Gespräch des Tages

Bundesbank - Souveräne Risikobeurteilung

Dass Jens Weidmann viele Maßnahmen der europäischen Geldpolitik anders bewertet als die Mehrheit seiner Kollegen im EZB-Rat, hat er in den vergangenen Jahren wiederholt deutlich gemacht. Insbesondere die aus seiner Sicht bedenkliche Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik mahnt er immer wieder an. Und solange er eine Fiskalunion für politisch nicht umsetzbar hält und auch in vielen Mitgliedstaaten keinerlei ernst zu nehmende Aktivitäten für eine schnelle Entwicklung in diese Richtung registriert, setzt er auf eine Einhaltung der Regeln der Nationalstaaten und spricht sich dabei unter anderem entschieden gegen eine Vergemeinschaftung von Risiken aus.

Rechtliche Grundlage für eine unabhängige Risikobeurteilung ist der § 26 des Bundesbankgesetzes, der der Bundesbank bei ihrer Ergebnisermittlung ausdrücklich die Bildung von Passivposten auch für allgemeine Wagnisse im In- und Auslandsgeschäft im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zuspricht. Entsprechend klar wird im aktuellen Geschäftsbericht gleich zu Beginn der Erläuterungen zum Management finanzieller Risiken verdeutlicht, wie die Notenbank die Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgabe versteht: "Die Verantwortung für die Risikosteuerung obliegt grundsätzlich dem Vorstand."

In der Ertragsrechnung der Deutschen Bundesbank für das Geschäftsjahr 2012 findet diese souveräne Beurteilung der Risikolage ihren deutlichen Niederschlag in der massiven Aufstockung der Rückstellungen für allgemeine Wagnisse, Preis- und Währungsrisiken um gleich 2,53 Milliarden Euro auf 6,671 Milliarden Euro. Allgemein formuliert wird diese Maßnahme auf höhere Risiken aus geldpolitischen Geschäften zurückgeführt. Aber im Geschäftsbericht wird auch klar ausgesprochen, was konkret damit gemeint ist, nämlich die in vergangenen Jahren zu beobachtbare Konzentration der Kreditaufnahme auf bestimmte Länder und Banken sowie die im Zuge der Finanzkrise erfolgte Absenkung der Anforderungen an die von den Kreditinstituten zu hinterlegenden Sicherheiten und die Verlängerung der Offenmarktkredite.

Zur sachgerechten Beurteilung der Risikoposition bei den Forderungen aus geldpolitischen Operationen sowie des im Rahmen des Securities Markets Programme (SMP) aufgebauten Wertpapierportfolios, so betont die Bundesbank ergänzend, werden nicht nur die Einträge in der Bundesbankbilanz betrachtet, sondern die im Eurosystem in diesem Bereich insgesamt bestehenden Forderungen, für die die Bundesbank im Falle auftretender Verluste gemäß ihrem Kapitalanteil an der EZB mit rund 27 Prozent einstehen müsste.

In den geldpolitischen Entscheidungen der vergangenen Jahre ist die Bundesbank nur noch ein Teil des Eurosystems. Und selbst in der Risikosteuerung der Forderungen aus geldpolitischen Operationen sowie der geldpolitisch begründeten Wertpapierportfolios folgt sie den Vorgaben des Eurosystems, die auf Entscheidungen des EZB-Rates beruhen. Aber in der Risikobeurteilung des eigenen Hauses und der Bildung von Rückstellungen und Gewinnabführungen an das Bundesfinanzministerium nutzt sie allem Eindruck nach durchaus die gegebenen Freiheitsgrade.

In diesem Sinne hat sie mit ihrer konservativen Einschätzung der einschlägigen GuV-Position für das Geschäftsjahr 2012 das Volumen des dritten Schrittes des von der EZB im Jahre 2011 ausgerufenen Signals zur Aufstockung der Wagnisrückstellung im Dreijahreszeitraum 2010 bis 2012 eindeutig am oberen Rand der Erwartungen angesiedelt. Dass damit lediglich 643 (664) Millionen Euro an Bundesbankgewinn verblieben sind und direkt an das Bundesfinanzministerium überwiesen wurden, demonstriert an dieser Stelle die Unabhängigkeit der Notenbank.

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