auch bei den Großbanken beobachtet werden konnte.

Hierbei ist jedoch anzumerken, dass es insbesondere Sparkassen sind, die überschüssige Mittel bei den Landesbanken hinterlegen und für Letztere eine relativ stabile Refinanzierungsquelle darstellen. Den Großbanken ist es dagegen in der Regel nicht möglich, auf derart stabile Finanzierungsbeziehungen zurückzugreifen. Bedingt durch diese Geschäftsstruktur ist zusätzlich der Anteil an Einlagen beziehungsweise Krediten von Nichtbanken bei den Landesbanken nicht nur geringer als bei den Großbanken, er ist über den Betrachtungszeitraum hinweg auch relativ konstant bei zirka 25 Prozent geblieben. Repo-Geschäfte spielen für die Refinanzierung der Landesbanken hingegen lediglich eine untergeordnete Rolle.

Nichtbanken als dominierende Quelle für Primäre

Für die Sparkassen stellen nach wie vor Einlagen beziehungsweise Kredite von Nichtbanken die dominierende Refinanzierungsquelle dar, erst mit großem Abstand folgen Einlagen beziehungsweise Kredite von Banken und Schuldverschreibungen an zweiter und dritter Stelle (Abbildung 3). Ähnlich wie bei den Großbanken ist jedoch auch hier im Beobachtungszeitraum tendenziell ein Rückgang des Anteils von Einlagen beziehungsweise Krediten von Nichtbanken bei gleichzeitigem Anstieg des Anteils von Einlagen beziehungsweise Krediten von Banken an der Refinanzierung zu beobachten. Allerdings trugen Einlagen beziehungsweise Kredite von Nichtbanken zuletzt etwa 65 Prozent zur Refinanzierung der Sparkassen bei und liegen damit auf deutlich höherem Niveau als bei den Großbanken. Die Refinanzierung über Schuldverschreibungen zeigt sich über den gesamten Beobachtungszeitraum mit einem Anteil von zirka fünf Prozent nahezu unverändert.

Die Refinanzierungsstruktur der Kreditgenossenschaften hat große Ähnlichkeit mit derjenigen der Sparkassen. Es dominieren Einlagen beziehungsweise Kredite von Nichtbanken als wichtigste Finanzierungsquelle, erst mit großem Abstand gefolgt von Einlagen beziehungsweise Krediten von Banken und Schuldverschreibungen an zweiter und dritter Stelle (Abbildung 4). Auch hinsichtlich der Entwicklung der Refinanzierungsstruktur über den Beobachtungszeitraum gestaltet sich die Situation der Kreditgenossenschaften analog zu der bei Sparkassen beobachteten: Einer Reduktion des Anteils der Einlagen beziehungsweise Kredite von Nichtbanken steht ein steigender Anteil der Einlagen beziehungsweise Kredite von Banken gegenüber.

Unterschiede zwischen Kreditgenossenschaften und Sparkassen ergeben sich lediglich in Bezug auf das Niveau einzelner Finanzierungsquellen sowie ihre Veränderung im Zeitablauf. So liegt der Anteil von Einlagen beziehungsweise Krediten von Nichtbanken an der Refinanzierung der Kreditgenossenschaften während des gesamten Beobachtungszeitraums etwa fünf Prozentpunkte über dem bei Sparkassen zu beobachtenden Niveau. Die Entwicklung über den Beobachtungszeitraum unterscheidet sich jedoch kaum zwischen beiden Bankengruppen. Der Anteil der Einlagen beziehungsweise Kredite von Banken ist bei Kreditgenossenschaften dagegen durchschnittlich fünf Prozentpunkte geringer als bei Sparkassen und stieg über die Zeit weniger stark an. Im Gegensatz zum weitgehend konstanten Anteil bei den Sparkassen haben Schuldverschreibungen für die Refinanzierung der Kreditgenossenschaften an Bedeutung gewonnen. Ihr Anteil stieg kontinuierlich von zirka zwei Prozent in 1990 bis etwa sechs Prozent in 2008. Repos spielen weder für Kreditgenossenschaften noch für Sparkassen eine Rolle in der Refinanzierung.

Spiegelbildliche Refinanzierungsstruktur der genossenschaftlichen Zentralbanken

Im Vergleich zu den Kreditgenossenschaften stellt sich die Refinanzierungsstruktur der genossenschaftlichen Zentralbanken nahezu spiegelbildlich dar. Hier kommt den Einlagen beziehungsweise Krediten von Banken die Hauptrolle bei der Refinanzierung zu, gefolgt von Schuldverschreibungen und Einlagen beziehungsweise Krediten von Nichtbanken, die zuletzt mit nahezu gleichen Anteilen (zirka 18 Prozent) als Refinanzierungsquellen genutzt wurden (Abbildung 5). Die große Bedeutung der Einlagen beziehungsweise Kredite von Banken erklärt sich - ähnlich wie bei Landesbanken und ihrer engen Verbindung mit den Sparkassen - dadurch, dass in erster Linie Kreditgenossenschaften freie Mittel, die sie von Nichtbanken entgegennehmen, bei den genossenschaftlichen Zentralbanken einlegen.

Abbildung 5 verdeutlicht allerdings auch den starken Rückgang des Anteils der Einlagen beziehungsweise Kredite von Banken von ursprünglich etwa 75 Prozent in 1990 auf gegenwärtig zirka 55 Prozent. Gleichzeitig konnten sich die Anteile von Schuldverschreibungen und Einlagen beziehungsweise Krediten von Nichtbanken im selben Zeitraum von rund zehn Prozent in 1990 auf aktuell etwa 20 Prozent nahezu verdoppeln. Im Vergleich zu den Landesbanken sind jedoch beide Refinanzierungsquellen weniger bedeutend. Bei den Schuldverschreibungen betrug der Unterschied zuletzt etwa zehn Prozentpunkte, bei Einlagen beziehungsweise Krediten von Nichtbanken zirka fünf Prozentpunkte. Unterschiede zwischen genossenschaftlichen Zentralbanken und Landesbanken ergeben sich auch hinsichtlich des Anteils der Einlagen beziehungsweise Kredite von Banken. Er lag bei den Landesbanken zuletzt auf einem Niveau von etwa 35 Prozent und damit um etwa 20 Prozentpunkte niedriger als bei den genossenschaftlichen Zentralbanken. Repos spielen für Letztere lediglich eine untergeordnete Rolle.

Insgesamt verdeutlichen die vorherigen Ausführungen, dass für die Refinanzierung von Groß- und Landesbanken aber auch der genossenschaftlichen Zentralbanken marktbasierte Finanzierungsquellen von größerer Bedeutung sind als für Sparkassen und insbesondere Kreditgenossenschaften. Erkennbar ist dies an den vergleichsweise hohen Anteilen von Einlagen beziehungsweise Krediten von Banken,7) Schuldverschreibungen und Repos im Vergleich zu Einlagen beziehungsweise Krediten von Nichtbanken an der Refinanzierung.8) Diese Tendenz hat sich im Beobachtungszeitraum weiter verstärkt und sich so auf das Bankgeschäft insgesamt auswirkt.

Da marktbasierte Refinanzierungsquellen häufig deutlich kurzfristiger sind als traditionelle Einlagen beziehungsweise Kredite von Nichtbanken, verkürzen sich auch die effektiven Laufzeiten für die Refinanzierung der betreffenden Bankengruppen insgesamt. Dies führt wegen der relativ unveränderten Laufzeiten im Aktivgeschäft zu einer Ausweitung der Fristentransformation und stellt so neue Herausforderungen an das Liquiditätsmanagement der Banken. Dies gilt umso mehr, als über marktbasierte Refinanzierungsquellen zusätzlich die Liquidität der Märkte, über die diese Quellen bereitgestellt werden, zu einem wesentlichen Faktor im Rahmen der Refinanzierung wird.9)

Letzteres wurde im Verlauf der seit Sommer 2007 andauernden Krise an den internationalen Finanzmärkten besonders deutlich. So stieg der Anteil der Banken, die im Rahmen einer Umfrage der Europäischen Zentralbank Risiken im Zusammenhang mit Finanzmärkten als zentralen Risikofaktor für das Jahr 2009 betrachten, im Vergleich

zum Vorjahr um mehr als das Doppelte an.10) So dürfte die aktuelle Krise an den internationalen Finanzmärkten künftig deutsche Banken zu einer Höhergewichtung mehr traditioneller Refinanzierungsquellen wie Einlagen beziehungsweise Krediten von Nichtbanken bewegen.

Literatur:

Allen, F. und A. Santomero (1998), The Theory of Financial Intermediation, Journal of Banking and Finance 21, 1461-1485.

Banque de France (2008), Liquidity in a Time of Financial Turbulences, in: Financial Stability Review February 2008, Special Issue Liquidity, I-VI.

Bhattacharya, S. und A. Thakor (1993), Contemporary Banking Theory, Journal of Financial Intermediation 3, 2-50.

Deutsche Bundesbank (2008), Zur Steuerung von Liquiditätsrisiken in Kreditinstituten, in: Monatsbericht September 2008, Frankfurt am Main: Deutsche Bundesbank, 60. Jahrgang, Nr. 9.

Deutsche Bundesbank (2003), Die Entwicklung der Bankeinlagen in Deutschland, in: Monatsbericht April 2003, Frankfurt am Main: Deutsche Bundesbank, 55. Jahrgang, Nr. 4.

EZB (2008), EU Bank Survey on Major Risks for the Year Ahead, in: EU Banking Structures October 2008, 26-33.

Institute of International Finance (2007), Principles of Liquidity Risk Management.

National Bank of Belgium (2008), Financial Stability Review 2008.

Norden, L. und M. Weber (2005), Funding Modes of German Banks: Structural Changes and its Implications, Discussion Paper No. 5027, Centre for Economic Policy Research.

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