Kreditwesen aktuell

Frage an Edgar Meister - Basel II - was ist erreicht, was bleibt zu tun?

Vor sieben Jahren, im Juni 1999, wurde das erste Konsultationspapier
zur Überarbeitung des Baseler Eigenkapitalakkords veröffentlicht. Die
Deutsche Bundesbank hat die Erarbeitung des neuen Rahmenwerkes, das
nunmehr unter dem Namen "Basel II" in aller Munde ist, eng begleitet -
unter anderem durch mehrere Konferenzen und Symposien. Die neue
Baseler Rahmenvereinbarung wurde zwar bereits im Juni 2004
veröffentlicht, allerdings stand sie unter dem Vorbehalt weiterer
Änderungen, Erweiterungen und Interpretationen der Regeln. Im letzten
Jahr bestimmten dabei zwei Themen die Baseler Arbeiten: die endgültige
Kalibrierung der Risikogewichtsfunktionen sowie die Zusammenarbeit von
Heimat- und Gastlandaufsehern bei der Prüfung und Anerkennung
fortgeschrittener bankinterner Risikomessmethoden. Auf nationaler
Ebene standen die Implementierungsarbeiten auf Seiten der Aufsicht und
der Institute im Vordergrund.
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Fünfte Auswirkungsstudie bestätigt Kalibrierung
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Zur Überprüfung der Risikogewichte unter Basel II wurde Ende 2005 eine
fünfte Auswirkungsstudie (QIS 5) durchgeführt. Daran beteiligten sich
weltweit fast 300 Kreditinstitute, so dass die Ergebnisse ein
repräsentatives Bild ergeben. Laut dieser Studie hat sich die Qualität
der Institutsdaten im Zuge der bankinternen Vorbereitungen auf Basel
II weiter verbessert. Die QIS 5 hat die Kalibrierung und den
Skalierungsfaktor der Baseler Kapitalfunktionen bestätigt: Banken, die
fortgeschrittene Risikomessmethoden für Kredit- und operationelle
Risiken verwenden, können mit Kapitalerleichterungen von
durchschnittlich fünf Prozent, kleinere Banken mit einem hohen Anteil
des Mengengeschäfts gar mit bis zu 25 Prozent rechnen (wobei in den
ersten Jahren diese umfangreiche Entlastung nicht eintritt, da die
Kapitalabsenkung durch die bekannten "floors" begrenzt wird).
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Weitere Auswirkungsstudien oder Anpassungen sind derzeit nicht
geplant. Die Entwicklung der Kapitalanforderungen wird jedoch nach
Implementierung von Basel II weiter beobachtet werden. Dabei soll
weitgehend auf Daten aus den regulären bankenaufsichtlichen Meldungen
zurückgegriffen werden, um die Kreditinstitute nicht zusätzlich zu
belasten.
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Umsetzung in Europa und Deutschland
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In Europa wurde der Basel II-Prozess sehr zeitnah durch entsprechende
Umsetzungsvorschläge der Europäischen Union begleitet. So konnten sich
Rat und Parlament im Herbst 2005 inhaltlich auf die rechtliche
Umsetzung verständigen. Mittlerweile sind die neuen Richtlinien in
alle Amtssprachen der EU übersetzt, veröffentlicht und damit
rechtskräftig. In Deutschland ist die rechtliche Umsetzung ebenfalls
im Zeitplan. Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden haben sich dabei auf
eine Eins-zu-eins-Umsetzung der europäischen Richtlinien festgelegt.
Während die notwendige Änderung des KWG bereits vom Bundestag
verabschiedet worden ist, werden die Kommentare aus der
Kreditwirtschaft zur Solvabilitätsverordnung, mit der der Großteil
neuen Regeln umgesetzt wird, von BaFin und Deutsche Bundesbank derzeit
ausgewertet. Alle Regelwerke und Änderungen sollen wie geplant zum 1.
Januar 2007 in Kraft treten.
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Anträge auf Zulassung fortgeschrittener Risikomessverfahren und
Prüfungen:
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Eine erfolgreiche Implementierung von Basel II besteht jedoch nicht
nur in der Änderung europäischer und nationaler Vorschriften des
Aufsichtsrechts: viel wichtiger erscheint die Umsetzung der Baseler
Vorgaben - und die Nutzung der in Basel II angelegten Chancen - im
Risikomanagement der Banken und Sparkassen.
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Die deutschen Kreditinstitute haben frühzeitig begonnen, sich auf die
neuen Regelungen einzustellen. Insbesondere wurden - teilweise unter
erheblicher Hilfe der jeweiligen Spitzenverbände der Institutsgruppen
- bankinterne Ratingsysteme entwickelt und in der täglichen Anwendung
in den Instituten etabliert. Mittlerweile haben zirka 30 Institute
einen Antrag auf Anerkennung ihrer Ratingsysteme gestellt, die mehr
als 50 Prozent der Bilanzaktiva aller deutschen Kreditinstitute
repräsentieren. Angesichts der hohen Anstrengungen, die auch der
öffentliche und der genossenschaftliche Sektor in den Aufbau und die
bankinterne Implementierung von Ratingsystemen gesteckt haben, scheint
die Zahl der Institute beider Gruppen, die über eine Antragstellung
nachdenken, bislang noch zu gering. Weitere Institute, auch kleinere
und mittlere Banken und Sparkassen wären in der Lage, einen Antrag auf
Zertifizierung ihrer bankinternen Ratingsysteme zu stellen. Sie würden
damit zugleich gegenüber ihren Kunden dokumentieren, dass ihr
Risikomanagement auf der Höhe der Zeit ist. Die bisher durchgeführten
Prüfungen zur Zertifizierung von Ratingsystemen haben durchweg gute
Ergebnisse gezeigt. Natürlich ist nicht alles perfekt; Probleme
existieren insbesondere in der Implementierung der Baseler
Ausfalldefinition und damit verbunden mit der PD-Kalibrierung auf
Basis dieser Definition. Die Schwierigkeiten sollten in den meisten
Fällen jedoch bis zum Start von Basel II Anfang 2007 behoben sein, so
dass eine fristgerechte Anerkennung der Ratingsysteme zu erwarten ist.
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Aufsichtliches Überprüfungsverfahren - Säule 2 von Basel II
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Nachdem die Implementierung der Mindestkapitalanforderungen nach Säule
1 der Baseler Rahmenvereinbarung auf einem guten Weg ist, verlagert
sich der Fokus der Arbeiten derzeit auf Säule 2. Mit den
Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) existiert seit
Ende 2005 ein Regelwerk, das einerseits unsere Umsetzung der
qualitativen Anforderungen der Säule 2 darstellt, andererseits bislang
existierende Mindestanforderungen (MaH, MaK, MaIR) zusammenfasst,
entschlackt und vereinheitlicht. Mit diesem durch Basel II
vorgegebenen Schritt wird zugleich der Übergang in eine stärker
qualitativ und risikoorientierte Bankenaufsicht vollzogen.
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Zwei wichtige Neuerungen der MaRisk sind die Messung der
Zinsänderungsrisiken sowie der Abgleich des vorhandenen
Risikodeckungspotenzials mit allen wesentlichen Risiken einer Bank im
Rahmen eines umfassenden Konzepts für die Risikotragfähigkeit (ICAAP).
Beide Anforderungen sind sowohl für die Aufsicht als auch für die
Institute neu. Die Aufsicht möchte der Kreditwirtschaft daher
ausreichenden Entscheidungsspielraum geben, um die Entwicklung des
ICAAP nicht durch Detailregelungen zu sehr einzuschränken. Für die
Institute gilt es nun, diesen Spielraum zu nutzen und angemessene
Methoden einzuführen. Die Aufsicht wird sie dabei begleiten.
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Der modulare Aufbau der MaRisk ermöglicht es, auch die Prüfungen
risikoorientiert und effizient zu gestalten. So wurden bei den bislang
durchgeführten zirka 100 MaRisk-Prüfungen stets individuelle
Schwerpunkte gesetzt. Wichtig ist, dass diese bankgeschäftlichen
Prüfungen durch die Aufsicht, in den meisten Fällen wird dies die
Bundesbank sein, durchgeführt werden und damit relevante Informationen
aus erster Hand liefern. Dies entspricht einem modernen,
risikoorientierten und stärker präventiv ausgerichteten
Aufsichtsansatz, der sowohl den Kreditinstituten als auch der Aufsicht
zugute kommt. Gutes Risikomanagement der Institute fördert zudem die
Stabilität des Banken- beziehungsweise Finanzsystems.
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Liquiditätsverordnung: Auf nationaler
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Ebene soll über das Basel II-bezogene Pflichtprogramm hinaus eine
zusätzliche Änderung zum Vorteil der Institute erfolgen. Die
Überführung des Grundsatzes II in eine Liquiditätsverordnung soll zu
einer Modernisierung der Liquiditätsregeln in Deutschland genutzt
werden. Der heutige Grundsatz II eignet sich gut für kleine und
mittelgroße Institute mit relativ stabilem Aktiv- und Passivgeschäft.
Für größere Institute, die ihre Liquidität mit Hilfe genauerer
interner Verfahren steuern, stellt er lediglich eine "Nebenbedingung"
dar. Wir möchten daher durch die Aufnahme einer entsprechenden
Öffnungsklausel in der neuen Liquiditätsverordnung die Möglichkeit
schaffen, bankeigene Liquiditätsmanagementmodelle aufsichtlich
anzuerkennen. Erste Gespräche wurden hierzu schon geführt, und ich bin
zuversichtlich, dass das Ziel hier erreicht wird.
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Zusammenarbeit zwischen Heimat- und Gastlandaufsehern
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Auch die Kooperation zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden ist ein
gutes Stück vorangekommen. Das Ziel ist hierbei stets, unnötige
Doppelarbeiten auf Seiten der Aufsicht und der Institute zu vermeiden
und insgesamt die Konvergenz der Aufsichtspraktiken weiter
voranzubringen. Insbesondere international operierende Banken werden
von dem intensivierten Informationsaustausch und der besseren
Zusammenarbeit der für sie zuständigen Aufseher profitieren.
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Eine effektive Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden ist in der
täglichen Aufsichtspraxis sinnvoll nur unter Würdigung der
individuellen Gegebenheiten des betreffenden grenzüberschreitend
tätigen Bankkonzerns zu verwirklichen. Unsere bisherigen Erfahrungen
bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Aufsehern etwa bei der
Anerkennung grenzübergreifend verwendeter bankinterner Ratingverfahren
sind ausgesprochen positiv. In allen Fällen haben BaFin und Bundesbank
mit unseren Kollegen im Ausland einen gemeinsamen Prüfungsplan
abstimmen, diesen entsprechend umsetzen und die Ergebnisse einheitlich
bewerten können.
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"Basel II - was ist erreicht, was bleibt zu tun? " - Erreicht sind der
Abschluss der Arbeiten an den Baseler und Brüsseler Regelungen sowie
die nahezu abgeschlossene Umsetzung dieser Regeln in nationales Recht.
Auf der Agenda bleiben weitere Anstrengungen, die Baseler Regelungen
in der Bankpraxis "mit Leben zu erfüllen", indem moderne
Risikomessmethoden noch stärker in der täglichen bankinternen Praxis
genutzt und für die Ermittlung der Mindesteigenkapitalanforderungen
zertifiziert werden. Die Aufsicht steht hierbei für Gespräche,
Diskussionen und Hilfestellungen jederzeit zur Verfügung; sie wird
auch darauf achten, dass trotz größerer Individualität der
Kapitalregeln gleiche Wettbewerbsbedingungen erhalten bleiben.

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