Aufsätze

Falsches Sparen - Aufschwung des Dax ohne den deutschen Privatanleger

Die Deutschen sparen viel. Mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes legen sie jährlich auf die hohe Kante. Das ist etwa doppelt so viel wie in den USA. Auch in den Niederlanden oder in Italien ist die Sparquote nur rund halb so hoch wie in Deutschland. Grundsätzlich handeln die Deutschen damit richtig, denn die zu erwartenden Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden nicht ausreichen. Die Bürger haben ihr Versorgungsproblem erkannt. 90 Prozent sind der Auffassung, dass es immer wichtiger wird, sich selbst um die Altersvorsorge zu kümmern. Dies geht aus einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des BVI hervor. Die Studie zeigt, dass die Bereitschaft zum Sparen nicht nur bei höheren Haushalts-Einkommen ausgeprägt ist, sondern auch bei Geringverdienern. 70 Prozent der Haushalte mit einem monatlichen Einkommen von unter 1 500 Euro sind in der Lage, Geld zurückzulegen. Das ist angesichts hoher Lebenshaltungskosten keine Selbstverständlichkeit.

Renditeschwache Anlagen bevorzugt

Umso mehr überraschen die Zahlen, die die EZB unlängst veröffentlicht hat. Die deutschen Haushalte haben durchschnittlich ein Vermögen von 195 000 Euro; dagegen liegt der Durchschnitt der Eurozone bei 231 000 Euro und damit fast 20 Prozent höher. Gemessen am Median verfügen die Haushalte im Euro-Raum mit 109 000 Euro sogar über mehr als das Doppelte des typischen deutschen Haushalts mit 51 000 Euro. Niedrig verzinste Sparformen dominieren, während Investments, die lang fristig höhere Renditen versprechen wie Aktien, meist gemieden werden - ein Fehler gerade mit Blick auf die Altersversorgung.

61 Prozent der Deutschen geben an, mit Tagesgeld, Festgeld oder dem Sparbuch für das Alter vorzusorgen. Bei den unter 30-Jährigen sagen das sogar 80 Prozent. Paradox, denn gleichzeitig haben auch sechs von zehn Deutschen richtig erkannt, dass diese Sparformen langfristig zu wenig Ertrag für die Altersvorsorge bringen.

Allerdings hat gut jeder Zweite Angst, mit renditeorientierten Sparformen Geld zu verlieren. Zwei Drittel sind nicht bereit, Risiken einzugehen, um ihr Kapital zu vermehren. Das Problem hierbei: Der Begriff des Risikos wird falsch verstanden. Angesichts der niedrigen Zinsen kann das Versorgungsziel kaum erreicht werden. Mehr noch, da die Zinsen unterhalb der Inflationsrate liegen und zudem die Steuer den Zinsertrag schmälert, verlieren die niedrigverzinslich angelegten Ersparnisse laufend an Kaufkraft.

Sachwertorientierte Anlagen - insbesondere Aktien(-fonds) - sind unverzichtbar für eine ertragreiche langfristige Kapitalanlage - und darum geht es bei der Altersvorsorge. Langfristig gesehen, sind zwei oder drei Prozentpunkte mehr Rendite als bei konservativen Geldanlagen für die meisten Sparer unverzichtbar, um ein angemessenes Vorsorgekapital überhaupt erreichen zu können und der Inflation zu entkommen. Eine bequeme Möglichkeit zur Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung von börsennotierten Unternehmen bieten Aktienfonds. Hierbei profitieren Anleger insbesondere von der Risikostreuung auf mehrere Dutzend einzelner Werte, die vom Fondsmanager entsprechend der Anlagerichtlinien ausgewählt werden. Die Vor züge der Diversifikation überzeugen allerdings offensichtlich noch nicht. Denn nur für sechs Prozent der Studien-Befragten ist die Risikostreuung bei der Geldanlage ausschlaggebend. Den besten Schutz vor Risiken lassen die meisten also außer Acht.

Aufschwung der Aktienkurse an den Deutschen vorbei

Noch immer ist zu hören, Aktienfonds seien zu riskant. Zwar schwanken die Märkte seit über zehn Jahren stark, und die drastischen Kurseinbrüche zum Beispiel in den Jahren 2001, 2002 und 2008 haben gute Nerven beim langfristigen Investieren erfordert. Fakt ist aber auch, dass kein Anleger, der 30 Jahre lang regelmäßig einen gleichbleibenden Betrag in Aktienfonds mit Schwerpunkt Deutschland eingezahlt hat, letztlich dabei Geld verloren hat - im Gegenteil. Im Schnitt haben Aktienfonds-Sparpläne über 30 Jahre immer attraktive Zuwächse verbucht - meist zwischen sechs und acht Prozent pro Jahr nach Abzug aller Fondskosten und des Ausgabeaufschlags.

Ungeachtet der Finanzkrise und Staatsschuldenkrise haben sich deutsche Aktien wacker geschlagen. Der M-Dax übertraf bereits 2012 den Rekord aus dem Jahr 2007. Der Dax erreichte 2013 neue Höchststände. Vom Höhenflug der Aktien profitieren jedoch deutsche Anleger nur wenig. Lediglich ein Drittel der Aktien aus dem Dax ist in einheimischem Besitz. Zwei Drittel der Dax-Werte werden von internationalen Investoren gehalten.

Lösungswege für besseres Sparen

Was muss getan werden, um das Sparverhalten der Deutschen in die richtige Richtung zu bringen? Erstens muss die finanzielle Allgemeinbildung gefördert werden. In diesem Zusammenhang engagiert sich der BVI über sein Projekt "Hoch im Kurs" seit 2006 bundesweit mit Schulmaterialien für die Klassen 10 bis 12 an Gymnasien, Realschulen sowie Berufsschulen. Dabei wurden bislang insgesamt über eine Million Schülerbroschüren von Lehrkräften angefordert. Zudem sind seit 2010 rund 200 BVI-Finanzexperten an Schulen unterwegs, um zum Beispiel über richtiges Geldmanagement sowie die Funktionsweise der Märkte und des Wirtschaftskreislaufs zu informieren. Bislang haben über 500 Schulen einen Vortrag gebucht. Das kann aber nur eine Behelfslösung sein. Denn Finanzbildung ist ein öffentlicher Auftrag und muss vom Staat als Schulfach vermittelt werden. Dies wäre auch die wirksamste Maßnahme für den Verbraucherschutz. Nichts schützt die Verbraucher besser als eigenes Wissen.

Zweitens sollte der Staat Finanzprodukte gleichbehandeln und keine Fehlanreize setzen, indem er vergleichbare Produkte steuerlich unterschiedlich behandelt. So werden Steuervorteile zum Grund einer Investitionsentscheidung und nicht die Bedürfnisse des Anlegers in seiner Lebenssituation. Dies ist insbesondere bei der Altersvorsorge verhängnisvoll, weil hier besonders lange gespart wird und sich Fehler somit erheblich auswirken. Die steuerliche Privilegierung der Kapitallebensversicherung setzt Fehlanreize, da die Sparer häufig nach dem Steueraspekt wählen statt nach der Eignung eines Produktes für ihre Lebenssituation und ihre Altersvorsorge. Lebensversicherungen investieren vor allem in Anleihen, Aktien und Immobilien spielen kaum eine Rolle.

Kurzum: Die Deutschen sparen viel, aber falsch. Trotz hoher Sparanstrengungen kommt zu wenig Rendite heraus. Gelänge es, das Sparen zu verbessern, hätten nicht nur die Anleger etwas davon, sondern auch der Staat. Denn je besser die Bürger vorgesorgt haben, desto weniger muss der Staat über Transferleistungen zuschießen.

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