Leitartikel

Entflechtet und frei

Wer sich nur sporadisch mit dem institutionellen Asset Management beschäftigt, könnte bei der reinen Sichtung des Themenspektrums dieses Heftes den Eindruck haben, als hätte sich in den vergangenen fünf Jahren kaum etwas bewegt. Denn einige der heutigen Schlaglichter spielten schon damals eine Rolle. So wurden im Vorfeld der absehbaren Regelungen des Investmentmodernisierungsgesetzes seinerzeit hohe Erwartungen in das Instrument der Master-KAG gesetzt, und es war entsprechend viel und hoffnungsvoll von einem Aufbrechen der Wertschöpfungskette, von neuen Möglichkeiten des Outsourcings, von der zunehmenden Bedeutung der strategischen Asset Allocation sowie von einer größeren Transparenz bei der Preisgestaltung die Rede. Nicht zuletzt ging es um neue Chancen der Produktpolitik, angefangen von den Verlockungen eines erweiterten Einsatzes von Derivaten bis hin zu ersten Ansätzen einer Einbindung von Hedgefonds in die Portfolios institutioneller Anleger.

Wie eine aktuelle Bestandsaufnahme im Jahresbericht des Branchenverbandes BVI und auch der Beitrag von Till Entzian verdeutlichen, haben die Schlaglichter aus dem Jahre 2003 den Wandel im institutionellen Asset Management in der Tat maßgeblich geprägt: Anders als vor fünf Jahren ist demnach die Spezialisierung auf einzelne Dienstleistungen der Wertschöpfungskette heute keine gut begründbare Prognose mehr, sondern sie lässt sich anhand konkreter Zahlen belegen. Lagen das Portfoliomanagement und die Administration bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich in einer Hand, haben sich inzwischen einige Dienstleister auf die jeweilige Einzeldisziplin spezialisiert. Gleichzeitig sind die Grenzen zwischen institutionellem und Privatkundengeschäft fließender geworden. Institutionelle Kunden setzen in ihren Portfolios verstärkt auf speziell auf diese Zielgruppe zugeschnittene Publikumsfonds, und umgekehrt wird gerade im Private-Wealth-Management auf Lösungen zurückgegriffen, die früher institutionellen Kunden vorbehalten waren. Der Branchenverband BVI hat dieser Entwicklung Rechnung getragen und seine traditionsreiche Statistik entsprechend verfeinert.

So registrierte der Branchenverband per Jahresende 2007 Gelder im Umfang von 1 699 Milliarden Euro, für die die Branche die Administrationsleistung inne hat. Nach den drei Produktkategorien differenziert fallen dabei auf Spezialfonds 692 Milliarden Euro, Publikumsfonds 731 Milliarden Euro und gemanagtes Vermögen außerhalb von Investmentfonds 276 Milliarden Euro. Daneben erbringt die Branche für 1 545 Milliarden Euro die Portfoliomanagementleistung. Als Schnittmenge für das - quasi traditionell - aus einer Hand sowohl gemanagte als auch adminsitrierte Vermögen stehen heute noch gut 1 000 Milliarden Euro zu Buche.

Für einen nach wie vor wichtigen Teil des institutionellen Asset Managements, den deutschen Spezialfondsmarkt, hat der BVI diese Aufspaltung der Wertschöpfungskette noch einmal im Zeitverlauf dargestellt. Demnach erbringen deutsche KAGs seit Jahren für einen vergleichsweise stabilen Sockelbetrag von rund 370 Milliarden Euro sowohl das Portfoliomanagement als auch die Administration. Darüber hinaus wird aber gerade an diesem Segment fast quartalsweise greifbar, wie das reine Portfoliomanagement und stärker noch die reine Administration für fremde Gesellschaften kontinuierlich zugenommen haben. Das Wachstum des Marktes, so präzisiert der BVI, spielt sich seit gut drei Jahren fast ausschließlich auf dem Feld der spezialisierten Akteure ab. Unausgesprochen ist diese empirisch belegbare Feststellung gleichzeitig ein Loblied auf das vor fünf Jahren an dieser Stelle gefeierte Konzept der Master-KAG. Vor dem Hintergrund der damit forcierten Marktdifferenzierung war es jedenfalls kein Zufall, dass die Universal-Investment-Gruppe, die HSBC-Trinkaus-&-Burkhardt-Gruppe mit ihrem Ableger Inka, die Helaba-Invest und auch die Metzler-Gruppe als vier der frühzeitig auf die Master-KAG bauenden Gesellschaften seither in der Fondsstatistik des BVI vergleichsweise gut abgeschnitten und ihre Marktposition insbesondere in der Disziplin Administration deutlich verbessert haben.

Auch die beobachtbare Zusammenfassung formal selbstständiger Spezialfonds in einem oder wenigen segmentierten Spezialfonds (auch unterschiedlicher Anbieter, wie der BVI anmerkt) ist nicht zuletzt auf die (Reporting-)Standards dieser Gesellschaften zurückzuführen. Laut BVI-Zahlen ist das Vermögen solcher segmentierter Spezialfonds allein von Ende des ersten Quartals 2005 zum Ende des dritten Quartals 2007 von 160,2 auf 378,8 Milliarden Euro gestiegen. Parallel dazu hat sich die Zahl der aufsichtsrechtlich registrierten Spezialfonds im gleichen Zeitraum von 4 678 auf 4 082 deutlich verringert, bei gleichzeitiger Erhöhung der Volumina. Einschließlich der ausländischen Spezialfonds mit Absatz in Deutschland beziffert die BVI-Statistik das Fondsvermögen zum Jahresende 2007 mit den genannten 691,6 Milliarden Euro, meldet aber nach den ersten fünf Monaten 2008 einen leichten Rückgang auf 683,4 Milliarden Euro. Dass das viel zitierte Aufbrechen der Wertschöpfungskette im Wesentlichen vollzogen ist, macht der BVI an der Entwicklung im Zeitablauf fest. Die größten Zuwachsraten verzeichneten demnach sowohl der Anstieg der reinen Administrationsleistungen als auch der Segmentierungsgrad an Spezialfonds schon in den Jahren 2004 und 2005.

Mit der Herausbildung dieser unterschiedlichen Dienstleistungen am Markt einhergegangen, ist eine Transparenz der Preisgestaltung für das Fondsmanagement, für die Administration und für die Depotbankleistungen. Alle drei Komponenten lassen sich inzwischen separat am Markt einkaufen. Wer diese Felder noch im eigenen Hause erbringt, kann damit die eigene Effizienz mühelos an einem Vergleich der Zahlen aus der eigenen Kostenrechnung mit den jeweiligen Marktkonditionen messen. Das ist heute Standard, weil es gerade auch in der Disziplin der haus internen Kos-ten-/Nutzen-Analyse in den vergangenen Jahren branchenweit sichtbare Fortschritte gegeben hat.

Ein mindestens ebenso wichtiges Feld für umfangreiche Investitionen ist und war das Risikomanagement. Ebenfalls maßgeblich getrieben durch die diesbezüglichen Standards in den Master-KAGs, aber auch durch die Sensibilisierung der Investoren durch vermehrte Einschaltung von Consultants, wird gerade im institutionellen Geschäft verstärkter Wert auf die Beherrschbarkeit der Risiken gelegt. Speziell bei Versicherern und Versorgungswerken, bei der spürbar wachsenden Zahl an Stiftungen sowie bei vielen Unternehmen mit ausgelagerten Pensionsverpflichtungen ist dieser Aspekt in den vergangenen Jahren besonders betont worden.

Welcher Nachholbedarf in diese Richtung besteht, zeigt aus Sicht von Michael Marks und Rob Goldstein die immer noch anhaltende Finanzmarktkrise. Auch nach gut einem Jahr der Verwerfungen, so wird nahezu täglich deutlich, haben viele institutionelle Investoren offenbar immer noch nicht den vollständigen Überblick über die tatsächlichen Risikopositionen ihres Wertpapierbestandes. Selbst wenn man vor dem Hintergrund einer durch zunehmenden Zuspruch für komplexe Anlageprodukte und einer durch alternative Anlageklassen zusätzlich erschwerten Risikokontrolle aus guten Gründen das Risikomanagement selbst zum Portfoliomanagement rechnet und deshalb nicht so einfach auslagern will, so ihre Forderung, dann darf man wenigstens über ein Outsourcing der Risikomessung nachdenken. Ob eine weitere Aufspaltung der Wertschöpfungskette aber der Sicherheit dienlich ist, wie sie etwa die Versicherungsbranche braucht?

Neben Spezialisierung, Outsourcing und Risikomanagement bleibt die Produktentwicklung ein ganz wichtiger Fokus der Branche. Denn zum einen räumt das Investmentgesetz generell neue Freiheiten ein. Und zum anderen suchen die Anbieter gerade vor dem Hintergrund der seit gut einem Jahr anhaltenden Unruhe und Verunsicherung an den Kapitalmärkten nach passenden Produktlösungen für die Interessen der institutionellen Investoren. Gleich sieben Beiträge dieses Heftes zielen exemplarisch in diese Richtung. Dass dabei heute - wie vor fünf Jahren - die Wandel anleihe als lohnenswerte, flexible Variante für institutionelle Anleger ins Spiel gebracht wird, ist nur ein Beispiel für die derzeit bevorzugte Angebotspalette. In der risikomindernden Kombination mit der wachsenden Verbreitung alternativer Assets und der guten Harmonie mit den EU-weiten Bestimmungen für Investmentfonds wird zweitens auch der Charme von marktneutralen Aktienstrategien begründet. In einem dritten Beispiel lenken die Autoren den Blick auf Unternehmensanleihen und halten attraktive Eigenkapitalrenditen im zweistelligen Prozentbereich für möglich. Hoch im Kurs stehen viertens inflationsgeschützte Anleihen, weil sie in einem Umfeld mit weltweit höherem Inflationspotenzial Aussicht auf einen gebührenden Beitrag zur Diversifikation und zum Asset-Liability-Management bieten. Das Plädoyer für eine Qualitätsoffensive bei Absolute-Return-Strategien knüpft schließlich fünftens an eine Bestandsaufnahe der vergangenen fünf Jahre an. Damals als zeitadäquate Neuerung entwickelt und seither nicht zuletzt unter Marketinggesichtspunkten zu einem wirksamen Verkaufsmotor geworden, hat einer empirischen Untersuchung zufolge mehr als die Hälfte der verfügbaren Produktpalette im betrachteten Dreijahreszeitraum nicht einmal die Rendite einer risikolosen Anlage erreicht. Im Zuge einer verbesserten Einsatzmöglichkeit von derivativen Finanzinstrumenten wird nun ein Zusammenwachsen mit Hedgefonds für möglich gehalten.

Vergleichsweise kühn mutet dieser Tage das sechste Produktbeispiel an. Wenn die Deutsche Bank die im Zuge der Finanzmarktkrise vieldiskutierten CDOs in das Schaufenster lohnender Investments stellt und selbstbewusst auf ihr Know-how und ihre Beratungskompetenz auf dieser heiklen Spielwiese verweist, darf sie möglicherweise auch auf "ungenutztes" Potenzial in den Portfolios so mancher Kunden hoffen. Eine andere, auch in den Absatzstatistiken des BVI schon seit einigen Jahren sichtbare Erfolgsgeschichte weisen schließlich die Exchange Traded Funds auf. Sie gründet nicht nur in der vagen Hoffnung auf eine Angleichung an die Marktbedingungen in den USA. Sondern sie ist auch klarer Ausdruck einer Rückbesinnung auf die strategische Asset Allocation. Noch maßgeblicher als jede feine Managerselektion, Stildiversifikation und sogar glückliche Auswahl von Einzeltiteln, so die Botschaft, ist für institutionelle Inves toren erst einmal die richtige Wertpapiermischung an sich.

Ob diese Kreativität bei der Produktentwicklung, ebenso wie die Aufspaltung der Wertschöpfungskette, letztlich den Markt beflügeln wird? Bei weiterer Flexibilisierung des Spezialfondssektors, wie sie Till Entzian anhand der zahlreichen neuen Freiheiten des Investmentgesetzes aufzeigt, muss sich auch diese Branche vor einem Mangel an Transparenz hüten. Angefangen von den neu geschaffenen "sonstigen Sondervermögen" und den "Infrastruktur-Sondervermögen" über die "Spezial-Investmentaktiengesellschaften" bis hin zu der Abweichung von den gesetzlichen Anlagegrenzen bringen diese Gestaltungsmöglichkeiten zweifelsohne eine Annäherung an internationale Usancen, machen aber den Markt eindeutig schwerer durchschaubar. Das Beispiel der Verbriefungsmärkte und ihrer strukturierten Produkte legt zudem eine gewisse Sorge nahe. Die Fortentwicklung des institutionellen Asset Managements im Lichte des Investmentgesetzes sollte für die große Mehrheit der Akteure verständlich und unter Risikoaspekten beherrschbar bleiben. Mo.

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