Aufsätze

Fristentransformation als Bestandteil einer nachhaltigen Geschäftsstrategie einer Genossenschaftsbank?

Als Fristentransformation wird die Transformation kurzfristiger Passiva in langfristige Aktiva (oder vice versa) verstanden. In Zeiten einer steilen Zinsstrukturkurve (langfristiger Zins höher als kurzfristiger Zins) bringt dies zusätzliche Erträge, denen aber ein Risiko bei steigenden Zinsen gegenübersteht: In barwertiger Betrachtung verlieren die kurzfristigen Passiva weniger an Wert als die langfristigen Aktiva. In periodischer Betrachtung schlägt sich die Zinsanpassung der Passiva schneller in der Gewinn- und Verlustrechnung nieder als die Möglichkeit, Neugeschäft zu höheren Zinssätzen abzuschließen.

Einfluss auf die Ertragslage

Die Angst vor starken Zinsänderungsrisiken hat zu kritischen Äußerungen der Bankenaufsicht in der Presse geführt.1) Weiterhin setzt sich die Bankenaufsicht, zum Beispiel in den bankaufsichtlichen Gesprächen mit den Kreditinstituten, intensiv mit dem Umfang der Fristentransformation auseinander. So wird etwa bei Genossenschaftsbanken gefragt, ob sich das Kundengeschäft als Kerngeschäft selber trägt oder ob eine Subventionierung durch andere Geschäftsbereiche erfolgen muss. Die Bundesbank hat den Einfluss der Fristentransformation auf die Ertragslage deutscher Banken analysiert.2)

Demnach resultierten im Zeitraum von 2005 bis 2009 zirka zwölf Prozent des Zinsüberschusses aus der Fristentransformation.3) Allerdings ist die Band breite im Zeitablauf hoch (von 4,6 Prozent bis 24,3 Prozent). Ebenso fallen die Unterschiede der drei Säulen des deutschen Kreditgewerbes bei den mehrjährigen Durchschnitten auf (4,6 Prozent bei den Großbanken,4) 12,7 Prozent bei den Genossenschaftsbanken respektive 14,6 Prozent bei den Sparkassen).

Die Ergebnisse der hier zugrunde liegenden Studie lassen den Schluss zu, dass ein signifikanter Teil des Zinsüberschusses vieler Kreditinstitute aus der Fristentransformation stammt und dass dieser Anteil im Zeitablauf volatil ist. Dass die Kreditinstitute ein negatives Ergebnis in anderen Bereichen, beispielsweise im Kundengeschäft, subventionieren oder gar ohne Fristentransformation nicht überlebensfähig wären, ist hieraus nicht zu folgern.

Im Folgenden werden daher Überlegungen zur Beurteilung des Umfangs der Fristentransformation bei einer Genossenschaftsbank dargestellt. Die Erkenntnisse können nach Auffassung des Verfassers aber auch auf alle Säulen des deutschen Bankgewerbes übertragen werden.

Bedeutung des Kundengeschäfts

Eine der Lehren, die aus der Finanzmarktkrise gezogen werden kann, lautet: Das Kerngeschäft einer Bank muss sich selber tragen. Dann ist sie nicht gezwungen - wie manche Bank, die heute nicht mehr existiert - Verluste im Kerngeschäft durch Geschäfte in fremden Geschäftsfeldern auszugleichen, deren Risiken sie nicht einschätzen kann. Kerngeschäft einer Genossenschaftsbank ist das Kundengeschäft (Kreditgeschäft, Einlagengeschäft, Beratungsgeschäft). Deshalb sollten alle Kosten des Kundengeschäfts (inklusive Bewertungsergebnis) durch Erträge aus demselben gedeckt sein. Gründe für diese besondere Bedeutung des Kundengeschäfts sind

- der Grundauftrag einer Genossenschaftsbank, der sich auf das Kundengeschäft bezieht,

- die Vermeidung der Einflüsse von Krisen an den Kapitalmärkten auf die Genossenschaftsbank,

- die zunehmende Regulierung des Kapitalmarktgeschäfts, die zu steigenden Kosten führt sowie

- die kritische Beobachtung bestimmter Kapitalmarktgeschäfte durch die Öffentlichkeit.

Die Geschäftsfeldrechnung einer jeden Bank ist Grundlage einer Analyse der Ertragsfelder. Eine Genossenschaftsbank weist als Geschäftsfelder neben dem Kundengeschäft (Privat- und/oder Firmenkunden) das Treasury auf, dessen Ergebnis im Wesentlichen resultiert aus

- der Anlage des Eigenkapitals,

- dem Eingehen von Bonitätsrisiken im Eigengeschäft und

- dem Eingehen von Marktpreisrisiken (im Wesentlichen Fristentransformation).

Im Rahmen der Strategieentwicklung muss eine Genossenschaftsbank sich die Frage beantworten, welche Ziele in den einzelnen Geschäftsfeldern erreicht werden sollen. Wenn das Kundengeschäft nicht profitabel betrieben werden sollte, ist es primäre Aufgabe, dieses Geschäftsfeld "in die schwarzen Zahlen zu bringen". Hierzu sind Maßnahmen auf der Kosten- und auf der Ertragsseite möglich beziehungsweise nötig. Eine Subventionierung durch das Treasury, etwa durch Geschäfte am volatilen Kapitalmarkt, ist keine dauerhafte Lösung, sondern kann nur kurzfristig toleriert werden.

Dem genossenschaftlichen Förderprinzip entspricht es aber durchaus, das Kundengeschäft mit einem Nullergebnis abzuschließen.5) Die Förderung der Mitglieder erfolgt in diesem Fall durch günstige Konditionen und nicht zwingend durch eine Dividende. Die erweiterte Cost Income Ratio (CIR)6) im Kundengeschäft sollte also nicht höher als 100 Prozent sein - sonst wären nicht alle Kosten durch Erträge gedeckt -, aber auch nicht deutlich unter 100 Prozent - sonst würde dem Förderprinzip nicht Genüge getan.

Sicherstellung der nachhaltigen Wirtschaftlichkeit

Es ist zu erwarten, dass der Wettbewerb im Privatkundengeschäft sowie der Druck auf die Konditionsbeiträge in den nächsten Jahren noch weiter und deutlich zunehmen. Verschärft wird diese Entwicklung durch das derzeitige Niedrigzinsniveau, da in diesem Fall die für das variable Geschäft errechneten Konditionsbeiträge modellbedingt kontinuierlich absinken. Damit wird auch das Ergebnis des Kundengeschäfts weiter unter Druck geraten, sodass der Stabilisierung dieses Ergebnisses höchste Priorität zukommt.

Das Treasury soll die nachhaltige Wirtschaftlichkeit einer Genossenschaftsbank im Kundengeschäft sicherstellen. Wenn das Kundengeschäft mit einem Nullergebnis abschließt, muss das Treasury über einen längeren Zeitraum zumindest die Ergebnisbeiträge erwirtschaften, die neben den Steueraufwendungen für die Rücklagenzuführung (für das Wachstum im Kreditgeschäft nötige Eigenkapitalstärkung sowie darüber hinausgehende Eigenkapitalstärkung etwa für das allgemeine Geschäftsrisiko) nötig sind. Sofern eine Förderung der Mitglieder durch Zahlung einer Dividende erfolgt, und nicht primär durch günstige Konditionen, muss auch die Dividende vom Treasury erwirtschaftet werden.

Aubin hat für das Geschäftsmodell der Volks- und Raiffeisenbanken belegt, dass dieses Konzept in der Praxis durchführbar ist: Die Anlage im zweifach gehebelten gleitenden Zehnjahresdurchschnitt erzielt bei vertretbarem Risiko denjenigen Ertrag im Treasury, um einen ausreichenden Gewinn zu erzielen, obwohl das Kundengeschäft mit einem Nullgewinn abschließt.7) Die zweifache Hebelung des Zinsbuches bedeutet neben der Anlage des Eigenkapitals eine kurzfristige Geldaufnahme in Höhe des Werts des Zinsbuches und langfristige Anlage dieses Betrags. Berechnungen zeigen, dass bereits die Erträge aus der Anlage des Eigenkapitals einen erheblichen Teil des Treasury-Ergebnisses ausmachen (teilweise mehr als die Hälfte).

Neben der Anlage des Eigenkapitals können durch Fristentransformation, aber auch durch Investition in weitere Risikoklassen entsprechende Ertragschancen genutzt wer den, wobei das Ausnutzen von Korrelationen sogar zu einer Risikominderung auf Gesamtbankebene führen kann. So werden in anderen Assetklassen, beispielsweise durch Adressrisiken im Eigengeschäft, signifikante Erträge erzielt, die teilweise gleichen Umfang haben, wie das Fristentransformationsergebnis. Trotzdem ist die Risikotransformation durch das Eingehen von Adressrisiken längst nicht so stark im Fokus der öffentlichen Diskussion wie die Risiken aus der Fristentransformation.

Verantwortungsvoller Umgang mit Zinsänderungsrisiko

Fristentransformation als eine der originären Transformationsaufgaben eines Kreditinstituts muss derzeit im Kundengeschäft in starkem Maße betrieben werden, weil Kunden Gelder nur kurzfristig anlegen beziehungsweise nur langfristig ausleihen. Die aus dieser Fristeninkongruenz entstehenden Risiken können durch Sicherungsgeschäfte beseitigt werden.

Die Risiken mit den damit einhergehenden Ertragschancen können von einer Genossenschaftsbank übernommen werden, wenn sie in den Risikotragfähigkeitsrechnungen durch Eigenkapital gedeckt sind. Selbst bei erhöhtem Zinsänderungsrisiko (Zinsrisikokoeffizient größer 20 Prozent) ist dies überwiegend der Fall. Berechnungen zeigen, dass nicht steigende, sondern dauerhaft niedrige Zinsen für viele Banken langfristig gefährlich sind.

Inverse Stresstests, bei denen gefragt wird, bei welcher Zinserhöhung eine Unternehmensfortführung (Going Concern) nicht mehr möglich ist, können ebenfalls als Indikator dafür dienen, dass das Risiko tragbar ist. Häufig zeigen Berechnungen, dass ausschließlich bei extremen Zinsänderungen bedrohliche Situationen eintreten. Um die Angemessenheit des Risikos zu beurteilen, zieht die Bankenaufsicht derzeit nicht mehr den Zinsrisikokoeffizienten, sondern das sogenannte Prüfkriterium als Beurteilungsmaßstab heran.8) Faktisch ist damit eine Eigenkapitalunterlegung der Zinsänderungsrisiken und gegebenenfalls eine Begrenzung der Fristentransformation verbunden. Tatsächlich halten die meisten deutschen Kreditinstitute das Prüfkriterium ein. Insgesamt kann man daher behaupten, dass die meisten deutschen Kreditinstitute bezogen auf die Risikotragfähigkeit verantwortungsvoll mit dem Zinsänderungsrisiko umgehen.

Trägeres Zinsanpassungsverhalten im Kundengeschäft

Bei der Bewertung des Umfangs der Fristentransformation ist auch zu berücksichtigen, ob dieser aus Geschäften mit Kunden (Firmen- oder Privatkunden) oder aber aus Geschäften am Kapitalmarkt resultiert. Bei Genossenschaftsbanken sind zum Teil hohe Überhänge der kurzfristigen Kundenpassiva über die langfristigen Kundenaktiva vorhanden. Zudem sind die Durchschnittslaufzeiten im Depot-A häufig sehr kurz, um die langen Laufzeiten im Kunden kreditgeschäft zu kompensieren. Fristentransformation resultiert daher aus Kundengeschäften und nicht aus Kapitalmarktgeschäften. Fristentransformation aus Kundengeschäften führt zu einer anderen Risikostruktur als derjenigen, die aus Kapitalmarktgeschäften resultiert. Dies wird daran deutlich, dass sich unterschiedliche Zinsrisikokoeffizienten einstellen. Grund hierfür ist das abweichende Zinsanpassungsverhalten der Genossenschaftsbank, weil der Zinsrisikokoeffizient aufgrund des trägeren Zinsanpassungsverhaltens im Kundengeschäft geringer ausfällt.

Eine Wertung hat weiterhin zu berücksichtigen, dass die einzelnen Geschäftsfelder einer Bank und damit die Bestandteile des Konditions- und Strukturbeitrags miteinander korreliert sind:9) Bei anziehenden Zinsen steigen die Konditionsbeiträge sowie der Erfolgsbeitrag der Eigenkapitalverzinsung, während der Beitrag der Fristentransformation sinkt und das Bewertungsergebnis der Wertpapiere das Ergebnis ebenfalls negativ beeinflusst (und vice versa). Weiterhin sind die Zinsänderungsrisiken auch negativ mit den Kreditrisiken korreliert. Deshalb darf nicht geschlossen werden, dass aufgrund von Fristentransformation bei steigenden Zinsen stets ein Ertragsrisiko besteht. Stattdessen kann dieses Risiko durch gegenläufige Effekte teilweise oder vollständig kompensiert werden. Den genannten Effekt belegen Berechnungen, nach denen nicht ein Zinsrisikokoeffizient von Null, sondern von zirka 15 Prozent bei Zinssatzänderungen zu den geringsten Schwan kungen des Betriebsergebnisses führt.10)

Fristentransformation als Bestandteil des Treasury

Als Konsequenz aus diesen Überlegungen sollte eine Genossenschaftsbank zur Risikominderung unbedingt Fristentransformation betreiben beziehungsweise ausbauen, wenn das Gesamtrisiko der Bank vermindert werden soll. Eine Ausweitung der Fristentransformation ist sowieso begrenzt durch die Risikotragfähigkeit der Bank (interne Begrenzungen aus den Risikotragfähigkeitsrechnungen sowie Prüfkriterium der Aufsicht). Weiterhin darf eine Ausweitung nur dann erfolgen, wenn das Kundengeschäft nicht mit einem negativen Ergebnis abschließt. Zusätzliche Erträge aus Fristentransformation können auch genutzt werden, um das Eigenkapital zu stärken, denn Gewinnthesaurierung ist für Genossenschaftsbanken der wesentliche Weg der Eigenkapitalverstärkung.

Dieses Argument gewinnt vor allem durch Basel III an Bedeutung: Gerade die strengeren Kriterien für den regulatorischen Eigenkapitalbedarf können das in den Risikotragfähigkeitsrechnungen angesetzte interne Eigenkapital so stark mindern, dass Risiken und damit Ertragschancen reduziert werden müssen.11) Die Erfahrung zum Beispiel bei Sanierungsbanken belegt, dass Nach teile in der Eigenkapitalausstattung nur schwer aufgeholt werden können. Deshalb wäre es sträflich, derzeit auf Erträge zu verzichten, die der Eigenkapitalverstärkung dienen sollen und die aufgrund der Risikotragfähigkeit möglich wären.

Fristentransformation ist eine der wesentlichen Grundfunktionen eines Finanzintermediärs. Fristentransformation aus dem Kundengeschäft ist anders zu beurteilen als diejenige, die aus Kapitalmarktgeschäften resultiert. Die Akzeptanz dieses Risikos kann durchaus sinnvoll sein, wenn das Kundengeschäft keinen Fehlbetrag aufweist. Kritisch zu sehen ist eine Fristentransformation, die dauerhaft dazu dienen soll, ein negatives Kundengeschäft zu subventionieren.

In vielen Fällen kann die Fristentransformation sogar ausgebaut werden, wenn dies die Risikotragfähigkeit erlaubt, um beispielsweise die Eigenkapitalbasis aus höheren Jahresüberschüssen zu stärken. Korrelationseffekte können in diesem Fall sogar zu einer Risikominderung auf Gesamtbankebene führen. In diesem Sinne muss und soll die Fristentransformation als Bestandteil des Treasury die nachhaltige Wirtschaftlichkeit im Kundengeschäft sicherstellen.

Fußnoten

1) Vgl. Osman/Köhler/Kunz/Landgraf, Zinsrisiken erschrecken Aufseher, in: Handelsblatt 30.11.2010. Vgl. Hellwig, Banken sitzen auf dem Pulverfass Fristentransformation, in: Börsenzeitung 4.2. 2011. Vgl. Schreiber, Zinsgeschäfte der Sparkassen machen Bundesbank nervös, in: FTD 9.2.2012.

2) Vgl. o.V., Der Einfluss der Fristentransformation auf die Ertragslage deutscher Banken, in: Bundesbank Monatsheft September 2012, S. 16-17.

3) Analysen durch die genossenschaftlichen Verbände bestätigen diese Untersuchung.

4) Inwieweit dieser niedrige Wert daraus resultiert, dass Risiken aus dem Anlagebuch durch interne Geschäfte ins Handelsbuch transferiert werden, kann nicht abschließend beurteilt werden. Siehe zum Beispiel Deutsche Bank, Geschäftsbericht 2011, S. 107: Demnach verbleiben in den Portfolios des Nichthandelsbereichs lediglich Restrisiken. Vgl. Aubin, Die BaFin will traditionelles Bankgeschäft abwürgen, in: Genograph 2/2011, S. 44.

5) Vgl. Aubin, Null Gewinn aus dem Kundengeschäft, in Genograph 5/2011, S. 42-46.

6) "Erweitert" heißt diese Kennzahl, weil sowohl die Kreditrisikoprämien als auch die Bewertungsergebnisse im Kundenkreditbereich einbezogen werden.

7) Vgl. Aubin (Fn. 5), S. 44-46.

8) Vgl. Grob/Krob/Volkenner/Walter, in: ZfgK 11-2012, S. 539-540. Das Prüfkriterium besagt, dass die Eigenmittelanforderungen nach der SolvV zuzüglich der Barwertminderung infolge Zinsschock 95 Prozent der Eigenmittel nicht übersteigen darf.

9) Vgl. Balke/Brüling, Fristentransformation als Ertragsquelle, in: zeb/Themen, April 2009, S. 3, erhältlich im Internet unter www.zeb.de.

10) Vgl. Aubin, Im Korsett, in: Genograph 11/2010, S. 31-32.

11) Siehe MaRisk AT 4.1 Tz. 9. Das interne Kapital, das in den Risikotragfähigkeitsrechnungen berücksichtigt wird, ergibt sich in Going-Concern-Ansätzen aus dem gesamten Eigenkapital abzüglich des regulatorischen Kapitals, das für die Einhaltung der Anforderungen nach der Solvabilitätsverordnung nötig ist. Falls Letzteres aufgrund der Anforderungen aus Basel III steigt, sinkt das interne Kapital.

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