Kommentar

Dauerbrenner - aufsichtsrechtliche Konsolidierung aller Arten von Zweckgesellschaften?

Hiltrud Thelen-Pischke, Director, PricewaterhouseCoopers, Frankfurt am Main

Zweifellos war die Auslagerung von Risiken in Zweckgesellschaften ein bedeutender Mitverursacher der Finanzkrise. Neben dem Werteverfall von Direktinvestments in Subprime-ABS-Verbriefungstranchen waren auch Investments in sogenannte ABCP Funding Vehicles und Structured Investment Vehicles von der Finanzkrise betroffen. Aufgrund der Intransparenz der Risiken in diesen Strukturen flohen die Investoren in Scharen aus diesen Anlagen. Der Markt für ABS-Papiere und Commercial Papers trocknete völlig aus.

Viele deutsche Banken haben die Wertminderung der ABS-Tranchen schmerzlich erfahren und in erheblichem Umfang Abschreibungen auf ihr Kreditersatzgeschäft vornehmen müssen. Theoretisch hätten auch die Inhaber von Commercial Papers an den Ausfällen in den ABCP-Vehikeln beteiligt werden können. Das wäre aber das Aus für viele Geldmarktfonds gewesen, die in erheblichen Umfang in Commercial Papers investiert hatten.

Handelsrechtliche Behandlung von Zweckgesellschaften

Mit Aufarbeitung der Finanzkrise ist die Problematik der Konsolidierung von Zweckgesellschaften (SPE) wieder in den Vordergrund gerückt. Schon nach dem Platzen der Dotcom-Blase 1999/2002 zogen die internationalen Standardsetter Konsequenzen und ergänzten das für die Beherrschung eines Unternehmens in IAS 27 geregelte "Control-Konzept" um die Vorgaben des SIC 12 zur Konsolidierung von Zweckgesellschaften. Eine SPE ist danach von einem Unternehmen zu konsolidieren, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung die SPE durch dieses Unternehmen beherrscht wird.

Das BilMoG stellt nun bei der Frage der Konsolidierung nach dem HGB anstelle der Kriterien "einheitliche Leitung" oder "Con-trol-Konzept" nur auf das international übliche Konsolidierungskonzept "mögliche Beherrschung/Control-Konzept" ab. Um die Auslagerung von Risiken aus dem handelsrechtlichen Konzernabschluss soweit wie möglich einzuschränken, besteht zukünftig mit § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB explizit auch eine Konsolidierungspflicht für Zweckgesellschaften. Voraussetzung dafür ist in Anlehnung an SIC 12, dass ein Unternehmen bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen eines anderen Unternehmens trägt, das zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient, unabhängig davon, ob eine Beteiligung besteht oder nicht.

Nunmehr müssen also Zweckgesellschaften, die diesen Tatbestand erfüllen, in den handelsrechtlichen Konzernabschluss einbezogen werden. Reine Verbriefungszweckgesellschaften haben im Vergleich zu anderen Zweckgesellschaften einige Besonderheiten. Sie sind typischerweise in der Rechtsform eines Trust, einer Stiftung oder auch einer GmbH aufgesetzt, insolvenzfest und mit einem sogenannten Autopilot-Mechanismus ausgestattet.

Die Vermögenswerte auf der Aktivseite stehen ausschließlich zur Bedienung der Verbindlichkeiten (ABS-Wertpapiere) auf der Passivseite zur Verfügung. Der Originator der Forderungen verliert jeglichen Zugriff auf die Forderungen, wenn er nicht das Forderungsinkasso weiter betreibt. Insbesondere stehen diese Vermögenswerte bei einer Insolvenz des Originators nicht zur Bedienung aller Gläubiger des Originators zur Verfügung. Vielmehr haben ausschließlich die Inhaber der ABS-Wertpapiere einen Anspruch auf diese Vermögenswerte beziehungsweise die Zahlungsströme daraus. Grundsätzlich sollte bei diesen Gestaltungen zwar die Mehrheit der Chancen und Risiken der SPE nicht beim Originator liegen. Damit wäre die SPE auch nicht zu konsolidieren. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass Transaktionen, bei denen das First Loss Piece vom Originator gehalten wird, anders zu behandeln sind. Dann könnte die SPE gegebenenfalls zu konsolidieren sein.

Verbriefungszweckgesellschaften - Fluch oder Segen?

Unbestritten ist, dass die Möglichkeit der Verbriefung von Kreditrisiken dazu beigetragen hat, für Banken und Unternehmen weitere Refinanzierungsquellen zu generieren und somit dem gestiegenen Innovations- und Expansionsdruck zu begegnen. Zudem lassen sich über die Verteilung der Wertschöpfung des Kreditgeschäftes auf mehrere Parteien Spezialisierungs- und Kostenvorteile erzielen.

In dem Handel der Adressausfallrisiken aus dem Kreditgeschäft liegen allerdings auch die wesentlichen Ursachen für die gegenwärtige Krise, wobei zumindest einige Probleme auf mangelnde beziehungsweise unglaubwürdige Informationen (zum Beispiel Ratingurteile, Bewertung der Finanzinstrumente, Behandlung der Erstverlusttranchen) sowie die extreme Verflechtung der am Kapitalmarkt agierenden Parteien zurückzuführen waren. Eindämmung regulatorischer Arbitrage:

Zwischenzeitlich haben sowohl der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht als auch die Europäische Kommission auf die Fehlentwicklungen im Verbriefungsbereich reagiert und einige Verschärfungen in der Regulierung angekündigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits das Basel-II-Rahmenwerk von 2004 Mechanismen hatte, die die regulatorische Arbitrage im Verbriefungsmarkt eindämmen sollte. Dazu zählen insbesondere die geforderte Eigenkapitalunterlegung der Liquiditätslinien sowie der Nachweis des signifikanten Risikotransfers oder die Verhinderung des impliziten Supports. Die nunmehr angedachten Verschärfungen betreffen neben der generell geforderten höheren Risikogewichtung für Wiederverbriefungen nochmals die Behandlung der Liquiditätslinien und die Behandlung der Verbriefungspositionen des Handelsbuchs. Aufsichtsrechtliche Konsolidierung: Der regulatorische Konsolidierungskreis weicht bei der Frage der einzubeziehenden Unternehmen vor allem insoweit vom handelsrechtlichen Konzern ab, als für KWG-Zwecke nur die Unternehmen (Tochterunternehmen, qualifizierte Minderheitsbeteiligungen) erfasst werden, die im Finanzbereich tätig sind. Der aufsichtsrechtliche Konsolidierungskreis wird auf Institute, Kapitalanlagegesellschaften, Finanzunternehmen, Anbieter von Nebendienstleistungen und zukünftig auch Zahlungsdienstleister begrenzt. Durch die Konsolidierung soll die Mehrfachausnutzung des nur einmal vorhandenen haftenden Eigenkapitals vermieden werden (kein Aufbau von Risikopyramiden).

Signifikanter Risikotransfer?

Die bereits angesprochenen, nach HGB konsolidierten ABS-Zweckgesellschaften erfahren im Rahmen der BilMoG-Umsetzung bei Banken eine besondere Bedeutung, da der aufsichtsrechtliche Risikotransfer keinen Gleichlauf mit der handelsrechtlichen Behandlung aufweist. So kann zum Beispiel auch beim Zurückbehalt der First Loss Position gleichwohl ein signifikanter Risikotransfer gegeben sein.

Verbriefungszweckgesellschaften: In diesem Zusammenhang ist die spannende Frage nun, wie Verbriefungszweckgesellschaften zu qualifizieren sind. Vordergründig könnte man zum Ergebnis kommen, diese als Unternehmen einzuordnen, deren Haupttätigkeit es ist, Geldforderungen anzukaufen. Damit wären sie als sogenanntes Finanzunternehmen zu behandeln und als nachgeordnetes Unternehmen bei Erfüllung der Tochterunternehmenseigenschaft regulatorisch zu konsolidieren.

Hiergegen könnte aber sprechen, dass die ABS-Zweckgesellschaft lediglich ein rechtliches Konstrukt darstellt, durch welches es möglich ist, Investoren an bestimmten Vermögenswerten, beziehungsweise an den Zahlungsströmen aus diesen Vermögenswerten teilhaben zu lassen (vgl. auch § 1 Abs. 26 KWG). Die ABS-Zweckgesellschaft hat keine wiederkehrende, stetige Geschäftstätigkeit mit sich ändernden Risikopositionen. So handelt es sich bei Verbriefungszweckgesellschaften nach der in Art. 4 Nr. 44 der RL 48/EU/2006 für Zweckgesellschaften niedergelegten Definition entweder um Treuhandgesellschaften oder um ein sonstiges Unternehmen.

Nach der Richtlinie ist die Zweckgesellschaft wie folgt definiert: "Eine Treuhandgesellschaft oder ein sonstiges Unternehmen, das kein Kreditinstitut ist und zur Durchführung einer oder mehrerer Verbriefungen errichtet wurde, deren Tätigkeit auf das zu diesem Zweck Notwendige beschränkt ist, deren Struktur darauf ausgelegt ist, die eigenen Verpflichtungen von denen des originierenden Kreditinstituts zu trennen, und deren wirtschaftliche Eigentümer die damit verbundenen Rechte uneingeschränkt verpfänden oder veräußern können".

Diese Definition wurde auch im Rahmen der Umsetzung der Bankenrichtlinie in die Solvabilitätsverordnung übernommen: "Eine Verbriefungszweckgesellschaft ist danach ein Unternehmen, das zu dem ausschließlichen Zweck der Durchführung einer oder mehrerer Verbriefungstransaktionen (True Sale oder synthetisch) mit der Absicht errichtet wurde, die Verpflichtungen der Verbriefungsgesellschaft von denen des Originators zu isolieren und deren Anteilsinhaber das Recht haben, die mit ihrem Anteil an der Verbriefungszweckgesellschaft verbundenen Rechte uneingeschränkt zu verpfänden oder auszutauschen. Die Aktivitäten der Verbriefungszweckgesellschaft sind auf die Tätigkeiten begrenzt, die zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind".

Wäre vom Richtlinienverfasser beziehungsweise deutschen Gesetzgeber eine Gleichsetzung der Verbriefungszweckgesellschaft mit der Tätigkeit von "Finanzunternehmen" beabsichtigt gewesen, ist zu vermuten, dass dies explizit so geregelt worden wäre. Eine solche Regelung ist aber, wie dargestellt, nicht getroffen worden. Dies lässt den Schluss zu, dass eine Einbeziehung von Verbriefungszweckgesellschaften in den Bereich der Finanzunternehmen nicht zwingend ist.

Als weiteres Indiz kann Artikel 73 der EU-Richtlinie angeführt werden, der definiert welche Unternehmen in der aufsichtsrechtlichen Konsolidierung zu erfassen sind. Dabei werden die Zweckgesellschaften, da sie wie Treuhandgesellschaften oder wie sonstige Unternehmen behandelt werden, ebenfalls nicht berücksichtigt.

Klarstellung durch den Aufseher erwünscht

Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass sich weder aus der Bankenrichtlinie noch aus den daran angelehnten Kreditwesen- und Solvabilitätsanforderungen eine zwingende Einbeziehung der reinen Verbriefungszweckgesellschaften in den regulatorischen Konsolidierungskreis ableiten lässt. Structured Investment Vehicles: Anders sieht es bei den Tätigkeiten, die im Rahmen der Structured Investment Vehicles (SIV) durchgeführt wurden, aus. Diese lassen sich wohl nicht bei den klassischen Verbriefungszweckgesellschaften einordnen. Vielmehr entwickelte sich bei diesen Aktivitäten ein regelrechtes Schattenbanksystem, indem vor allem die Möglichkeit der Fristentransformation zur Ertragsgenerierung genutzt wurde. Es wurden laufend neue individuelle Entscheidungen zum Eingehen von Risikopositionen in verbriefte Produkte getroffen. Die für Banken geltenden regulatorischen Vorschriften zur Liquidität wie auch zur Überwachung der Zinsänderungsrisiken konnten so umgangen werden.

Nach BilMoG werden im Vergleich zur früheren Regelung zukünftig mehr Zweckgesellschaften als Tochterunternehmen handelsbilanziell zu konsolidieren sein. Für die aufsichtsrechtliche Konsolidierung ist aber entscheidend, ob diese Zweckgesellschaften in den Kreis der nachgeordneten Unternehmen (Institute, Finanzunternehmen) fallen oder ob sie als sonstige Unternehmen unberücksichtigt bleiben. Diese Differenzierung hängt ausschließlich von der Funktion der Zweckgesellschaft ab. Bei reinen Verbriefungszweckgesellschaften sind Zweifel angebracht, ob eine regulatorische Konsolidierung gewollt beziehungsweise angemessen ist. Angesichts der unterschiedlichen Meinungen am Markt und der Brisanz des Themas im Rahmen der Umsetzung des BilMoG bei den Banken wäre eine zügige Klarstellung durch den Aufseher wünschenswert.

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