Gespräch des Tages

EZB - Geräuschlose Kapitalerhöhung

Der Präsident der privaten Banken dürfte es als Lehrbeispiel für die Politik in Berlin und Brüssel empfunden haben. Ganz wie Andreas Schmitz es sich kürzlich als notwendigen Stil einer führungsstarken Finanz- und Wirtschaftspolitik gewünscht hatte, vollzog die Europäische Zentralbank Mitte Dezember 2010 eine nennenswerte Kapitalerhöhung von 5,76 auf 10,76 Milliarden Euro. Sie meisterte diesen Schritt von der Vorbereitung der Aktion in der Öffentlichkeit bis zum Abschluss im EZB-Rat binnen weniger Tage, also ohne langwierige öffentliche Diskussionen aushalten zu müssen und damit möglicherweise über Wochen oder gar Monate noch ein zusätzliches Element der Verunsicherung in die Märkte zu tragen.

Nun mögen Kritiker einwenden, die EZB dokumentiere mit der Stärkung ihrer Kapitalbasis nur, wie sehr sie in der Bekämpfung der europäischen Schuldenkrise unter Druck steht und wie sehr der Aufkauf von EU-Staatsanleihen fragwürdiger Bonität dem Geist der vielbeschworenen Non-Bail-Out-Klausel des EU-Vertrages widerspricht und letztlich den Einstieg in eine Transferunion bedeutet. Man kann die zügig vollzogene Kapitalerhöhung aber auch als kluges Signal einer Notenbank mit eigenständigem Profil werten. Zwar sind durch die anteilige Abführung der fünf Milliarden Euro, sprich Aufstockung der bisherigen Kapitalanteile um jeweils rund 86,8 Prozent, aus den Gewinnen der seinerzeit noch 16 Notenbanken der Eurozone sowie der elf Eigner aus der Nicht-Eurozone indirekt erst einmal die Staatshaushalte aller 27 Nationalstaaten betroffen. Doch durch gleichzeitige Senkung der Beiträge zur Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit der EZB für die Nicht-Euroraum-Notenbanken von 7 Prozent auf 3,75 Prozent bleibt die Operation für Letztere quasi aufkommensneutral und damit nur auf die Länder der Eurozone begrenzt. Allein deren Haushalte tragen letztlich über die Minderung der Gewinnabführung der EZB sowie der jeweiligen nationalen Notenbanken die Last.

Der unmissverständliche Hinweis der EZB, für den Ankauf von Staatsanleihen und ihren weiteren unkonventionellen Maßnahmeneinen Risikoausgleich einzufordern, gilt in erster Linie der über viele Jahre undisziplinierten Fiskal- und Haushaltspolitik in den Eurostaaten, aber gewiss auch den Akteuren an den Märkten. "Wir pflegen und entwickeln unseren eigenen Stil", hat Jean-Claude Trichet wenige Tage vor der Kapitalerhöhung vor Frankfurter Wirtschaftsjournalisten gesagt. Und er hat in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich betont, mit vielen (geldpolitischen) Entscheidungen der letzten drei Jahre Neuland betreten zu haben, weil angesichts der außergewöhnlichen Bedingungen einfach keine Blaupausen zur Verfügung stehen. Gleichzeitig hat er nachdrücklich an seinen Forderungen nach einer angemessenen Haushalts- und Finanzpolitik der Nationalstaaten und einer koordinierten Überwachung der makroökonomischen Bedingungen in der Eurozone festgehalten. Dabei setzt er vorausschauend neue Hoffnungen in den neu etablierten Europäischen Rat für Systemstabilität und hat rückblickend erneut seinen tiefen Missmut über die Verfehlungen vergangener Jahre zum Ausdruck gebracht. Dass gerade die drei größten Mitgliedsländer der Eurozone schon in den Jahren 2004 und 2005 gegen den Buchstaben wie den Geist des Stabilitäts- und Wachstumspaktes verstoßen und die Bedingungen für eine verantwortungsvolle Wirtschafts- und Fiskalpolitik in einer Währungsunion grob verletzt haben, ist für ihn mit ein Grund für den heutigen Reformbedarf.

Für Trichet entsprechen die Bestrebungen und Vorgaben der EU-Kommission in Richtung eines hinreichend harmonisierten Wirtschaftsregimes in der Eurozone längst noch nicht den Anforderungen einer Währungsunion. Frühzeitige, am besten automatische Sanktionen bei Verfehlungen fiskalpolitischer Ziele und ambitionierte Ziele beim Abbau der Staatsverschuldung in Richtung der angepeilten 60 Prozent hält der EZB-Präsident nach wie vor für geboten. Aber ein Beitritt zu einer Währungsunion verpflichtet eben auch. Eigentlich, so hat Trichet anklingen lassen, hätte jedem Nationalstaat klar sein müssen, in welche gegenseitigen Abhängigkeiten und Pflichten er sich mit seinen Partnerländern begibt. In diesem Dilemma werden die Staaten der Eurozone nun versuchen müssen zu größerer wirtschafts- und finanzpolitischer Kohäsion oder zumindest Kooperation zu gelangen. Aber solange die Märkte diese Bedingungen nur unzureichend erfüllt sehen, werden sie immer wieder austesten, welche Schritte in diese Richtung politisch durchsetzbar beziehungsweise vermittelbar sind.

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