Aufsätze

Basel II: Internationales Level Playing Field in der Institutsaufsicht?

Die im Basler Ausschuss vertretenen Länder hatten vereinbart, die dort gefassten Beschlüsse in das jeweilige nationale Rechtssystem und Aufsichtswesen überzuführen. Eine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung geht damit zunächst nicht einher. Dies betrifft somit die G10-Länder sowie folgende EU-Staaten: USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Schweden und Schweiz. Thematisch handelt es sich dabei gegenwärtig vor allem um das im Juni 2004 verabschiedete Rahmenwerk, das Ende 2005 um spezielle Sachverhalte insbesondere zum Handelsbuch erweitert wurde. Das zusammenfassende Regelwerk zu Basel II wurde schließlich im Juni 2006 vorgelegt.1)

EU- und innerstaatliche Umsetzung

In der Europäischen Union erfolgt die Umsetzung mittels der EU-Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, ebenfalls vom Juni 2006.2) Hier wurde eine ganze Reihe von europäischen Besonderheiten gegenüber Basel II eingeführt, zum Beispiel bei Krediten an mittelständische Unternehmen, bei Pfandbriefen beziehungsweise Covered Bonds, bei Investmentanteilen oder bei den so genannten Intra Group Exposures sowie Haftungsverbünden.

Anhand dieser Richtlinien vollzieht sich dann rechtlich zwingend die nationale Umsetzung, speziell in Deutschland mittels Neufassung des KWG, des Rundschreibens MaRisk, der Solvabilitätsverordnung SolvV und der GroMiKV. Dabei ist zu beachten, dass auch die EU-Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente und die Richtlinie 2006/73/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG wegen des Transfers in innerstaatliches Recht das KWG an einigen Stellen inhaltlich verändern oder erweitern, die zugleich aufgrund der Basler Thematik neu formuliert beziehungsweise eingeführt werden.

Nationale Ebene

Die hohe Verflechtung der einzelnen Regelwerke und die entstehenden Abhängigkeiten lassen eine konsistente, einheitlich angewandte Umsetzung der betroffenen Institute bereits auf nationaler Ebene als erhebliche Herausforderung erscheinen. Zahlreiche Paragrafen beispielsweise in der SolvV oder Textziffern in den MaRisk bedürfen zum heutigen Stand noch der Auslegung oder Interpretation. Insofern ist zumindest in den Anfangsjahren ab 2007 mit einer gewissen Bandbreite bei der Implementierung zu rechnen; deshalb ist mit Blick auf die Wettbewerbsgleichheit und mithin auf das so genannte "Level Playing Field" keine Einheitlichkeit im dem Maße des bisherigen Solvenzmeldewesens gegeben.

Zieht man zudem in Betracht, dass durch die Basel II-Umsetzung über die Verfahren zur Messung des Marktrisikos hinaus nun je nach Institut auch unterschiedliche Verfahren im Kredit- und operationalen Risiko in der aufsichtsrechtlichen Kapitalunterlegung zum Einsatz kommen können, stellt sich die Frage nach der einheitlichen Wettbewerbsgrundlage umso mehr. Bisher nämlich, das heißt fußend auf Basel I beziehungsweise in Deutschland auf dem Grundsatz I, gab es - im Wesentlichen abgesehen von der Behandlung des Handelsbuches - für alle Kreditinstitute ein einheitliches Vorgehen zur Berechnung der Eigenkapitalanforderung.3)

Level Playing Field in der EU?

Die Fragen nach der Einheitlichkeit in der praktischen Umsetzung werden im europäischen Kontext noch verstärkt, da jeder nationale Gesetzgeber beziehungsweise jede nationale Aufsicht die Umsetzung der EU-Richtlinien durchführen muss, und zwar unter Berücksichtigung der Besonderheiten nationaler Märkte.4)

Dabei können Unterschiede nicht nur in der Detail-Rechnung zu den Risiken auftreten, sondern auch bei der länderspezifischen Definition des aufsichtsrechtlichen Kapitals5); dort ergeben sich Abweichungen nicht allein dadurch, dass bereits die an einem HGB-Abschluss ausgerichtete Kapital-Abgrenzung nicht einheitlich vorgenommen wird; vielmehr kann das aufsichtsrechtliche Eigenkapital auch aus einem IFRS-Abschluss abgeleitet oder daran orientiert sein.6)

Je nach innerstaatlicher Regelung kann aber auch die Nutzung der IFRS verbindlich vorgegeben werden. Ob dies dann zwingend auf konsolidierter oder (gegebenenfalls zusätzlich) auf Einzelinstitutsebene zu erfolgen hat, erweitert die Vielfalt an grundlegenden Möglichkeiten innerhalb der EU je nach nationaler Vorgabe beziehungsweise Wahlfreiheit.

Die Grenzen einer EU-weiten Regelung werden hierbei insbesondere bei der so genannten Waiver-Regelung offenkundig, da sich deren Gültigkeit tatsächlich lediglich auf den jeweiligen Einzugsbereich einer einzelnen, nationalen Aufsichtsinstitution erstreckt.7) Die Aufbereitung der EU-weiten Länderspezifika im Sinne eines Abgleiches nationaler Unterschiede wird von dem Level 3-Komitee CEBS in London erarbeitet. Der Detaillierungsgrad erreicht gegenwärtig jedoch mitunter nicht durchgängig die für die konkrete Umsetzung erforderliche Tiefe.

Internationale Betrachtung

Ähnlich wie bei Basel I, das weltweit als Standard des regulatorischen Solvenzmeldewesens Verbreitung gefunden hat, wird dieser Prozess bei Basel II voranschreiten. Dies betrifft zum einen diejenigen Länder, die nicht im Basler Komitee vertreten sind, zum anderen aber auch solche, die nicht von den EU-Richtlinien erfasst werden. Hier sind in erster Linie Länder aus Afrika und Asien zu nennen, ferner Länder der Karibik, Lateinamerika und der Mittlere Osten. Erwartungsgemäß wird sich dort unter anderem die Einführung der Säulen 2 und 3 mit dem angestrebten Endetermin Dezember 2015 über einen deutlich längeren Zeitraum erstrecken als im EU-Zeitplan vorgesehen.8)

Das Hauptaugenmerk jedoch gilt aus Sicht der europäischen Finanzwirtschaft der Umsetzung in Japan und den Vereinigten Staaten. Angesichts der jüngeren Entwicklungen kommen hier wiederholt Bedenken auf, ob die großen, international tätigen US-Institute Basel II überhaupt einführen werden. Erhebliche Wettbewerbsverzerrungen oder gar das Scheitern des gesamten Regelwerks wären die Folge, von den Schwierigkeiten der Einführung grenz- beziehungsweise kontinentüberschreitend tätiger Institute ganz abgesehen. Ohnehin ist Basel II in den USA nur für rund ein Dutzend Institute aufsichtsrechtlich angezeigt und für gut zwei Dutzend Institute wegen zum Teil freiwilligen Übergangs zu Basel II angedacht.

Zumindest wurde der US-Entwurf zur Ba-sel-II-Umsetzung in den USA kürzlich nach Freigabe der einschlägigen Aufsichtsbehörden im Federal Register veröffentlicht und zur Konsultation aufgerufen. Ob der in den USA avisierte Starttermin Januar 2009 noch zu halten sein wird, sei hier dahingestellt. Bereits aus diesem gegenüber Europa verspäteten Termin sowie dem gesamten zeitlich verschobenen Einführungsplan resultieren - überdies bei abweichenden Kapital-Floors - gewisse Verwerfungen bei jenen Instituten, die in beiden Kontinenten tätig sind. Dies kann auch aus Sicht eines lokal agierenden Instituts sogar mittelbar gegenüber entsprechenden Wettbewerbern zutreffen, die in beiden Regionen agieren. Außerdem ist zu beachten, dass in den USA im Bereich der Kredit- und der operationalen Risiken bislang nur die fortgeschrittenen Ansätze vorgesehen sind. Auf Antrag einiger Großbanken wird jedoch grundsätzlich hinterfragt, ob gegebenenfalls auch die Wahl eines standardisierten Ansatzes für Kreditrisiken zugelassen werden könnte. Dies zeigt exemplarisch einige fundamentale Unterschiede in der internationalen Umsetzung auf.

Abweichungen werden aber auch im Detail sichtbar, beispielsweise bei der Ermittlung der Downturn LGD.9) Falls keine eigenen Schätzungen für die Abschwung-LGD in verlässlicher Form erhältlich sind, kann unter gewissen Voraussetzungen, die aufgrund der laufenden US-Konsultation noch nicht abschließend festgelegt sind, ersatzweise eine aufsichtlich vorgegebene Map-ping-Funktion verwendet werden. Diese bildet die bankinterne Schätzung der erwarteten LGD (eLGD) auf die Downturn LGD (dLGD) ab und führt zu folgender Abbildung (siehe unten).

Zahlreiche Unterschiede

Aus diesem linearen Zusammenhang ergibt sich für die Abschwung-LGD ein Floor in Höhe von acht Prozent. In der EU hingegen findet sich keine Ersatzregelung zur Ermittlung der dLGD, und somit ebenso keine derartige aufsichtsrechtliche Mappingvorschrift im Rahmen des Advanced-Ansatzes.

Es zeigt sich, dass sich weltweit zahlreiche Unterschiede bei der Einführung beziehungsweise bei der sukzessiven Umsetzung von Basel II ergeben werden. Diese beziehen sich nicht nur auf Detailfragen in der Risikomessung und Eigenkapitaldefinition, sondern auch auf grundsätzliche Sachverhalte, wie beispielsweise die zeitliche Staffelung, die Zulassung von Ansätzen oder auf den Zusammenhang mit der Rechnungslegung.

Fortschritt in der Risikomessung

Insofern kann die Frage gestellt werden, inwieweit ein Level Playing Field überhaupt erreicht werden kann, oder ob nicht vielmehr im Geiste der zweiten Säule die Angemessenheit für das jeweilige Institut im Vordergrund steht. Unstrittig ist, dass ein erheblicher Fortschritt in der Risikomessung sowie Risiko-Ertragssteuerung initiiert beziehungsweise beschleunigt wurde. Dies gilt derzeit vorrangig noch für die Säule 1, künftig aber verstärkt für die zweite und dritte Säule aus Basel II. Es ist deshalb erkennbar, dass sich hier für die Institute adäquate Verfahrensweisen entwickelt haben beziehungsweise noch weiter herausbilden, die weitere Diskussionen zum Level Playing Field auslösen werden.

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