Schwerpunkt Finanzstabilität

Finanzmarktsteuer - mit der deutschen Steuersystematik vereinbar?

Eine Finanzmarktsteuer wird derzeit unter vielen Begriffen diskutiert. Eine Begriffsklärung von Börsenumsatzsteuer, Finanztransaktionssteuer oder auch Finanzmarktsteuer erscheint notwendig. Gemein ist ihnen die Konzeption einer Steuer auf den Handel mit allen Finanzprodukten wie Aktien, Anleihen, Devisen, Zertifikaten, Derivaten und Rohstoffen. Für die Höhe der Steuer wird vielfach ein Satz von 0,05 Prozent des Transaktionsvolumens vorgeschlagen. Damit soll die Attraktivität von Spekulationsgeschäften gemindert und ein entscheidender Beitrag zur Stabilisierung des Finanzmarktes geleistet werden.

Konzept nicht unbekannt

Der Vorschlag der Finanzmarktsteuer geht auf die 1972 veröffentlichte Idee des USamerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers James Tobin zurück, eine Steuer auf internationale Devisengeschäfte einzuführen. Eine weltweit einheitliche Steuer zwischen 0,05 und einem Prozent solle die kurzfristige Spekulation auf Währungsschwankungen eindämmen. Die Wechselkurse könnten so eher die längerfristigen realwirtschaftlichen Verhältnisse indizieren, indem spekulative Geschäfte unter Ausnutzung kurzfristiger Schwankungen erschwert würden. Nicht Gegenstand der These war der Einbezug von Geschäften mit Aktien, Anleihen oder anderen Wertpapieren. Auch machte Tobin keine Vorschläge zur Verwendung des Steueraufkommens.

In Deutschland ist eine spezielle Form einer Finanzmarktsteuer nicht unbekannt: Die Börsenumsatzsteuer wurde im Jahr 1990 abgeschafft und wird seit 1991 nicht mehr erhoben. Wie bei der sogenannten Tobin-Steuer stellen auch bei einer Finanzmarktsteuer die Stabilisierung des Finanzmarktes und das Zurückdrängen von Spekulation die erhofften Wirkungen dar. Mit den Einnahmen soll einerseits die Haushaltskonsolidierung im Sinne eines Schuldendienstes vorangetrieben werden, andere darüber hinausgehende Hoffnungen wollen die Einnahmen einer konkreten Zweckbindung unterwerfen, wobei die disparaten Vorschläge von allgemeiner Gesundheitsförderung, Armutsbekämpfung bis hin zur Bekämpfung der Klimaerwärmung reichen. Es handelt sich bei der Finanzmarktsteuer ihrem Wesen nach somit um eine Lenkungssteuer. Charakteristisch für eine Lenkungssteuer ist, dass nicht die Erzielung von Einnahmen, sondern die Beeinflussung des Verhaltens der Besteuerten Zweck ihrer Erhebung ist. Die Beurteilung dieser Steuer sollte danach erfolgen, ob sie die in sie gesetzten Ziele erreichen kann. Zudem ist ihre Vereinbarkeit mit der Steuersystematik zu untersuchen.

Zunächst ist auffallend, dass Betroffene der Finanzmarktsteuer unterschiedslos alle Teilnehmer des Finanzmarktes sind. Als wesentliche Akteure auf den Märkten sind neben Banken institutionelle Anleger wie Fonds, Versicherungen, Unternehmen sowie mittelbar und unmittelbar private Anleger zu nennen. Damit ist der Bankensektor nur ein Steuerpflichtiger unter vielen, eine besonders ihm zugedachte Belastungswirkung würde also verfehlt. Hinsichtlich der zu erwartenden Einnahmen muss angenommen werden, dass durch eine Finanzmarktsteuer Steuern nicht unerheblichen Ausmaßes erzielt werden könnten. Nach Schätzungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, das im Auftrag der österreichischen Regierung die möglichen Effekte einer allgemeinen Finanzmarktsteuer untersucht hat, könnte eine globale Finanzmarktsteuer von 0,05 Prozent weltweit bis zu 690 Milliarden Dollar pro Jahr einbringen. Dies soll in etwa 1,4 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen.

Das Paradoxon jedweder Lenkungssteuer

Für die Einschätzung der Belastungswirkung muss einkalkuliert werden, dass der an sich niedrige Steuersatz verdoppelt werden muss, um die zutreffende Steuerlast zu bestimmen. Regelmäßig sind mindestens zwei Geschäfte des An- und Verkaufs am Markt notwendig, um eine wirtschaftliche Transaktion zu erreichen. Bei der Errechnung von Einnahmen ist das Paradoxon jedweder Lenkungssteuer zu bedenken: Erfüllt sie ihr Ziel der Bestimmung zu einem gewünschten Verhalten der Steuerpflichtigen, sinkt der Ertrag der Steuer insgesamt. Der Versuch der Hochrechnung von Steuereinnahmen vergangener Börsenumsätze taugt somit nur bedingt. Ausweichreaktionen der Marktteilnehmer sind zudem schwer vorherzusagen und einzukalkulieren. Es bleibt als Befund, dass eine weltweit eingeführte Finanzmarktsteuer Einnahmen in nicht unwesentlicher, aber derzeit nicht sicher quantifizierbarer Höhe erlösen könnte.

Zentrales Argument für die Einführung der Steuer ist die Stabilisierung des Finanzmarktes. Ein solcher Effekt lässt sich indes nach ökonomischen Studien nicht prognostizieren: Durch die Finanzmarktsteuer wird die Transaktion verteuert. Die beabsichtigte Reduktion des Handelsvolumens führt zu einer rückläufigen Liquidität. Für die Volatilität der gehandelten Papiere bedeutet dies, dass jede einzelne Transaktion höhere Kursschwankungen auslösen kann, da ihr Gewicht in Relation zum niedrigeren Handelsvolumen steigt. Mithin ist durch die steigende Volatilität ein gegenteiliger Effekt zu erwarten: eine Destabilisierung des Finanzmarktes könnte die Folge sein. Die freie Preisbildung an Märkten wird erschwert und die Informationseffizienz der Finanzmärkte behindert. Die auf Tobin zurückgeführte These, erhöhte Transaktionskosten könnten eine erhöhte Stabilität der Preise bewirken, ist durch empirische Studien mittlerweile widerlegt. Ein negativer Effekt einer Finanzmarktsteuer wäre darüber hinaus, dass die Risikoabsicherung von Geschäften eingeschränkt wird.

Das Argument höherer Finanzmarktstabilität muss sich zudem an den Befunden zu den Auslösern der Krise 2008/2009 messen lassen. Nach herkömmlicher Beurteilung hätte demnach auch eine Finanzmarktsteuer keinen Beitrag zur Bewältigung oder Vermeidung dieser Krise leisten können. So werden als ihre Ursachen unter anderem das Zusammenspiel von unzureichender Regulierung bei Bankaufsicht, Bilanzierung und Risikocontrolling, dem verfehlten Rating strukturierter Produkte, einer extensiven Politik des billigen Geldes der Notenbanken sowie kollusives Zusammenwirken von Hypothekenschuldnern und-gläubigern genannt. Der Erhöhung von Transaktionskosten ist kein Beitrag zur Minderung dieser Krise beizumessen.

Zu hinterfragen ist der Ansatz der Befürworter einer Finanzmarktsteuer, Spekulation eindämmen zu wollen, wobei deren Schädlichkeit vorausgesetzt, aber nicht begründet wird. Es ist aber zu fragen, ob kurzfristige Investitionen nicht einen wesentlichen Bestandteil von funktionierenden Märkten bilden und damit eine Unterscheidung zwischen "schlechter" Spekulation und "guter" Langfristinvestition unmöglich ist. Die Spekulation leistet immerhin einen wesentlichen Beitrag zur Anpassung von Preisen an neue Informationen und sorgt daher für eine bessere Informationseffizienz der Märkte. Dies sorgt für eine verbesserte Allokation von volkswirtschaftlichen Ressourcen. Akzeptiert man diese unbestrittene Funktion des spekulativen Geschäfts, kann aber nicht gleichzeitig eine angeblich Trend verstärkende Wirkung durch Spekulation beklagt werden, die eine Blasenbildung begünstige.

Eine negative moralische Bewertung der Spekulation als angeblich "leistungsloses Einkommen" verkennt das eingegangene Risiko und die Leistung der Informations- und Kapitalbeschaffung des Geschäftes. Eine überzeugende Definition von Spekulation ist bislang nicht gelungen. Die letztlich gescheiterten Versuche einer Abgrenzung nach Wirtschaftsgütern und Haltefristen im deutschen Steuerrecht geben davon Zeugnis. Eine akzeptierte Definition der Spekulation wäre aber unabdingbare Voraussetzung, um die richtige Höhe des Steuersatzes zu bestimmen und nicht zuletzt die Wirksamkeit der Steuer überprüfen zu können. Das Konzept einer Krisen verursachenden Spekulation erweist sich damit im Ergebnis als nicht tragfähig.

Skepsis bei der Mittelverwendung

Skepsis schließlich scheint bei der intendierten Mittelverwendung der Finanzmarktsteuer angebracht. Die allgemeine Steuerdefinition, wonach Steuern eine öf-fentlich-rechtliche Abgabe darstellen, der gerade keine bestimmte staatliche Leistung gegenübersteht, sondern zwecks Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs erhoben wird, scheint bei den Befürwortern der Finanzmarktsteuer ins Hintertreffen geraten zu sein. Vielmehr wird einer unmittelbaren Zweckbindung, die allerdings rechtlich unmaßgeblich wäre, das Wort geredet. Positiv besetzte Ziele von Bildung, Gesundheit, Klimaschutz bis zur Umverteilung sollen im Sinne einer internationalen "Wohlfühlsteuer" ihre Einführung ermöglichen.

Die politische Debatte geht zurzeit dahin, alleine eine weltweite Finanzmarktsteuer zu befürworten. Zu bedenken ist dabei, dass die Erhebung der Steuer wohl an den Börsenplätzen ansetzen würde und damit weltweit gerechnet nur sehr wenige Staaten, nämlich vor allem das Vereinigte Königreich (London), die USA (New York), die Schweiz (Zürich), Japan (Tokio), China (Hongkong) und Singapur mit ihren internationalen Finanzzentren einen Großteil der Einnahmen zu verwalten hätten. Hier einen allgemein akzeptierten Aufteilungs- und Abführungsmechanismus zu finden und durchzusetzen wäre eine diplomatische wie steuerpolitische Großtat. Allein ein einziger Staat, der sich einem internationalen Konsens entzöge, könnte das gesamte Modell scheitern lassen.

Eine Finanzmarktsteuer wäre steuersystematisch eine spezielle Verkehrssteuer, da sie an eine wirtschaftliche oder rechtliche Transaktion anknüpft (wie die Grunderwerbsteuer). Sie würde den im Steuerrecht als Prinzip beherrschenden Leistungsfähigkeitsgrundsatz durchbrechen: Allein das Auftreten am Markt ist kein Indiz für persönliche Leistungsfähigkeit, da erst nach Erwerb und Verkauf ein Verlust oder Gewinn möglich ist. Gewinne werden bereits durch die direkten Steuern (Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer) belastet.

Hinzuweisen ist darauf, dass eine Finanzmarktsteuer keine Sonderform der Umsatzsteuer im Sinne der europäisch harmonisierten Mehrwertsteuer darstellt. Letztere belastet nur Konsumausgaben und ist nicht als Verkehrs-, sondern als Verbrauchssteuer zu klassifizieren. Eine Finanzmarktsteuer im Sinne einer Börsenumsatzsteuer hat damit steuersystematisch mit der allgemeinen Mehrwertsteuer nichts gemein. Die Gefahr einer Verwechslung beruht darauf, dass sie den Umsatz im Sinne eines Transaktionsumschlages an Börsenplätzen erfasst, ihr aber nicht das Besteuerungsprinzip der Umsatzsteuer innewohnt.

Fazit: Eine Finanzmarktsteuer kann nach den Ergebnissen theoretischer Annahmen und empirischer Studien das Versprechen einer höheren Stabilität von Finanzmärkten nicht einlösen. Das Konzept der volkswirtschaftlichen Schädlichkeit kurzfristiger Investitionen durch Spekulation ist umstritten. Eine krisenverhindernde Wirkung kann auch einer weltweiten Finanzmarktsteuer nicht zugesprochen werden. Der Lenkungszweck der Steuer ist damit nicht erfüllt. Ein positiver fiskalischer Effekt sind die Steuereinnahmen. Dem stehen erhebliche Schwierigkeiten ihrer weltweiten Einführung und Aufteilung entgegen. Eine höhere Effizienz hätte die schlichte Erhöhung der bestehenden direkten Steuern. Dem entspräche auch eine bessere steuersystematische Vereinbarkeit.

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