Gespräch des Tages

BNY Mellon - Eine unbekannte Größe

Den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch als Aufsichtsratschef zu locken, wäre dem hiesigen Ableger der Bank of New York Mellon anders als der UBS Deutschland wohl kaum gelungen. Mit ihren 572 Mitarbeitern in Deutschland gehört die Einheit jedenfalls nicht zu den ganz großen Adressen der Auslandsbanken in Deutschland. Doch sie darf sich damit hierzulande zu Recht zu den größten amerikanischen Finanzdienstleistern rechnen. Und dass man mit einer Personalausstattung in solcher Größenordnung im Bankgeschäft einiges bewegen kann, zeigt im Übrigen immer wieder die Landwirtschaftliche Rentenbank. Im Berichtsjahr 2009 hat die Förderbank für die Agrarwirtschaft mit ihren 218 Mitarbeitern eine erstaunliche Bilanzsumme von 75,8 Milliarden Euro generiert. Weit weniger an Bilanzsumme lässt sich hingegen mit dieser Mitarbeiterstärke im personalintensiven Retail-Geschäft erzielen. Die Sparkasse Amberg Sulzbach, so zeigt etwa die Rangliste der deutschen Sparkassenorganisation, erwirtschaftete im Berichtsjahr 2009 mit 570 Mitarbeitern in 28 Geschäftsstellen eine Bilanzsumme von gut 1,94 Milliarden Euro. Und die ebenso zufällig herausgegriffene Volksbank Gütersloh bringt es mit 506 Mitarbeitern in 24 Geschäftsstellen auf eine Bilanzsumme von rund 1,9 Milliarden Euro. Welche Volumina Banken mit ihren Mitarbeitern bewegen können, hängt also ganz entscheidend an den Marktsegmenten, in denen sie tätig sind.

Die Geschäftsbereiche der BNY Mellon sind diesbezüglich weltweit und auch in Deutschland für ein großes Mengenaufkommen geradezu prädestiniert. Denn sie sind maßgeblich auf Dienstleistungen rund um die Wertpapiertransaktionen ausgerichtet. So sieht sich die Bank gemessen am verwahrten Vermögen in der Wertpapierabwicklung und verwahrung (Asset Servicing) als weltweit führender Anbieter. Rang 1 in der Welt reklamiert sie auch bei Treuhanddienstleistungen (Corporate Trust) sowie im Geschäft mit Hinterlegungsscheinen (Depositary Receipts). Weitere wichtige Ertragsstandbeine sind die sogenannten Broker-Dealer & Advisor Services von der Ausführung von Börsengeschäften bis hin zum Wertpapierclearing und der Sicherheitenverwaltung sowie Dienstleistungen im Zahlungsverkehr (Treasury Services).

Und dann sind da mit dem Asset- und Wealth Management noch zwei Geschäftsfelder, die nahezu alle der weltweit führenden Banken im Fokus haben. Ganz klein ist BNY Mellon auch in diesen Bereichen nicht. Mit über einer Billion US-Dollar an verwaltetem Vermögen darf sie sich per Mitte dieses Jahres zu den weltweit größten Asset Managern (in den USA Rang 8, in Europa Rang 7) rechnen. Und im Wealth Management reichen über 150 Milliarden US-Dollar an betreutem Privatkundenvermögen unter den US-Anbietern immerhin für eine Platzierung in den Top Ten. Nicht zuletzt dank der recht breiten Erlösverteilung auf die sechs Bereiche Asset Servicing (33 Prozent), Issuer Services (19 Prozent), Asset Management (18 Prozent), Clearing Services und Treasury Services (jeweils zwölf Prozent) sowie Wealth Management (sechs Prozent) hat sich BNY Mellon in der Finanzkrise als vergleichsweise stabil erwiesen. Mit einer Kernkapitalquote von 13,5 Prozent per Mitte dieses Jahres und einer Marktkapitalisierung von 31,4 Milliarden US-Dollar zum Ende des dritten Quartals hat sie sich bei Moody´s das Triple-A-Rating bewahrt. Und die Erträge vor Steuern im ersten Halbjahr dieses Jahres zeugen einmal mehr von einer vergleichsweise hohen Stabilität des Geschäftsmodells in einem ansonsten so sehr von Volatilitäten geprägten Umfeld: Im ersten Halbjahr 2010 wurde nahezu exakt die Hälfte des Vorjahreswertes erreicht.

Mit diesem guten Ruf der Muttergesellschaft auch am deutschen Markt zu punkten, fällt dem hiesigen Ableger freilich schwer. Denn die zum großen Teil deckungsgleichen Geschäftsbereiche stehen recht wenig im Fokus der Öffentlichkeit. Stark an Gewicht gewonnen hat in der deutschen Einheit seit August 2010 das Asset Servicing. Denn mit dem Abschluss der Übernahme der BHF Asset Servicing und der Frankfurter Service Kapitalanlage-Gesellschaft mbH (FSKAG) ist in Frankfurt ein zusammengeführtes Team aus 352 Mitarbeitern entstanden. Zusammen mit dem in Düsseldorf ansässigen Asset-Manage-ment-Arm der WestLB Mellon (siehe Kreditwesen 21-2010) kommt man per Ende des dritten Quartals 2010 auf ein verwahrtes Vermögen von knapp 570 Milliarden Euro, darunter 122 Milliarden an Depotbankvolumen und 112 Milliarden Euro betreutem Vermögen über BNY Mellon Service KAG.

Als Basis für die Betreuung der BNY Mellon Einheiten in 14 Ländern im deutschsprachigen sowie zentral- und osteuropäischen Raum hat die BNY Mellon in Deutschland darüber hinaus einen weiteren Grund, sich stärker und selbstbewusster in der Öffentlichkeit zu präsentieren als bisher. Doch bei aller Stabilität der Geschäftsbasis lauern hierzulande wie überall in der Welt neben dem hartnäckigen, aber öffentlich gleichfalls eher zurückhaltenden Wettbewerber State Street Bank noch andere Konkurrenten. Das Geschäftsmodell ist permanent von technischen Dienstleistern bedroht, angefangen von Börsen und Clearinghäusern, über spezialisierte nationale Wertpapierabwickler wie die dwp-Bank bis hin zu weltweit selektiven Transaktionsanbietern wie der Deutschen Bank. Dank der immens hohen Investitionsaufwendungen in effiziente technische Systeme winkt aus diesem Kreis aber umgekehrt auch ständig die Chance auf weitere Outsourcing-Partner.

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