Aufsätze

Zu den Chancen einer Rückkehr von verbrieftem Mittelstands-Mezzanine

Das Thema Verbriefung hat derzeit weniger Freunde als Kenner. Das erschwert seine Erörterung. Diejenigen, die sich in der Materie auskennen, halten sich zurück, weil sie den Geruch scheuen von Risikovergessenheit, Ratinggläubigkeit, Moral Hazard und was sonst noch weiterhin an Negativem mit der Verbriefung assoziiert wird. Die anderen, die sich mit den Möglichkeiten und Anforderungen der globalen Kapitalmärkte von heute weniger auskennen, waren sowieso schon immer dagegen.

Höhere Finanzierungskosten

Andererseits ist gerade der Bereich Mittelstandsfinanzierung ein hervorragendes Beispiel für die unzweifelhaften Segnungen der Verbriefung. Der Mittelstand, nach wie vor Rückgrat der deutschen, ja, der europäischen Realwirtschaft, ihrer Innovations- und Anpassungsfähigkeit, ihrer Robustheit und Exportstärke, hat nur einen, aber wesentlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber den großen, kapitalmarktfähigen Industrieunternehmen, nämlich die höheren Finanzierungskosten.

Das resultiert daraus, dass eine Kreditwürdigkeitsprüfung für eine 500-Millionen-Euro-Finanzierung nicht teurer kommt als die für eine Unternehmensfinanzierung von "nur" 50 Millionen Euro. Oder, um es mal negativ auszudrücken: Selbst eine Fünf-Millionen-Euro-Finanzierung ist wegen der weitgehend fixen "Herstellkosten", wenn denn gründlich, gediegen und umfassend geprüft wird - Due Diligence heißt das heutzutage -, nicht viel billiger als eine 50-Millionen-Euro-Finanzierung.

Dieser Umstand erklärt vieles. Er verdeutlicht, warum große Banken im Mittelstandsfinanzierungsgeschäft bisweilen als weniger interessiert gelten. Und er erklärt auch die zwischenzeitlich nahezu grenzenlose Beliebtheit von oft nur auf der quantitativen Auswertung von Finanzausweisen beruhenden, schnellen und kostengünstigen Ratingverfahren - jedenfalls bis zur US-Subprime-Mortgage-Krise von 2007.

Und spätestens hier scheiden sich die Geister. Der traditionelle Banker schwört auf die herkömmliche Kreditwürdigkeitsprüfung, einschließlich qualitativer und sich auf die Zukunft beziehender Aspekte. Deren auch nur teilweise Substitution durch Ratings ist für ihn der Sündenfall, der eigentliche Anfang vom später notwendigerweise folgenden Beinahe-Kollaps des Weltfinanzsystems infolge nicht verstandener, nicht erkannter, durch die Ratings nicht abgebildeter und auch nicht abbildbarer Risiken.

Ende der Diskussion?

Bei Licht besehen, hat es natürlich auch schon vor dem Aufkommen der auf einer Fülle historischer Daten basierenden Ratingverfahren Phasen ex post nicht nachvollziehbarer Blasenbildungen in den Kreditmärkten gegeben. Aber im Rückblick scheint so manches irrational, was dem früheren Zeitgenossen vollkommen normal und risikolos vorkommen wollte. Es ist wohl einfach so, dass sich auf den Finanzmärkten Phasen exzessiver Risikobereitschaft und solche übertriebener Risikoaversion miteinander abwechseln. Gegen solche aus dem menschlichen Herdeninstinkt resultierende Schwankungen ist kein Kraut gewachsen. Jedenfalls wäre es verbohrt und daher töricht, umgekehrt auf eine Art Unfehlbarkeit traditioneller Kreditwürdigkeitsprüfungen zu setzen. Ein zutreffender Blick auf ungewisse Zukunftsereignisse gelingt nämlich auch dem traditionellen Banker nicht immer. Trotzdem sind entsprechende Bemühungen vorzugswürdig gegenüber dem bloßen Blick in den Rückspiegel, wie man das bloße Abstellen auf quantitative Ratings zutreffend kritisch gekennzeichnet hat.

Eine sich an ein professionelles Due Diligence später anschließende Strukturierung und nach verschiedenen Ratings erfolgende Tranchierung ist unproblematisch, solange eine Möglichkeit für den Endinvestor fortbesteht, sich praktisch jederzeit, in toto oder jedenfalls stichprobenartig von der Qualität und Performance des Underlying Collateral zu überzeugen.

Zwar nicht bei der von der KfW entwickelten Kreditverbriefungsplattform Promise hat es da von Anfang an gehakt, wohl aber bei den Mezzanine-Verbriefungsprogrammen, die von 2004 bis Mitte 2007 große Mode waren. Das Pionierprodukt Preps, das die HVB im Mai 2004 erstmals erfolgreich am internationalen Kapitalmarkt platzierte, bediente sich als Auswahlprozedur primär einer von Moody's entwickelten Finanzkennzahlen-Ratingsoftware namens Risk-Calc. Das war etwas dünn, dagegen billig und schnell, aber wurde damals vom Investorenmarkt, der sich in optimistischer Grundverfassung befand und sich durch die Ratings von eigenen Prüfungsbemühungen entlastet sah, ohne Beanstandung akzeptiert.

Für Hunderte durch Preps finanzierte Mittelstandsunternehmen resultierte hieraus eine sensationell niedrige Grundvergütung für die Bedienung dieses eigenkapitalersetzenden Genussscheins mit siebenjähriger Laufzeit von unter acht Prozent.

Alle anderen Anbieter von "traditionellen" Mezzanine-Finanzierungen haben sich damals ordentlich gefuchst und enorm auf Preps geschimpft, das ihnen Abschlüsse auf Basis der bis dahin üblichen Unternehmenskosten von eher 15 Prozent und mehr plötzlich verhagelte.

Über zehn nahezu identische Produktkopien

Den Mittelstandsunternehmen war das gründlich gleichgültig angesichts nie zuvor da gewesener Niedrigkosten. Und die Konkurrenz ging, so schnell wie nur möglich, zur Imitation von Preps über. Außer der Dresdner waren alle größeren Institute einschließlich der Landesbanken bei der Aufholjagd dabei, also per 2007 über zehn mit Preps nahezu identische Produktkopien. Bis Mitte 2007, als die US-Subprime-Mort-gage-Krise dem Verbriefungsmarkt global vorübergehend das Licht auspustete, addierte sich das auf ein Gesamtemissionsvolumen von über 5,5 Milliarden Euro, oder, wenn man nur die sieben größten Programme zählt, von 4,4 Milliarden Euro (siehe Abbildung).

Mindestens ebenso beeindruckend wie die Prinzipienfestigkeit der Dresdner Bank, die damals auf ein extrem mittelstandsfreundliches, aber sie nicht nachhaltig überzeugendes Produkt verzichtete, war die Intensität des ruinösen Wettbewerbes, der ab 2005 unter den Programm-Mezzanine-Anbietern einsetzte. Das höhlte die Selektionsstandards zunehmend aus und ermöglichte es auch marginalen, bisweilen sogar betrügerischen Unternehmen, sich kostengünstigst, hier und da sogar mehrfach hintereinander, zu bedienen.

Endfälligkeit ab Mai 2011

Der Tsunami dieser 5,5-Milliarden-Euro-Mezzanine-Programme steht aufgrund ihrer durchweg siebenjährigen Laufzeit ab Mai 2011 vor der Endfälligkeit. Eine Refinanzierung im Kapitalmarkt in der von 2004 bis 2007 praktizierten Art und Weise ist ausgeschlossen.

Also macht sich zunehmend Nervosität breit, und zwar sowohl bei den Unternehmen, deren Wirtschaftsprüfer den Genussscheinen mit einer Endfälligkeit unter einem Jahr nicht mehr die eigenkapitalersetzende Eigenschaft attestieren können, und damit auch bei den Banken, die einer sozusagen schon rein technisch bedingten Bonitätsverschlechterung dieser Unternehmen zusehen und um Reputationsschäden jenseits ohnehin drohender Wertberichtigungen fürchten müssen. Das Gesamtschadenspotenzial des 5,5-Milliarden-Euro-Tsunami liegt damit wohl bei einem Mehrfachen, falls nicht rechtzeitig eine systemische Lösung gefunden und umgesetzt wird.

Das Thema hat sich daher auch bis in die Politik herumgesprochen. Das Feedback vom Wirtschaftsgipfel bei der Bundeskanzlerin von Anfang Dezember 2009 war, dass jedenfalls nicht an eine staatliche Ankurbelung von Mittelstandsfinanzierungsverbriefungen gedacht wird.

Angesichts des seitdem stetig und kräftig weiter gestiegenen Risikoappetits der institutionellen Investoren, die also im Blick nach vorn zunehmend Vertrauen in eine Erholung der Realwirtschaft setzen, wird das bei "normalen" Mittelstandskreditverbriefungen auch kaum nötig sein. Streng ausgesuchtes, gut diversifiziertes und ausreichend granulares Mittelstandskreditrisiko wird von allein seinen Weg zurück über die Verbriefung in die Kapitalmärkte finden - mit den entsprechend entlastenden Bilanzeffekten für die von der Krise noch immer eigenkapitalgeschwächten Banken.

Schwierigere Situation bei Mezzanine

Bei Mezzanine stellt sich die Situation leider schwieriger dar. Denn nicht nur in Bezug auf die zu saloppe Eingangsprüfung waren bei Preps Webfehler eingebaut, die übrigens von den Imitatoren sämtlich kopiert wurden. Dazu ist vor allem der Aspekt zu rechnen, dass es sich um statische Pools handelte. Notleidende, restrukturierungsbedürftige oder auch einfach veräußerte Unternehmen können also nicht ausgeschieden und gegen andere Unternehmen substituiert werden.

Angesichts der tiefen Nachrangigkeit von Mezzanine-Verbindlichkeiten fehlten außerdem verlustvorbeugende Kontroll- und Gestaltungsrechte, obwohl im Kreis der regelmäßig gut besicherten Bankkreditgläubiger der Mezzanine-Gläubiger im Krisenfall regelmäßig leer auszugehen droht, wenn nicht rechtzeitig Alternativszenarien vorbereitet werden. Auch insofern entsprechen die Preps & Co. Programme nicht den wieder strenger gewordenen Erwartungen professioneller Investoren.

Nun ist es aber keineswegs so, dass sich solche Merkmale nicht sämtlich auch bei einer Verbriefung von Mezzanine berücksichtigen ließen. Das ist ja gerade der Charme der oft zu Unrecht geschmähten, enorm flexiblen Verbriefungstechnologie. Etwa über den Excess Spread, Overcollateralization, Performance Triggers im Cash-Flow-Wasserfall lassen sich auch dynamische Portfolios mit Investorgestaltungsoptionen robust verbriefen. Allerdings wäre ein nach traditionellem Due Diligence selektioniertes, mit handfesten Informations-, Kontroll- und Gestaltungsrechten ausgestattetes, dynamisches Mez-zanine-Portfolio für das Unternehmen sicher deutlich teurer als die vormals bei Preps für die Grundvergütung maßgeblichen lediglich zirka 360 Basispunkte über dem siebenjährigen Euroswapsatz, der Anfang des zweiten Quartals 2010 bei unter drei Prozent lag.

Angesichts einer Kostenbelastung für "traditionelles" Mezzanine von 15 bis 20 Prozent würde Verbriefungs-Mezzanine jedenfalls nicht an Nachfragemangel bei den Unternehmen leiden, solange am Investoreninteresse orientierte Strukturverbesserungen den Kostenvorteil der Verbriefung nicht völlig aufzehren.

Hinreichendes Anlageinteresse?

An mangelndem Anlageinteresse auf Seiten der institutionellen Investoren sollte streng selektioniertes Mittelstands-Mezzanine, ordentlich diversifiziert, ausreichend granular und durch Kontroll- und Gestaltungsrechte zusätzlich bewehrt, auch nicht leiden. Bei konservativer Ausgestaltung könnte sich sogar die nicht geratete Junior Note als unter Risiko-/Rendite-Aspekten attraktiver darstellen als ein Engagement in einen "traditionellen" Fonds für Mittel-stands-Mezzanine.

Aufgrund des zu erwartenden Yield Pick Up bei den AAA gerateten Tranchen dürfte derart strukturiertes Mittelstands-Mezzanine auch für den Deckungsstock von Kapitalsammelstellen hochattraktiv sein. Die Alternativen sehen zurzeit ja alles andere als rosig aus: Wegen Überschuldung durch Downgradings gefährdete Anlagen in Staatsanleihen oder gleichfalls zunehmend risikobehaftete Pfandbriefe?

Aber es stellen sich logistische Engpassfragen auf der Akquisitionsseite: Wie schnell kann man ein kapitalmarkttaugliches - also mit einer Mindestpoolgröße von zirka einer Milliarde Euro Mittelstands-Mezzanine-Portfolio bei Wahrung strenger Due-Diligence-Maßstäbe einsammeln? Kann man das vor Fälligkeit der ersten Preps Pools in 2011 überhaupt schaffen? Besteht nicht auch ein Risiko, dass einem irgendein Wettbewerber - wie vor der Krise - im Kampf um Marktanteile das Einsammeln des Portfolios durch laxere Standards oder niedrigere Kosten für die Unternehmen erschwert oder gar unmöglich macht?

Ein berechenbarer neuer Industriestandard

Bislang scheint eine Neigung zum Cherry Picking nach dem Prinzip "first come, first serve" vorzuherrschen. Nicht eine systemische Lösung und Korrektur des ersten, leider verkorksten Mezzanine-Verbriefungsansatzes, der nun mit 5,5 Milliarden Euro quer und unübersehbar im Raume steht, wird in den Blick genommen, sondern das möglichst zügige Einsammeln von Mandaten der leicht identifizierbaren besseren Mittelstandsunternehmen aus diesem Haufen, anschließend zu refinanzieren über traditionelle Mezzanine-Fondsansätze von um 300 Millionen Euro.

Wie in solchen Situationen üblich, sind mehr als ein Marktteilnehmer auf dieselbe prima Idee zur selben Zeit gekommen, weswegen das kompetitive Unterfangen am Ende nicht unbedingt in einem "gut Kirschenessen" enden muss. Dagegen könnte eine Strategieentscheidung der Marktführer auf der Origination- wie auf der Investmentseite einen für die Unternehmen kostenmäßig nicht mehr zu unterbietenden, qualitätsmäßig nachhaltigen und damit verbindlichen und auch für spätere Refinanzierungen berechenbaren neuen Industriestandard für verbrieftes Mit-telstands-Mezzanine schaffen, der für alle Marktteilnehmer - nicht zuletzt die Mittelstandsunternehmen selbst - von Gewinn wäre und Modellcharakter für eine europäische Plattformlösung entwickeln könnte.

Michael Altenburg , Luzern, Schweiz
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