Aufsätze

Weiterentwicklung des Bankenaufsichtsrechts im Zuge der Finanzmarktkrise

Das erklärte Ziel der Basler Eigenkapitalregeln von 2004 (Basel II), die auf europäischer Ebene durch die Capital Requirements Directive (CRD)1) umgesetzt wurden und seit Anfang 2008 für alle Kreditinstitute in der EU verpflichtend sind, war die Sicherstellung der finanziellen Solidität von Banken und mithin die Stärkung der Zuverlässigkeit und Stabilität des internationalen Bankensystems. Die jüngsten Verwerfungen auf dem Finanzmarkt zeigen jedoch, dass der Regulierungsstandard trotz mehrjähriger Entwicklungsarbeit noch Schwächen aufweist.

Neuerungen im Bankenaufsichtsrecht

Als Reaktion auf die Krise wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Anstrengungen unternommen, wieder Vertrauen und Stabilität in das Bankensystem zu bringen. Während staatliche Garantie- und Rekapitalisierungsprogramme vornehmlich als Sofortmaßnahmen mit kurz- bis mittelfristiger Wirkung entworfen wurden, konzentrieren sich die Bemühungen der internationalen Gremien (etwa FSF, IWF, G7, G20) auf die Erarbeitung eines nachhaltigen Maßnahmenpakets. Zum gemeinsamen Aktionsplan zählt auch, die zutage getretenen Fehlanreize im Risikomanagement von Finanzinstituten durch die Überarbeitung des Basler Rahmenwerkes und der CRD abzumildern. Die Neuerungen gehen dabei über die Überarbeitung der Eigenmittelanforderungen hinaus. Vor diesem Hintergrund werden die wesentlichen Änderungen der CRD sowie die zentralen Aspekte der aktuellen Basler Regulierungsempfehlungen erläutert und kritisch gewürdigt.

Änderungen der Capital Requirements Directive: Am 6. Mai 2009 verabschiedete das Europäische Parlament die mit dem Europäischen Rat erarbeiteten Richtlinienfassung zur Änderung der CRD.2) Die Abbildung 1 gibt einen Überblick über die wesentlichen Schwerpunktfelder der regulatorischen Änderungen, die in enger Abstimmung mit den aktuellen Baseler Überlegungen entwickelt worden sind:

Eigenmittel: Hinsichtlich der aufsichtsrechtlichen Behandlung von hybriden Kapitalelementen werden in Art. 63a der Bankenrichtlinie (BRL) erstmalig europaweit Kriterien festgelegt, ob und in welcher Höhe vorhandene hybride Finanzinstrumente den Eigenmitteln eines Kreditinstituts hinzugerechnet werden können. Auf eine starre Aufzählung von spezifischen Finanzinstrumenten wird jedoch verzichtet. Stattdessen wird ein überwiegend qualitativer Anforderungskatalog für die Anerkennung von Hybridkapital als Kernkapital formuliert:

- Hybride Kapitalinstrumente, die als Kernkapital anerkannt werden sollen, müssen der Bank grundsätzlich dauerhaft - in regulatorischer Auslegung unbefristet oder mindestens 30 Jahre - zur Verfügung stehen. Ausnahmen hiervon bedürfen der Prüfung und Zustimmung der Aufsicht.

- Ferner müssen die Rückzahlungen flexibel gestaltbar sein und während der Laufzeit des Instruments angepasst werden dürfen. Bei drohender unzureichender Eigenkapitalausstattung sind Rückzahlungen auszusetzen und Zins- oder Dividendenzahlungen auf hybride Kapitalinstrumente zu streichen.

- Um anerkannt zu werden, müssen die Hybridinstrumente zudem eindeutig nachrangig sein und als Haftungsmasse für Verluste gegenüber Einlegern und Gläubigern dienen.

Qualitative Anforderungen von quantitativen Vorgaben flankiert

Die qualitativen Anforderungen werden von quantitativen Vorgaben flankiert, die in Abhängigkeit der Fungibilität die maximale Hinzurechnung von Hybridkapital zu den Eigenmitteln einschränken (Art. 66 Abs. 1a BRL):

- Der Anerkennungssatz für Hybridkapital, das in Krisensituationen in traditionelles (verlustauffangendes) Kernkapital umgewandelt werden und auf Anordnung der zuständigen Aufsichtsbehörden jederzeit wandelbar sein muss, wird auf 50 Prozent des Kernkapitals beschränkt.

- Der Anteil weiterer anerkannter Mischkapitalformen darf insgesamt 35 Prozent des Kernkapitals nicht übersteigen.

- Hybride Instrumente mit befristeter Laufzeit oder der Möglichkeit zur vorzeitigen Rückzahlung sind auf 15 Prozent des Kernkapitals begrenzt.

- Darüber hinausgehende Hybridkapitalelemente, die die qualitativen Voraussetzungen erfüllen, können nur bis zu den bisherigen Bemessungsgrenzen als Ergänzungskapital angerechnet werden.

- Kapitalinstrumente, die den neuen Vorschriften nicht entsprechen, aber bisher als Kernkapital anerkannt wurden, werden für eine Übergangsperiode von 30 Jahren unter Beachtung von Maximalgrenzen wie Kernkapital behandelt.

Großkredite und Konzentrationsrisiken:

Zur Begrenzung von Konzentrationsrisiken wird die Nachbesserung des Risikomanagements von Großkrediten angestrebt.3) Dadurch sollen unverhältnismäßig hohe Verluste vermieden werden, falls ein einzelner Kreditnehmer (oder eine Gruppe verbundener Kreditnehmer) aufgrund unvorhergesehener Ereignisse ausfällt. Hierzu wurde zunächst der in Artikel 4 Nr. 45 der BRL definierte Begriff der "verbundenen Kunden" ausgedehnt, um auch Unternehmensverflechtungen im Refinanzierungsbereich angemessen zu erfassen.

Erleichternd wirken sich die überarbeiteten Berichtspflichten über Großkredite nach Art. 110 ff. der BRL aus. Inhalt und Umfang der Pflichtangaben werden nun näher spezifiziert, um die Meldeprozesse der Kreditinstitute zu harmonisieren. Weggefallen ist die niedrigere Großkrediteinzelobergrenze von 20 Prozent für verbundene Unternehmen. Es gilt nun grundsätzlich das Limit von 25 Prozent. Darüber hinaus wird die Großkreditgesamtobergrenze von 800 Prozent der Eigenmittel eines Institutes aufgehoben. Die mit etwaigen Überschreitungen verbundenen Anzeige- und Erlaubnispflichten werden ebenfalls aufgehoben. Des Weiteren entfallen die Ausnahmen für Interbankenforderungen mit einer Restlaufzeit von unter einem Jahr, die bisher unabhängig von ihren Volumina nicht unter die Begriffsabgrenzung eines Großkredits fielen. Diese sollen nun laufzeitunabhängig wie andere Kredite behandelt werden.

Erleichterung für kleinere Institute

Als Erleichterung für kleinere Institute wird neben dem relativen Limit von 25 Prozent der Eigenmittel eine alternative Obergrenze von 150 Millionen Euro eingeführt. Täglich fällige Forderungen können nach nationalem Ermessen weiterhin von den Großkreditvorschriften ausgenommen werden.

Hinsichtlich der Anwendung der Kreditrisikominderungstechniken sollen vor allem die derzeitigen nationalen Wahlrechte in den Ermessensspielraum der Institute gelegt werden.

Aufsichtsstruktur: Die neuen Regelungen sehen eine verstärkte und verbesserte Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden bei der Überwachung von grenzübergreifend tätigen Bankengruppen vor (Art. 42a, 129 und 131a BRL; siehe Abbildung 2). Die Kooperation soll in Aufsichtskollegien organisiert werden. Innerhalb dieser Kollegen erhalten die einzelnen nationalen Aufsichtsbehörden klare Rechte und Zuständigkeiten, wodurch der Informationsfluss zwischen den nationalen Aufsichten verbessert werden soll, sodass Krisen frühzeitig erkannt werden.

Die Leitung eines Aufsichtskollegiums übernimmt jeweils der für die grenzübergreifende Bankengruppe zuständige Consolidating Supervisor (CS). Er richtet das Aufsichtskollegium ein und koordiniert die regulatorischen Aktivitäten. Hierzu erhält er die Verantwortung, die Treffen regelmäßig einzuberufen und zu leiten. Grundsätzlich sollen die aufsichtlichen Aufgaben gemeinschaftlich abgestimmt und einheitlich entschieden werden. Bei fehlender Einigung des Kollegiums kann der CS beauftragt werden, sich mit dem CEBS zu beraten. Allerdings liegt das Letztentscheidungsrecht ausschließlich beim CS.

Jüngste Vorschläge der EU-Kommission: ESRC und ESFS

Die Einführung von Aufsichtskollegien wird wohl noch nicht die finale Struktur der internationalen Finanzaufsicht darstellen. Jüngste Überlegungen der EU- Kommission, die noch nicht in der gerade verabschiedeten CRD-Änderungsrichtlinie enthalten sind, schlagen die Schaffung eines Europäischen Rates für Systemrisiken (European Systemic Risk Council, ESRC) und eines Europäischen Finanzaufsichtssystems (European System of Financial Supervisors, ESFS) vor: 4)

- Der ESRC soll die Risiken für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt überwachen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Eindämmung dieser Risiken empfehlen (Aufsicht auf Makroebene). Mit der Einsetzung des ESRC soll der Anfälligkeit des Finanzsystems gegenüber zusammenhängenden, komplexen sektoralen und sektorübergreifenden Systemrisiken entgegengewirkt werden.

- Das ESFS soll aus einem Netzverbund nationaler Aufsichtsbehörden und neuer europäischer Finanzaufsichtsbehörden, die aus den bestehenden Ausschüssen für Banken, Versicherungen und betriebliche Altersvorsorge hervorgehen sollen, zusammengesetzt werden und einzelne Finanzinstitute beaufsichtigen (Aufsicht auf Mikroebene). Verbriefungen und außerbilanzielle Positionen: Im Rahmen der Richtlinienänderung ist mit Art. 122a der BRL auch das Verbriefungsregelwerk wesentlich überarbeitet worden. Im Mittelpunkt der Modifizierungen steht die Abmilderung der Fehlanreize des Originate-to-distribute-Modells, das vor allem in den USA dazu beigetragen hat, dass risikoreiche Kredite ohne eine solide Bonitätsprüfung vergeben wurden.5) Risiken, die sich aus Forderungen von verbrieften Portfolios ergeben, müssen zukünftig sowohl von Originator und Sponsor als auch vom Investor besser überwacht werden.

Selbstbehalt

Die Investition eines Kreditinstituts in verbriefte Wertpapiere soll ab 2011 grundsätzlich nur möglich sein, wenn der Originator beziehungsweise Sponsor kontinuierlich einen materiellen Nettoanteil von mindestens fünf Prozent der verbrieften Positionen zurückbehält. Für diesen Zweck gilt als Selbstbehalt entweder:

- das Halten von mindestens fünf Prozent des Nominalwerts einer jeden an die Investoren übertragenen Tranche, - bei Verbriefungen von revolvierenden Forderungen der Rückbehalt von mindestens fünf Prozent des Nominalwerts der verbrieften Forderungen, - das Halten eines Anteils von zufällig ausgewählten Engagements, der mindestens fünf Prozent des Nominalwerts der verbrieften Forderungen entspricht, wenn die Forderungen ansonsten verbrieft worden wären, oder

- der Rückbehalt der Erstverlusttranche und gegebenenfalls weiterer Tranchen, die mindestens das gleiche Risikoprofil aufweisen und nicht früher fällig werden als die an die Investoren übertragenen Tranchen, sodass der insgesamt gehaltene Anteil mindestens fünf Prozent des Nominalwerts der verbrieften Engagements entspricht.

Ausgenommen von dieser Regelung sind verbriefte Forderungen an Zentralstaaten und -banken, Kreditinstitute mit einem KSA-Risikogewicht von höchstens 50 Prozent sowie an multilaterale Entwicklungsbanken. Für Konsortialkredite, angekaufte Forderungen und Credit Default Swaps, die nicht dazu verwendet werden, eine Verbriefungstransaktion erneut zu verbriefen oder abzusichern, gelten ebenfalls Ausnahmeregelungen.

Von den investierenden Banken wird erwartet, dass sie die Risiken aus den Verbriefungspositionen vollständig verstehen und über ein angemessenes Analyse- und Steuerungssystem verfügen, das fortlaufend die Qualität der zugrunde liegenden Forderungen und etwaiger Sicherheiten erfasst.

Dieselben soliden Standards

Um die Qualität der zu verbriefenden Forderungen sicherzustellen, sollen die Kredit gewährenden Institute dieselben soliden Standards bei der Kreditgewährung angewendet werden wie bei Forderungen, die nicht für die Verbriefung vorgesehen sind. Diese qualitativen Vorschriften werden durch Offenlegungsanforderungen flankiert. Diese Offenlegungsanforderungen betreffen insbesondere Informationen über die Höhe des vom Originator beziehungsweise Sponsor zurückbehaltenen Risikoanteils, die Bonität und Entwicklung der zugrunde liegenden Forderungen, die erwarteten Zahlungsströme sowie den Wert der Sicherheiten.

Die Aufsichtsbehörden wiederum werden verpflichtet, mindestens einmal im Jahr die Methoden und Maßnahmen, die sie bei der Überprüfung der Einhaltung der Verbriefungsregeln anwenden, sowie eine Zusammenfassung der festgestellten Verstöße zu veröffentlichen. Im Hinblick auf eine transparente Risikobeurteilung von verbrieften Forderungspools sollen die Ratingagenturen verpflichtet werden, die Methoden für die von ihnen durchgeführten Bonitätsbeurteilungen offenzulegen. Des Weiteren werden die Kriterien für einen wesentlichen Risikotransfer bei traditionellen und synthetischen Verbriefungen konkretisiert und vereinheitlicht. Die neuen Verbriefungsvorschriften umfassen zudem Adjustierungen der Risikogewichte von speziellen Tranchen und der Kreditrisikokonversionsfaktoren (Credit Conversion Factor, CCF) für bestimmte Liquiditätsfazilitäten. Dadurch steigt die Kapitalunterlegung der jeweiligen Positionen und Fazilitäten teilweise signifikant:

- Die privilegierte Behandlung von sogenannten Super-Senior-Tranchen mit einer Risikogewichtung von sechs Prozent entfällt. Sie sind künftig wie Senior-Tranchen zu unterlegen. Ebenso entfallen die CCFs von null Prozent (KSA) und 20 Prozent (IRBA) für Liquiditätsfazilitäten, die im Falle einer allgemeinen Marktstörung angesetzt werden konnten. Der Faktor beträgt nun in beiden Ansätzen 100 Prozent.

Grundsätzlich gilt unabhängig von der jeweiligen Laufzeit ein CCF von 50 Prozent auf den Nominalwert einer anerkannten (qualifizierten) Liquiditätsfazilität. Der CCF für qualifizierte und jederzeit kündbare Kreditlinien bleibt jedoch unverändert bei null Prozent.

Ausreichenden Liquiditätspuffer vorhalten

Liquiditätsrisikomanagement: Als weitere Lehre aus der Finanzmarktkrise sind detailliertere Vorschriften für das Management von Liquiditätsrisiken formuliert worden (Anhang V Tz. 14 ff. BRL). Neue qualitative Anforderungen verstärken die zuvor knappen Ausführungen zum Liquiditätsrisiko, die in ihrer Gesamtheit gewährleisten sollen, dass die Banken sowohl in normalen als auch in angespannten Marktsituationen einen ausreichenden Liquiditätspuffer vorhalten.6)

Unter Beachtung des Proportionalitätsgrundsatzes sollen die Kreditinstitute ihrem Risikoprofil, ihrer Risikotoleranz und gegebenenfalls ihrer Systemrelevanz entsprechende Strategien, Prozesse, Verfahren und Systeme aufsetzen, um den Liquiditätsbedarf über einen geeigneten Zeitraum und gegebenenfalls auch innertägig abzubilden und Engpässe frühzeitig zu erkennen. Insbesondere sind regelmäßig angemessene Stresstests durchzuführen, in denen sowohl kurzfristige als auch lang anhaltende Stressphasen ausreichend berücksichtigt werden. Ergänzend sind geeignete Methoden und Modelle zu entwickeln, die den Zugang zu den für die Banken relevanten Refinanzierungsquellen laufend überprüfen und - durch ein Limitsystem steuern.7)

Technische Änderungen: Weitere Neuerungen resultieren aus vereinzelten technischen Änderungen der CRD:

- Grundsätzlich besteht weiterhin die Pflicht, Vermögenspositionen eines Fondsinvestments für die Eigenmittelunterlegung einzeln zu beurteilen. Institute, die die zugrunde liegenden Forderungen aber nicht nach dem IRB-Ansatz bewerten können oder für die dies einen unverhältnismäßig großen Aufwand bedeuten würde, sollen bei Nicht-Beteiligungspositionen die Risikogewichte des Kreditrisikostandardansatzes grundsätzlich mit dem Faktor 1,1 multiplizieren. Bei Forderungen, für die kein Rating oder ein schlechtes Rating vorliegt, gilt der Faktor 2.

- Die Anerkennungsfähigkeit von Investment- beziehungsweise Fondsanteilen als Sicherheit soll dahingehend erweitert werden, dass in Zukunft auch Investmentvermögen einbezogen werden können, die nur zu einem Teil aus für diese Zwecke zugelassenen finanziellen Sicherheiten und Vermögensgegenständen bestehen. Ebenso sind verpfändete Kapitallebensversicherungen nun unabhängig vom Rating der Versicherungsgesellschaft anerkennungsfähig, sofern diese der Versicherungsaufsicht nach EU- oder vergleichbaren Dritt-land-Standards unterliegt.

Änderungsvorschläge des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht

Parallel zur EU-Legislative hat auch der Basler Ausschuss Änderungen am Regelwerk erarbeitet und am 16. Januar 2009 ein umfangreiches Regelungspaket zur Revision der Basler Rahmenvereinbarung zur öffentlichen Diskussion vorgelegt. Die darin behandelten Themen wurden in mehreren Konsultationsrunden langfristig vorbereitet und gehen über den Umfang der CRD-Änderungen hinaus.8)

Stresstests und Stressed Value at Risk: Die Neuregelungen sehen strengere Anforderungen an die Parameterausgestaltung der internen Modelle für die Bemessung von Marktrisiken vor. In die Messung des VaR sind künftig sämtliche Marktrisikofaktoren einzubeziehen, die auch für die Bepreisung der Handelsbuchpositionen relevant sind und nicht-lineare, optionale Produkteigenschaften ausreichend erfassen können. Statt wie bislang alle drei Monate müssen die Kreditinstitute außerdem die Datenbasis ihrer internen Modelle künftig mindestens monatlich aktualisieren.9)

Ferner ist eine zusätzliche Kapitalanforderung vorgesehen: Auf der Grundlage von Stressszenarien sollen die Banken wöchentlich einen Stressed Value at Risk (SVaR) bestimmen und dem bisherigen Mindestkapital hinzurechnen. Hierbei ist der höhere Wert aus aktuellem SVaR-Wert und dem Durchschnitt der SVaR-Werte der letzten 60 Geschäftstage multipliziert mit einem Faktor m anzusetzen.

Unter Ausblendung des Zuschlags für besondere Kursrisiken kann die geplante aufsichtliche Kapitalanforderung für Marktrisiken daher wie folgt dargestellt werden:10) KapitalanforderungMarktrisiko = max {VaRt-1; VaRØ · mb} + max {SVaRt-1; SVaRØ · m}

Die Forderung nach einem Kapitalzuschlag für den Stressed VaR unterstreicht den Stellenwert von Stresstests in den neuen Aufsichtsnormen, welcher sich auch in den erweiterten Anforderungen der MaRisk widerspiegelt.

Verfeinerung der Kapitalanforderungen

Inkrementelle Risiken: Mit der Unterlegung der sogenannten inkrementellen Risiken (Incremental Risk Charge, IRC) sollen die Kapitalanforderungen verfeinert werden. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung komplexer Kreditprodukte im Handelsbuch und der zuletzt vermehrt aufgetretenen Verluste, die auf bonitätsinduzierte Kursrückgänge zurückzuführen sind, soll das aufsichtsrechtliche Rahmenwerk für Marktrisiken dahingehend modifiziert werden, dass Migrations- und Credit Spreadrisiken zukünftig durch die IRC besser abgedeckt werden, da Kurswertverluste aufgrund veränderter Risikoeinschätzungen im Rahmen der besonderen Kursrisiken bei internen Modellen modellbedingt bislang nur begrenzt erfasst wurden.11)

Zukünftig müssen die Institute mindestens wöchentlich die Kapitalanforderungen für inkrementelle Risiken anhand erweiterter interner Modelle berechnen, sofern sie interne Modelle für die Quantifizierung des besonderen Kursrisikos einsetzen. Ein konkreter Ansatz zur Modellierung von inkrementellen Risiken wird vom Basler Ausschuss derzeit nicht vorgeschrieben. Stattdessen werden quantitative Mindestanforderungen an ein solches Modell formuliert, die sich zum Teil an den restriktiveren Parametern der IRB-Ansätze orientieren. Es ist ein Konfidenzniveau 99,9 Prozent zu verwenden und ein Kapitalhorizont von einem Jahr zu unterstellen. Außerdem soll für diesen Zeitraum ein konstanter Risikolevel angenommen werden.12) Daneben sind folgende Anforderungen zu beachten:

- Die Möglichkeit gestörter und illiquider Märkte muss im Modell in Form von Liquiditätshorizonten (Mindesthaltedauern) berücksichtigt werden. Die Liquiditätshorizonte sollen für unterschiedliche Positionen des Handelsbuches einzeln bestimmt werden, allerdings mindestens drei Monate betragen.

- Diversifikationseffekte innerhalb der inkrementellen Risiken werden nicht anerkannt.

- Risikokonzentrationen müssen sich hinreichend widerspiegeln.

- Risikominderungen (zum Beispiel durch Hedging) sind konservativ zu bewerten.

- Nicht-lineare Eigenschaften optionaler Finanzinstrumente müssen modelliert werden.

Zwei Typen von Verbriefungstransaktionen

Verbriefung und Wiederverbriefung: Zur Vermeidung von Kapitalarbitragemöglichkeiten zwischen Anlage- und Handelsbuch sind die Kapitalanforderungen für Verbriefungen und Wiederverbriefungen im Handelsbuch denen des Anlagebuches angeglichen worden. Für das besondere Kursrisiko von Verbriefungspositionen müssen nun Risikogewichte in Anlehnung an das Anlagebuch verwendet werden. Die Kapitalanforderungen sind in der Tabelle zusammengestellt.13)

Zukünftig wird zwischen zwei Typen von Verbriefungstransaktionen unterschieden. Als Wiederverbriefungen (Resecuritisations) werden solche Transaktionen verstanden, bei denen die zugrunde liegenden Assets selbst Verbriefungen im aufsichtlichen Sinne sind.14) Im Anlagebuch sind die Risikogewichte für Wiederverbriefungen im KSA in etwa doppelt so hoch wie für "einfache" Verbriefungen. Im IRBA, wo die Kapitalunterlegung stärker differenziert wird, kommt es für Non-Senior-Tranchen zu Steigerungen von bis zu 350 Prozent.

Fehlanreize beseitigen

Als Fehlanreiz hat sich erwiesen, dass Banken ihre Kapitalanforderungen erheblich reduzieren können, indem sie die Anleihen von ABCP Conduits, denen sie für den Fall einer Marktstörung Liquiditätsfazilitäten gewährt haben, selbst aufkaufen, statt die zugesagten Kreditlinie in Anspruch nehmen zu lassen. Die geringere Unterlegungspflicht beruht oftmals auf den externen Ratings, in die zugesagte Liquiditätsfazilitäten positiv einfließen. Daher empfiehlt der Basler Ausschuss, verbriefte Forderungen künftig als nicht geratet zu behandeln, falls ein Rating aus solchen selbstgewährten Fazilitäten resultiert.

Erweiterte Anforderungen an die qualitative Aufsicht und die Transparenz: Die in den "Enhancements" formulierten neuen Regelungen zur qualitativen Aufsicht gründen vornehmlich auf den Erfahrungen aus der aktuellen Finanzmarktkrise und zielen auf nachhaltig verbesserte Risikomanagementprozesse und eine effektivere Überwachung durch die Aufsicht ab. Die Institute müssen sicherstellen, dass die Risikomanagementprozesse alle wesentlichen Risiken einbeziehen. Dies umfasst Reputa-tions-, Rechts- und strategische Risiken, aber auch weitere Risiken, die isoliert betrachtet nicht wesentlich erscheinen, aber zusammen mit anderen Risiken zu deutlichen Verlusten des Instituts führen können.

Von den Entscheidungsträgern wird nunmehr ein besseres Verständnis der möglichen Risiken gefordert. Im Detail sollen die bankinternen Prozesse zur Beurteilung von Risikokonzentrationen, Reputations- und Bewertungsrisiken sowie nicht zuletzt von Verbriefungs- und Liquiditätsrisiken nachgebessert werden.

Die Neuerungen der Offenlegungsvorschriften resultieren überwiegend aus den Änderungen in den Säulen 1 und 2. Banken müssen zudem detailliertere Informationen bezüglich außerbilanzieller Positionen und gewährter Liquiditätsfazilitäten publizieren. Des Weiteren sind die Methoden und Annahmen der neuen internen Risikomodelle für das Handelsbuch zu veröffentlichen.

Beschlussfassung und Umsetzung in deutsches Recht

Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die EU-Richtlinie bis zum 31. Oktober 2010 in nationale Gesetze und Vorschriften umzusetzen, sodass sie in den europäischen Kreditinstituten spätestens ab dem 31. Dezember 2010 Anwendung finden können. Die umfangreichen CRD-Neuregelungen spiegeln zwar bereits weitestgehend die aktuellen Empfehlungen des Basler Ausschusses wider. Dies gilt jedoch nicht für die Behandlung von Wiederverbriefungen und inkrementellen Risiken, die im Basler Ausschuss zum Zeitpunkt der Richtlinienverabschiedung noch nicht abschließend behandelt worden waren. Es ist daher zu erwarten, dass die Ergebnisse des Basler Konsultationsprozesses im Wesentlichen in einer weiteren Richtlinie verabschiedet werden.

Wie bei der Umsetzung der CRD von 2006 wird die Umsetzung in Deutschland in unterschiedlicher Form erfolgen müssen. Bestimmte Änderungen können direkt in die SolvV beziehungsweise GroMiKV eingearbeitet werden und erfordern insofern keinen Beschluss des Bundestags. Es ist aber davon auszugehen, dass Anpassungen des Kreditwesengesetzes notwendig werden, beispielsweise hinsichtlich der Großkreditdefinitionen. Änderungen der qualitativen Anforderungen werden sich, wie auch aus dem Entwurf der neuen Mindestanforderungen ersichtlich, insbesondere in den MaRisk wiederfinden.

Handlungsbedarf bei Instituten und Aufsichtsbehörden

Die vielfältigen Facetten der Finanzmarktkrise - sowohl hinsichtlich der Ursachen als auch in Bezug auf die direkten und indirekten Auswirkungen - spiegeln sich in den unterschiedlichen Regelungsbereichen wider, die von der Überarbeitung des Aufsichtsrechts tangiert werden. Handlungsbedarf besteht mithin nicht nur bei den Instituten, sondern auch bei den Aufsichtsbehörden.

Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den neuen Regulierungsvorschriften sollte als Chance und Selbstverpflichtung gesehen werden, um die Qualität des Risikomanagements zu erhöhen und durch eine Revision der Prozesse zu langfristig verbesserten Strukturen zu gelangen. Ein solides und koordiniertes Risikomanagement, das die aufsichtlichen Kriterien erfüllt und die Transparenz erhöht, kann zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden, denn die Finanzmarktkrise hat auch gezeigt, dass Institute mit funktionierenden Risikomanagementprozessen meist weniger stark betroffen waren.

Fußnoten

1) Die CRD umfasst die EU-Richtlinien 2006/48/EG (Bankenrichtlinie, BRL) und 2006/49/EG (Eigenkapitalrichtlinie, ERL).

2) Der mehrstufige Konsultationsprozess zur CRDÄnderungsrichtlinie startete im April 2008, in dessen Verlauf den Vertretern der Kreditwirtschaft und der nationalen Aufsichtsbehörden die Gelegenheit eingeräumt wurde, die Vorschläge zu kommentieren.

3) Auch der Entwurf zur Überarbeitung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) misst den Risikokonzentrationen einen höheren Stellenwert bei.

4) Vgl. EU-Kommission: Communication "European financial supervision" (COM/2009/252) vom 27. Mai 2009.

5) Vgl. Deloitte (2009): Risikomanagement im Zeitalter strukturierter Produkte, Seite 7.

6) Für deutsche Kreditinstitute stellen die qualitativen Vorgaben eine Ergänzung zu den quantitativen Anforderungen der Liquiditätsverordnung dar, die im europäischen Aufsichtsrecht keine direkte Entsprechung hat.

7) Im Entwurf der neuen MaRisk sind diese Änderungen bereits berücksichtigt. Vgl. BTR 3 Tz. 1 bis 10 des Entwurfs der MaRisk vom 16. Februar 2009.

8) Der Basler Vorschlagskatalog umfasst die Empfehlungen "Revisions to the Basel II market risk framework" ("Revisions"), "Guidelines for computing capital for incremental risk in the trading book" ("Guidelines") und "Proposed enhancements to the Basel II framework" ("Enhancements"). Während die "Revisions" und "Guidelines" sich vor allem mit strengeren Stresstests und zusätzlichen Kapitalanforderungen für inkrementelle Risiken sowie der Behandlung von Verbriefungs- und Wiederverbriefungspositionen des Handelsbuchs befassen, dienen die in den "Enhancements" entwickelten Vorschläge der punktuellen Nachbesserung von Basel II.

9) Vgl. "Revisions", Tz. 718 (LXXV) a) und Tz. 718 (LXXVI) e).

10) Vgl. "Revisions", Tz. 718 (LXXVI) j).

11)Sofern im Zeitraum der relevanten Datenhistorie keine vergleichbaren Kursveränderungen stattfanden, wird das Risiko von zukünftigen Kursverlusten gegebenenfalls systematisch unterschätzt.

12) Die Annahme des konstanten Risikolevels impliziert, dass eine Bank regelmäßig ihr Risikopotenzial überprüft und gegebenenfalls Handelsbuchpositionen umschichtet, um ein bestimmtes Risikoniveau aufrechtzuerhalten.

13) Vgl. "Revisions", Tz. 712 (ii) ff.

14) Die Unterscheidung zwischen Verbriefungs- und Wiederverbriefungstransaktionen ist inzwischen auch von der EU-Legislative aufgegriffen und formal in den Konsultationsprozess aufgenommen worden. In die am 6. Mai 2009 verabschiedete Änderungsrichtlinie hat sie allerdings noch keinen Eingang gefunden.

Michael Cluse , Director Risk Advisory , Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf
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