Aufsätze

Besonderheiten der genossenschaftlichen Bankensäule aus Sicht der Aufsicht

Das Jahr 2008 wird vielen Menschen zunächst als das Jahr der weltweiten Finanzkrise in unguter Erinnerung bleiben. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass 2008 für einige auch ein Jubiläumsjahr und damit ein Jahr des Zurückbesinnens auf die Anfänge und das in der Zwischenzeit Erreichte ist. Der genossenschaftliche Verbund hat im Jahr 2008 sogar zwei große Jubiläen zu feiern. Zunächst ist an den Begründer des gewerblichen Genossenschaftswesens, Hermann Schulze-Delitzsch, zu erinnern, der vor 200 Jahren im sächsischen Delitzsch das Licht der Welt erblickte. Und dann ist die DZ Bank zu nennen, die am 4. Dezember 2008 ihre Gründung vor genau 125 Jahren feiern darf. Sie trat damals noch nicht als DZ Bank AG auf, vielmehr firmierte das 1883 von hessischen Spar- und Darlehenskassen in Darmstadt gegründete Vorgängerinstitut als "Landwirtschaftliche Genossenschaftsbank AG".

Liquiditätsausgleich als Aufgabe

Die damalige Bank hatte die Aufgabe, dem Liquiditätsausgleich zu dienen und das Zahlungs- und Inkassowesen für den gemeinschaftlichen Einkauf landwirtschaftlicher Rohstoffe durchzuführen. In die Erlaubnistatbestände des KWG übersetzt, hätte die Bank also nur einer Erlaubnis für das Einlagen-, das Kredit-, das Diskont- und das Girogeschäft gemäß § 1, Absatz 1, Satz 2, Ziffern 1, 2, 3 und 9 KWG bedurft.

Von der Landwirtschaftlichen Genossenschaftsbank AG unterscheidet die Jubilarin nicht nur ihr Name. Vielmehr hat sie zwischenzeitlich mit mehr als 30 genossenschaftlichen Zentralbanken fusioniert beziehungsweise deren Geschäfte übertragen bekommen, sodass das BVR-Motto "Bündelung der Kräfte" von der DZ Bank auch mit Leben erfüllt worden ist. Die Vorgängerinstitute wiesen teilweise unterschiedliche Rechtsformen auf, sogar eine Anstalt öffentlichen Rechts kann die DZ Bank zu ihren Vorgängern rechnen. Bei allen Veränderungen der Zentralbank blieb die Genossenschaftsidee, dass eine Genossenschaft als Ziel die (wirtschaftliche) Förderung ihrer Mitglieder verfolgt, unangetastet. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal sämtlicher Kreditgenossenschaften ist, dass sie sich im Eigentum ihrer 16 Millionen Mitglieder befinden.

Heute ist die DZ Bank Spitzeninstitut der DZ-Bank-Gruppe, zu der unter anderem die Bausparkasse Schwäbisch Hall, die Union Investmentgruppe, die R+V Versicherung, VR Leasing und die Team-Bank gehören. Die DZ Bank kann für sich reklamieren, wichtigstes Institut eines der größten deutschen Finanzkonglomerate zu sein. Die DZ Bank ermöglicht es den Primärgenossenschaften, deren Kunden das gesamte Spektrum an Allfinanzdienstleistungen anbieten zu können.

Als Spitzeninstitut des genossenschaftlichen Bereichs hat die DZ Bank darüber hinaus die Aufgabe übernommen, neue Lösungen für die Kunden der genossenschaftlichen Kreditinstitute zu entwickeln und so darauf hinzuwirken, das Produktangebot zu vereinheitlichen. Das ist schon aus Kostengründen notwendig, zumal das Thema Ertrag für nahezu alle deutschen Kreditinstitute eine bisher ungelöste Aufgabe ist.

Als Geschäftsbank betreut die DZ Bank zusätzlich Unternehmen und Institutionen, die einen überregionalen Bankpartner benötigen. Schwerpunkte sind hierbei Corporate Finance und Investmentbanking. Die DZ Bank ist heute nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika, im Nahen Osten und in Asien vertreten. Für die Aufsicht über die DZ Bank durch die BaFin folgt daraus, dass aufgrund der internationalen Ausrichtung der Bank auch die regulatorischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen. So sorgt ein intensiver Austausch zwischen den einzelnen beteiligten Aufsichtsbehörden für einen reibungslosen Ablauf. Darüber hinaus war die DZ Bank eine der ersten Banken in Deutschland, die erfolgreich auf die neuen Regularien von Basel II abgestellt hat.

Sicherungseinrichtung als Bindeglied des Verbundes

Eines, wenn nicht sogar das wichtigste Bindeglied des genossenschaftlichen Verbundes ist die beim BVR angesiedelte Sicherungseinrichtung (SE). Sie besteht seit 1934 und ist als Institutssicherung ausgestaltet. Ihrer Existenz ist es zuzurechnen, dass seit der Gründung 1934 kein genossenschaftliches Kreditinstitut insolvent geworden ist. Die Sicherungseinrichtung klassifiziert regelmäßig die ihr angeschlossenen Institute.

Das Klassifizierungsergebnis hat Einfluss auf den von einem Institut zu zahlenden Beitrag zur SE (Beitragssätze zwischen 90 und 140 Prozent des Normalbeitrages) und ist auch maßgeblich dafür, wie intensiv die SE sich mit dem Institut im Weiteren beschäftigt. Die Anzahl der Neusanierungen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen, was einerseits durch das "Greifen" der Präventionsmaßnahmen der SE zurückzuführen ist, andererseits trug auch das gute wirtschaftliche Umfeld der letzten Jahre dazu bei.

Die aktuelle Finanzkrise hat im genossenschaftlichen Bankensektor einerseits zu Belastungen geführt, die jedoch weniger aus unmittelbaren Exposures, sondern vielmehr durch Ratingabstufungen/Bewertungsabschlägen zuvor erstklassiger Adressen resultieren. Bei einigen Banken sind hieraus nicht unerhebliche Belastungen erwachsen; zu einer Inanspruchnahme von BVR-Sicherungsmitteln ist es bisher aber nicht gekommen. Die Genossenschaftsbanken profitieren andererseits von der Finanzkrise, da sie von vielen Anlegern als sicherer Hafen für Geldanlagen angesehen werden und so einen Kundenzuwachs zu verzeichnen haben.

In der heutigen Situation an den Finanzmärkten rückt eine Aufgabe der DZ Bank wieder in den Vordergrund, die bereits vor 125 Jahren eine Kernaufgabe war: der Liquiditätsausgleich. Als Zentralbank ermöglicht sie es den Volks- und Raiffeisenbanken, ihre überschüssige Liquidität zu marktgerechten Konditionen anzulegen beziehungsweise ihren Liquiditätsbedarf zu decken. Dabei profitiert sie im aktuellen Marktumfeld indirekt vom stabilen Einlagenzuwachs bei den Ortsbanken.

In der Tradition von Hermann Schulze-Delitzsch

Eine Inanspruchnahme des staatlichen Rettungspakets ist aus Sicht des Vorstandschefs der DZ Bank, Wolfgang Kirsch, derzeit nicht erforderlich. Nur für den Fall, dass es durch staatlich gestützte Banken im In- und Ausland zu Wettbewerbsverzerrungen komme, wolle die DZ Bank über einen solchen Schritt nachdenken. Mit der Ablehnung, sich unter den staatlichen Rettungsschirm zu begeben, steht sowohl die DZ Bank als auch der gesamte BVR in der Tradition von Hermann Schulze-Delitzsch, der staatliche Unterstützung strikt ablehnte.

Wichtige Entscheidungen im Bereich der Genossenschaftsbanken bedürfen, das belegen einige Erfahrungen der letzten Jahre, gelegentlich mehrere Anläufe. Daher ist zu hoffen, dass die Fusion zwischen DZ Bank und WGZ Bank, über die derzeit erneut verhandelt wird, bald zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden kann. Hermann Schulze-Deltizsch wird der Satz zugeschrieben, "dass Genossenschaften immer das sind, was menschliche Einsicht, geistige Kraft und persönlichen Mut aus ihnen macht". Für ein genossenschaftliches Zentralinstitut kann nichts anderes gelten.

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