Aufsätze

Eigenkapital als Wettbewerbselement

Die Stärkung von Quantität und Qualität des Eigenkapitals ist eine der wesentlichen Zielsetzungen der regulatorischen Reformagenda, wie sie von den G20-Staaten definiert wurde. Je mehr die Umsetzung dieser Agenda von konzeptionellen Entwürfen hin zu konkreten Umsetzungsvorschlägen führt, desto deutlicher wird, dass die Wirkung von Eigenkapitalregeln sich nicht auf das Thema der Finanzstabilität beschränkt, sondern Implikationen über den Finanzsektor hinaus hat, konkret auf die Finanzierungsbedingungen in einer Volkswirtschaft.

Kapital als Wettbewerbsfaktor

Eine ausreichende Ausstattung mit Eigenkapital hat sich auch in dieser Krise wieder als ein Wettbewerbsfaktor erwiesen. In seiner Eigenschaft als ultimativer Absorber von unerwarteten Verlusten war Eigenkapital die Grundvoraussetzung dafür, dass die meisten Banken die Belastungen und Verluste, die aus der Krise resultierten, verkraften konnten. Klar wurde aber auch: Ein solides Eigenkapitalpolster ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung dafür, dass Banken Krisensituationen erfolgreich meistern können. Auch einige gut kapitalisierte Banken gerieten in Schwierigkeiten und bedurften staatlicher Hilfe.

Dies zeigt: Neben einer - gemessen an dem Umfang und dem Risikogehalt der Aktiva - hinreichenden Quantität des Eigenkapitals kommt es auch auf die Qualität des Kapitalmanagements an. Aktives und solides Kapitalmanagement achtet auf mehr als nur auf die Einhaltung von Kapitalquoten, wie sie durch Aufsichtsbehörden, Ratingagenturen oder Investoren vorgegeben werden. Kapitalmanagement muss vielmehr als integraler Bestandteil des Risikomanagements verstanden werden und als solcher prozessual und organisatorisch eng mit dem Risikomanagement verknüpft sein. Das eigentlich diskriminierende Merkmal, welches jene Banken, die besser durch die Krise gekommen sind, von jenen unterscheidet, für die das nicht gilt, ist dementsprechend nicht die Kapitalquote, sondern vielmehr die Organisation und die Qualität eines integrierten Kapital-, Risiko- und Liquiditätsmanagements. Konkrete Elemente eines solchen integrierten Risikomanagements sind regelmäßige Szenario-Analysen des Kapitalbedarfs unter verschiedenen Umweltzuständen und ein Stress-Testing des Portfolios inklusive der Analyse der jeweiligen Rückwirkungen auf die Kapitalbasis der Bank. Ferner ist wichtig, dass das Kapital bankintern den Geschäftsbereichen zu risikogerechten Preisen zugewiesen wird. Insbesondere ist es zu vermeiden, dass risikoträchtigeren Aktivitäten wie dem Eigenhandel billiges Kapital, etwa aus Einlagen, ohne eine entsprechende Anpassung der internen Verrechnungspreise zufließt. Vielmehr muss jeder Geschäftsbereich in der internen Kapitalallokation so geführt werden, als ob sich der Geschäftsbereich das Kapital am Markt besorgen müsste. Die Geschäftsmodelle der einzelnen Bereiche müssen entsprechend darauf abstellen, das heißt mit marktgerechten Konditionen kalkulieren.

Eigenkapital als zentraler Baustein der Regulierung

Mindestanforderungen an die Eigenkapitalausstattung von Banken sind traditionell eines der wichtigsten Instrumente der Bankenregulierung. Dies überrascht nicht angesichts der Bedeutung des Eigenkapitals für die Fähigkeit von Banken, Verluste zu absorbieren. Die Stabilität einzelner Institute und damit auch des Finanzsystems insgesamt wird durch eine hinreichende Unterlegung der risikotragenden Aktivitäten eines Kreditinstituts mit Eigenkapital gestärkt.

Gleichzeitig ist Eigenkapital aber auch das wichtigste Steuerungsinstrument für eine Bank, denn zum einen erfolgt die strategische Geschäftssteuerung ultimativ durch die Zuweisung der knappen Ressource Eigenkapital an konkurrierende Geschäftsfelder, zum anderen wird der Erfolg einer Bank an der Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital gemessen. Damit besteht auf den ersten Blick ein inhärenter Zielkonflikt: Während Banken tendenziell bestrebt sind, die teure Ressource möglichst effizient einzusetzen, gibt es auf Seiten der Aufsicht ein Bestreben, die Eigenkapitalquoten möglichst hoch anzusetzen, um ein zusätzliches Sicherheitspolster zur Abdeckung von Verlusten zu produzieren.

Mit dem Übergang zu einem stärker nach Risikoklassen differenzierenden Eigenkapitalregime und der Akzeptanz bankinterner Risikomodelle für die Berechnung des zu haltenden Eigenkapitals hatte das regulatorische Rahmenwerk mit "Basel II" einen Schritt hin zu einer Annäherung von regulatorischen und ökonomischen Eigenkapitalkonzepten getan. Die Krise hat offenkundige Schwächen des "Basel II"-Rahmenwerks offengelegt. Insbesondere haben sich die Eigenkapitalunterlegungen für Exposures im Handelsbuch als zu gering erweisen.

Auch die - von vielen bereits im Vorfeld der Krise kritisierte - konzeptionelle Schwäche von "Basel II" als einem prozyklischen Regime wurde in der Krise deutlich und wird nun mit Konzepten wie antizyklischen Kapitalpuffern und dynamischer Risikovorsorge adressiert. Ungeachtet dieser Schwachpunkte und ihrer Behebung sollte aber an dem Ziel einer Annäherung von regulatorischen und ökonomischen Kapitalanforderungen grundsätzlich festgehalten werden. Ein Auseinanderfallen würde Anreize für regulatorische Arbitrage setzen und Ineffizienzen in der Kapitalallokation bewirken.

Internationale Angleichung der Eigenkapitalvorschriften

Ein Auseinanderfallen ist auch bezüglich einer anderen Dimension der Kapitalregulierung zu vermeiden - nämlich ihrer internationalen Vergleichbarkeit. Das Ausmaß an zu haltendem Eigenkapital beeinflusst die Rentabilität einer Bank. Aus Gründen der internationalen Wettbewerbsneutralität besteht daher die dringende Notwendigkeit, Eigenkapitalvorschriften international anzugleichen. Andernfalls drohen jene Banken im internationalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten, in deren Heimatland höhere Kapitalanforderungen bestehen. Alternativ werden diese Banken - soweit die Regulierung dies zulässt - veranlasst, Teile ihres Geschäfts ins Ausland zu verlagern, was aus Gründen der Finanzstabilität unerwünscht ist. Diese Erwägungen unterstreichen die dringende Notwendigkeit, bezüglich der Eigenkapitalregulierung zu international vergleichbaren Regelungen zu kommen.

Eine internationale Angleichung der Eigenkapitalvorschriften ist auch aus einem weiteren Grund erstrebenswert: Ein harmonisiertes Regelwerk ist die Voraussetzung dafür, dass Banken ihr Eigenkapital auf Gruppenebene steuern können - und sie ist eine notwendige (wenn auch nicht hinreichende) Bedingung dafür, dass nationale Aufsichtsbehörden bereit sind, eine solche Steuerung auf Gruppenebene zu akzeptieren. Die Alternative, das heißt die Notwendigkeit, das Kapital auf Solo-Ebene zu steuern und lokal jeweils hinreichendes Kapital vorhalten zu müssen, machte es für Banken unattraktiver, Geschäft in anderen Jurisdiktionen zu betreiben. Dies wäre allzumal innerhalb der EU - einer Integration der Finanzmärkte abträglich. Mehr noch: Ein solches regulatorisches Rahmenwerk steht dem Ziel einer größeren Finanzstabilität eher im Weg, da es droht, Kapitalpools zu schaffen, die in den jeweiligen Jurisdiktionen gefangen sind, anstatt gruppenweit zur Verfügung zu stehen.

Mindesteigenkapitalvorschriften dienen nicht nur dem Zweck, Puffer für die Absorption unerwarteter Verluste bereitzustellen. Vielmehr begrenzen Kapitalvorschriften, die ein Mindestverhältnis zwischen Eigenkapital und Aktiva festlegen, auch das Ausmaß, in dem Kreditinstitute Risiken eingehen können, da die zu jedem Zeitpunkt gegebene Eigenkapitalausstattung nicht beliebig erweiterbar ist. Mindesteigenkapitalvorschriften haben damit eine direkte Wirkung auf die Fähigkeit eines Bankensystems, der Volkswirtschaft Kapital bereitzustellen. Damit beeinflusst die Regulierung des Eigenkapitals nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen nationalen Bankensystems, sondern prinzipiell auch die Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Volkswirtschaft. Zwar gibt es hier keine direkt proportionale Beziehung; zum einen, weil das vom nationalen Bankensystem bereitgestellte Kapital in einer offenen Volkswirtschaft durch ausländisches Kapital ergänzt werden kann; zum anderen, weil neben der Menge des eingesetzten Kapitals auch die Effizienz des Kapitaleinsatzes über die Wachstumsrate einer Volkswirtschaft entscheidet.

Gleichwohl ist es nicht von der Hand zu weisen - und durch vergleichende Wachstumsstudien belegt -, dass die Leistungsfähigkeit des nationalen Finanzsystems einen positiven Einfluss auf die Wachstumsrate einer Volkswirtschaft hat. Auch vor diesem Hintergrund ist es also sinnvoll, wenn die Eigenkapitalvorschriften international harmonisiert werden, da anderenfalls auch eine Wettbewerbsverzerrung zwischen Volkswirtschaften droht.

Eigenkapital als Instrument nicht überbewerten

Eigenkapital ist das wichtigste Instrument der Bankenregulierung. Vieles spricht aber dafür, dass seine Bedeutung in der gegenwärtigen Debatte um die regulatorischen Konsequenzen aus der Krise überbetont wird. Mit Blick auf den zugrunde liegenden Gedanken einer Absicherung unerwarteter Verluste durch Eigenkapital und anerkennend, dass Eigenkapital aus Sicht eines Emittenten eine teure Ressource ist, ergibt sich, dass Eigenkapitalvorschriften prinzipiell nicht auf der simplen Regel eines "Je mehr, desto besser" beruhen sollten. Vielmehr sollte das zu haltende Eigenkapital in einem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Risikogehalt der dagegenstehenden Aktiva stehen, und zwar dergestalt, dass risikoreichere Aktiva eine höhere Eigenkapitalunterlegung erfordern et vice versa.

Was in der gegenwärtigen Diskussion häufig übersehen wird, ist, dass die Relevanz des Eigenkapitals, Verluste zu absorbieren, eine direkte Funktion der Höhe und der Wahrscheinlichkeit von Verlusten ist. Mit anderen Worten, man spränge in der regulatorischen Debatte zu kurz, schaute man nur auf die potenziellen Verluste und passte die erforderliche Quantität Eigenkapital daran an. Ebenso angemessen und zielführend ist es, beim Design von Regulierung andere Instrumente in Erwägung zu ziehen, die gleichermaßen dem Ziel dienen, potenzielle Verluste zu vermeiden beziehungsweise dadurch erodiertes Eigenkapital unverzüglich zu ersetzen.

An den Ursachen ansetzen

Anders gesagt: Während eine Stärkung der Menge an Kapital im System primär darauf abzielt, die Symptome einer Krise zu bekämpfen, ist es eigentlich ungleich sinnvoller, an den potenziellen Ursachen solcher Symptome anzusetzen und sich andere Instrumente zu überlegen, die ebenfalls zur Bekämpfung der Symptome eingesetzt werden könnten. Um das Bild der Medizin zu benutzen: Kein Arzt würde bei der Bekämpfung einer Krankheit alles auf ein einzelnes Medikament setzen, sondern stets danach trachten, die Ursachen der Krankheit zu bekämpfen, weitere Medikamente zur Behandlung der Symptome zumindest zu erwägen sowie nicht zuletzt die Ansteckung gesunder Menschen und damit eine Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Dies ist nicht nur medizinisch geboten, sondern auch ökonomisch sinnvoll: Präventivmedizin und die Isolierung Kranker kostet die Gesellschaft erheblich weniger als die Bekämpfung einer Epidemie.

Andere Instrumente zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit

Dementsprechend wäre es unpassend, neben der Erhöhung des Eigenkapitals nicht auch andere Instrumente zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems in Betracht zu ziehen. Dazu zählt auf der Aktivseite der Bilanz eine Reduzierung der Volatilität der Preise finanzieller Aktiva. Ein Mittel dazu ist eine Beschränkung des Fair-Value-Ansatzes auf liquide Aktiva. Ein anderes Mittel ist ein größeres Vertrauen der Investoren in die Qualität dieser Aktiva was wiederum durch größere Transparenz und Standardisierung erreicht werden kann. Die Verbriefungsmärkte sind das einschlägige Beispiel hierfür. Eine geringere Volatilität würde die Gefahr negativer Ratingmigration verringern und damit das Risiko einer unerwarteten Beanspruchung der Kapitalbasis einer Bank reduzieren.

In ähnlicher Weise sind Maßnahmen, die Risikokonzentrationen bei Aktiva vermeiden, sinnvoll. Das von der EU verabschiedete "large exposure"-Regime für Interbankengeschäfte war in dieser Hinsicht ein richtiger Schritt, weil es erstmals ein Limit für die bis dahin unbegrenzten Volumina an Interbankenforderungen setzte - welche sich in Fällen wie der Hypo Real Estate durchaus als Schwachstelle im Risikomanagement einiger Banken erwiesen hatten.

Schließlich kann eine höhere Eigenkapitalquote auch dadurch ersetzt werden, dass man "contingent capital"-Arrangements abschließt, die es einer Bank erlauben, unter vorab festgelegten Bedingungen und zu ex ante vereinbarten Konditionen frisches Kapital zu ziehen. Mit solchen Arrangements können potenzielle, im Zuge von Krisen auftretende Kapitallücken auf eine marktkonforme Art geschlossen werden. Auslöser für die Ziehung kann dabei entweder eine diskretionäre Entscheidung der Bank sein oder ein automatischer Auslöser, wie beispielsweise das Unterschreiten einer bestimmten Kapitalquote. Ein praktisches Beispiel für Ersteres ist das fünf Milliarden Euro Arrangement, welches es der Deutschen Bank erlaubte, Kapital zu ziehen, ein Beispiel für Letzteres das unlängst platzierte "contingent convertible instrument" der Lloyds Banking Group.

Vor diesem Hintergrund der obigen Überlegungen waren und sind internationale Verhandlungen über das von den Banken zu haltende Eigenkapital schon immer auch Übungen in internationaler Wirtschaftsdiplomatie, die nicht losgelöst von Wettbewerbserwägungen geführt werden können und dürfen. Bereits der erste globale Kapitalakkord - Basel I - war ein politischer Kompromiss zwischen den USA und vor allem Japan.

Eigenkapital als Gegenstand des Regulierungswettbewerbs

Basel I war durch zwei Zielsetzungen motiviert: Erstens wiesen viele der international agierenden Banken nach der (vor allem lateinamerikanischen) Schuldenkrise und der US-Bankenkrise der 1980er Jahre eine mangelnde Kapitalbasis auf, was Sorgen um mögliche negative internationale Rückwirkungen auslöste, sollte eines dieser Institute scheitern. Zweitens gab es massive Klagen seitens der großen US-Finanzinstitute über Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der japanischen Banken, die nach nationalen Regeln nicht-realisierte Beteiligungsgewinne als Eigenkapital anrechnen konnten. Aufgrund des boomenden japanischen Aktienmarktes der 1980er Jahre konnten sich die japanischen Banken daher aus Sicht ihrer US-Wettbewerber günstiger Eigenkapital beschaffen und international an Marktanteilen gewinnen.

Die USA entwickelten daraufhin weitgehend im Alleingang ein Rahmenwerk für Eigenkapitalvorschriften, welche zunächst (ab 1986) im nationalen Rahmen Anwendung fand. Im darauffolgenden Jahr nahmen die USA Verhandlungen mit Großbritannien über einen gemeinsamen Standard auf. Eine Einigung mit den anderen im Baseler Ausschuss vertretenen G10-Staaten fand vor dem Hintergrund der Drohung der USA und Großbritanniens statt, nötigenfalls einen Alleingang zu vollziehen. Die anderen Staaten brachten daraufhin nur noch marginale Änderungen an, die ihren besonderen Interessen entsprachen, so Deutschland zum Beispiel eine bevorzugte Behandlung von Hypothekenkrediten.

Die Genese von Basel I belegt, dass es bei der Festlegung dieses Regelwerkes wie auch bei der Festlegung anderer Finanzmarktregulierung - nicht nur um den Aspekt der Sicherung der Stabilität geht, sondern mindestens ebenso sehr um Wettbewerbsfragen; in diesem Fall die Beseitigung des vermuteten Wettbewerbsvorteils der japanischen Banken.

Dementsprechend bestimmten die potenziellen Auswirkungen der Kapitalregulierung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Bankensysteme auch von Beginn an die Verhandlungen über Basel II. Tatsächlich ist manche der damals getroffenen Vereinbarungen nur von diesem Hintergrund zu verstehen. Und vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum die Tatsache, dass die USA bis heute nicht die "Basel II"-Vereinbarungen umgesetzt haben, in anderen Jurisdiktionen auf so heftige Kritik stößt.

Plan B erforderlich?

Der rote Faden der internationalen Wettbewerbssituation von Eigenkapitalregeln zieht sich bis heute, das heißt bis in die laufende Diskussion um die Anpassung des Regelwerks nach der Krise. Auch jetzt stellt sich die Frage, wie sich die übrigen Mitglieder des Baseler Ausschusses verhalten wollen, sollten sich die USA nicht an die gemeinsam im Rahmen der G20 getroffenen Beschlüsse halten und das revidierte Regelwerk wiederum nicht umsetzen. Offenkundig bedarf es eines Plan B, um daraus gegebenenfalls resultierende Wettbewerbsnachteile aufzufangen.

Dies gilt a fortiori angesichts der Tatsache, dass sich abzeichnet, dass die kumulative Wirkung der verschiedenen ins Auge gefassten Maßnahmen massiv sein wird. Die bereits beschlossenen Maßnahmen zur Erhöhung der Kapitalunterlegung im Handelsbuch sind, so viel lässt die kürzlich vorgelegte QIS des Baseler Ausschusses bereits vermuten, materiell. Sie stellen aber keineswegs das Ende der Diskussion dar. Gemäß der politischen Vorgabe der G20, umgesetzt durch die Planungen des Baseler Ausschusses, stehen bis Jahresende weitere Vorschläge an, wie antizyklische Kapitalpuffer, dynamische Risikovorsorge, gegebenenfalls zusätzliche Zuschläge für große Banken sowie unter Umständen eine Leverage Ratio.

Es ist schon jetzt absehbar, dass diese zusätzlichen Kapitalbelastungen durch die in den nächsten Quartalen erzielbaren Profite alleine nicht abgedeckt werden können allzumal in einem Umfeld, welches durch starke Kreditausfälle gekennzeichnet sein wird. Banken weltweit werden nach Schätzung des IWF bis Ende 2010 weitere 600 Milliarden US-Dollar frisches Eigenkapital aufnehmen müssen, um höhere regulatorische Anforderungen und drohende Verluste abzudecken. Diese Eigenkapitalaufnahme dürfte in einem Umfeld, das seitens der Investoren von größerer Skepsis bezüglich der langfristigen Ertragsaussichten der Banken gekennzeichnet ist, schwierig werden.

Umfassende Abschätzung der Gesetzesfolgen

Damit droht ein regulatorisch erzwungener Zwang zur Kapitalaufnahme und/oder zum De-Leveraging. Wäre dieses auf die Staaten der EU beschränkt, so würden die daraus folgenden Wettbewerbsnachteile nicht nur die europäischen Banken betreffen, sondern würden sich auch auf ihre Kreditnehmer ausweiten. Diese würden in ihrer Kreditaufnahme angebotsseitig beschränkt und könnten daher von Wachstumschancen nicht profitieren. Der konjunkturelle Abschwung wäre tiefer und länger als dies ohnehin droht.

Vor diesem Hintergrund gewinnt eine umfassende Gesetzesfolgeabschätzung noch größere Bedeutung als sie ohnehin haben sollte. Die bereits vom Baseler Ausschuss in Aussicht gestellte, in 2010 durchzuführende Auswirkungsstudie muss insbesondere die kumulative Wirkung aller geplanten Maßnahmen in den Fokus nehmen. Mindestens ebenso bedeutend wird sein, abzuschätzen, in welcher Wechselwirkung die Maßnahmen mit dem Marktumfeld stehen. Die Vielzahl der geplanten Maßnahmen legt es schließlich nahe, über eine zeitlich gestaffelte Einführung der Maßnahmen nachzudenken.

Dies würde es erlauben, die Unsicherheit über die Wechselwirkung sowie die kumulative Wirkung der ins Auge gefassten Maßnahmen zu reduzieren. Es erscheint gefährlich, einen in seiner Wirkung nur schwer vorhersagbaren umfassenden Reformprozess anzustoßen, während die Märkte noch immer fragil sind. Dies spricht insoweit eher für ein schrittweises Vorgehen, bei dem unerwartete negative Auswirkungen leichter korrigiert werden können.

Dies gilt umso mehr, als zusätzlich zu dem bereits radikalen Umbau der Risikogewichtungen auch über eine Änderung der zulässigen Kapitalbestandteile nachgedacht wird. Gemäß den Beschlüssen der G20 ist es dabei die Zielsetzung, die Qualität des Kapitals im System zu erhöhen. Dabei wird weithin davon ausgegangen, dass vor allem Kernkapital diese Qualität bietet. Allerdings droht wiederum die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung, da das Ausmaß, in dem andere Kapitalbestandteile - jenseits von hartem Tier 1-Kapital - genutzt werden, international variiert. Käme es also zu einer starken Einschränkung bei den zulässigen Kapitalbestandteilen, die für regulatorische Zwecke anerkannt werden, träfe eine solche Vorschrift die Banken in unterschiedlichem Maße. Auch hier gilt im Übrigen: Betroffen sind nicht nur die Banken selbst, sondern auch ihre Kreditnehmer und damit das Wirtschaftswachstum insgesamt.

Kernstück einer etwaigen Reform bezüglich der Zulässigkeit von Kapitalformen muss es daher sein, dass der ökonomische Gehalt eines Kapitalinstruments über die Zulässigkeit beziehungsweise Anrechenbarkeit entscheidet, nicht sein rechtlicher Status. Sinnvoll wäre es daher, einen Kriterienkatalog zu entwickeln, mit Hilfe dessen bewertet werden kann, ob beziehungsweise wie stark ein bestimmtes Instrument unabhängig von seiner rechtlichen Form Verluste absorbiert. Darüber hinaus sollte für bestehende Kapitalinstrumente eine Übergangsregelung definiert werden.

Der europäische Gesetzgeber hat mit den am 17. November 2009 in Kraft getretenen Änderungen zur Kapitaladäquanz-Richtlinie (CRD) bereits die Grundlage für Änderungen in diesem Sinn geschaffen. Es wurden Prinzipien zur Anerkennung von Kernkapitalinstrumenten definiert und wichtige Übergangsregelungen geschaffen. Diese auf der EU-Ebene gefundenen Regelungen sind auch für den Baseler Ausschuss eine gute Leitlinie.

Wirkung auf den Wettbewerb beachten

In der Erwägung der regulatorischen Konsequenzen aus der Krise kommt der Eigenkapitalregulierung eine zentrale Bedeutung zu. Unbestreitbar gibt es massiven Optimierungsbedarf am gegenwärtigen Kapitalstandard. Klar ist aber auch: Man würde dem Ziel der Stärkung der Finanzstabilität nicht gerecht werden, wenn man Eigenkapital als Instrument überforderte anstatt weitere Instrumente einzusetzen. Bei allen Instrumenten ist der Wirkung auf den Wettbewerb zwischen den Banken und den Rückwirkungen auf die Gesamtwirtschaft mehr Augenmerk zu schenken, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

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