Aufsätze

Genossenschaftlicher Finanzverbund: geborener Partner des Mittelstands

Volksbanken und Raiffeisenbanken sind Unternehmerbanken. Sie wurden von Bauern und Handwerkern gegründet. Sie verpflichten sich mit dem Förderauftrag zur Unterstützung ihrer Mitglieder und schaffen Mehrwert für ihre Kunden. In Volksbanken und Raiffeisenbanken spricht der mittelständische Unternehmer mit dem Bankvorstand. Von ihrer Struktur und ihrem Selbstverständnis her sind sie geborene Partner des Mittelstands.

Differenzierte Analyse der Marktposition

Bei der Analyse der Marktpositionen des genossenschaftlichen Finanzverbundes, zu dem neben den selbstständigen Banken vor Ort die Unternehmen der DZ-Bank-Gruppe (unter anderem DZ Bank, R+V-Gruppe, Union Investment-Gruppe, VR-Leasing-Gruppe) sowie die WGZ-Bank-Gruppe gehören, ist eine differenzierte Betrachtung des relevanten Marktes erforderlich. Die Firmenkunden-Zielgruppe von Volksbanken und Raiffeisenbanken sind kleinere und mittlere Mittelständler. Geschäftsbanken und Landesbanken konzentrieren sich eher auf größere Unternehmen. Bezogen auf den Gesamtmarkt steht der genossenschaftliche Finanzverbund heute gut dar: Der Marktanteil an den Firmenkrediten in Deutschland beträgt rund 18 Prozent.

Der seit einigen Jahren praktisch nicht wachsende Gesamtmarkt hat ein Volumen von rund 1 000 Milliarden Euro. Davon entfallen etwa 350 Milliarden Euro auf wirtschaftlich Selbstständige. Hier haben die Ortsbanken einen beachtlichen Anteil von nahezu 30 Prozent. Eine Verteidigung dieser Position allein wäre eine große Leistung. Der größere Teilmarkt umfasst Kredite an Unternehmenskunden und macht 650 Milliarden Euro aus. Hier haben die VR-Banken gemeinsam mit ihren Zentralbanken einen Marktanteil von elf Prozent. Es zeigt sich also ein außerordentlich differenziertes Bild.

Sollte und kann sich der Genossenschaftssektor einen Ausbau seines Marktanteils zutrauen oder darf er mit dem Erreichten zufrieden sein? Eine rhetorische Frage. Der Anteil am Markt der Unternehmenskunden ist seit Jahren rückläufig. Während dies gewiss auch mit einer in den vergangenen Jahren risikobewussteren Kreditvergabe zusammenhängt und die Prüfungsverbände für Ortsbanken diesen Trend grundsätzlich unterstützt haben, so ist gleichfalls festzustellen: Nach wie vor ist die Bedeutung der Zinserträge aus dem gewerblichen Geschäft für die Volksbanken und Raiffeisenbanken sehr hoch. In der Regel werden 40 bis 60 Prozent der Erträge in diesem Geschäftsfeld generiert. Angesichts der strukturellen Ertragsprobleme in Zeiten einer flachen Zinskurve und sinkender Margen ist der Ausbau des Firmenkundengeschäftes beziehungsweise die Rückgewinnung von Marktanteilen mit Unternehmenskunden eine wesentliche Voraussetzung für die positive Weiterentwicklung der Ortsbanken.

Vertikale und horizontale Expansion

Hierbei geht es einmal darum, eine Vertiefung der bestehenden Kundenbeziehungen zu erreichen (vertikale Expansion). Mit ihrer überragenden Marktnähe aufgrund eines außergewöhnlich breiten Filialnetzes reichen die Banken des genossenschaftlichen Finanzverbundes tief in die Märkte hinein. Wenn Unternehmen zu ihren Kunden zählen, so sind die Banken in der Lage, das gesamte Produktangebot auch den dahinter stehenden Familiengesellschaftern im Privatbereich zur Verfügung zu stellen.

Umgekehrt ist die Vertiefung der Kundenbeziehung, die bereits auf der Privatseite des Unternehmers besteht, hinein in die Unternehmenssphäre oft angezeigt. Es gilt, die Kundenverbindung ganzheitlicher auszuschöpfen. Der Finanzverbund bietet hierfür die besten Voraussetzungen. Es gibt in Deutschland keine breiter aufgestellte Allfinanzgruppe und die Ortsbanken können auf die gesamte Produktpalette der Verbundunternehmen zurückgreifen. Zum Beispiel wurden im Geschäft mit Zinsderivaten große Fortschritte gemacht.

Zum anderen sollte eine Verbreiterung des Kundenstammes erreicht werden (horizontale Expansion). Die Volksbanken und Raiffeisenbanken müssen sich zur Absicherung ihrer Marktposition neue Kundengruppen erschließen, insbesondere im gehobenen Mittelstand, also bei Unternehmenskunden, die Umsatzgrößen von zehn bis 100 Millionen Euro per annum haben. Auch in dieser Kundengruppe ist die Allfinanz- Power der Gruppe der Hebel zum Erfolg.

Kompetenzen ausbauen

Nicht immer haben die Volksbanken und Raiffeisenbanken heute eine entsprechende Kompetenzvermutung beim Firmenkunden. Dies korreliert häufig auch mit der Größe der jeweiligen Bank und der damit mehr oder weniger einhergehenden Spezialisierung auf den Firmenkundenbereich. Andererseits sollte es per se keine Frage der Größe, sondern in erster Linie des gegebenen Marktpotenzials einerseits und der vorhandenen Risikotragfähigkeit andererseits sein, wie der Markt bearbeitet wird.

Es gilt daher im Rahmen von Segmentierungsprozessen noch deutlicher die Bedarfsstrukturen der Kundensegmente herauszuarbeiten. Ist der Markt im Segment der gehobenen Firmenkunden grundsätzlich vorhanden, so sollten die Banken prüfen, ihre eigenen Kompetenzen und ihr Leistungsspektrum auszubauen, um sich diese neuen Kunden zu erschließen.

Dies kann auch als eine Verteidigungsstrategie gegenüber dem lokalen und regionalen Wettbewerber gesehen werden. Es wird kein seltener Fall sein, wo der Leistungsnachweis eines Wettbewerbers in der Unternehmenssphäre eines Kunden auch dazu führt, dass dieser Wettbewerber das heute gegebenenfalls bei der Ortsbank liegende Privatkundengeschäft für sich gewinnen kann. Die Erschließung anspruchsvollerer Firmenkunden sollte vor allem aber eine Basis für zusätzliches Cross-Selling sein, um damit die ganze Kompetenz des Allfinanz-Verbundes an den Kunden heranzubringen. Hiermit hat die genossenschaftliche Gruppe ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem sie die Konkurrenz nicht nur auf Distanz halten kann, sondern verstärkt zusätzliche Ertragspotenziale erschließen sollte.

Prinzipiell subsidiärer Marktantritt

Hierbei hilft der prinzipiell subsidiäre Marktantritt zwischen Ortsbanken einerseits und DZ Bank und Verbundunternehmen andererseits auch im Firmenkundenbereich. Die Gruppe bündelt dabei die Firmenkundenkompetenz, die in den Ortsbanken nicht oder nur in Teilen vorhanden ist. Das Projekt "Partner des Mittelstands", welches zwischen den Ortsbanken, den Verbänden und den Verbundunternehmen entwickelt wurde, soll dieser systematisierten Marktbearbeitung Rechnung tragen. "Partner des Mittelstands" heißt, dass die Ortsbanken mit Kundennähe, permanenter Ansprechbarkeit, Verständnis für den Unternehmer weit über seine reinen Firmenbelange hinaus und für die Belange der Region und deren Entwicklung kompetent auftreten. Dabei macht die Bank vor Ort dem Familienunternehmer in seiner privaten wie seiner unternehmerischen Sphäre das gesamte Allfinanzangebot des Verbundes zugänglich. Wann immer Spezia-listen-Know-how erforderlich ist, greift die Ortsbank auf die Verbundunternehmen und deren Produkt- und Strukturierungskompetenz zurück.

Um dieses Konzept in zusätzliche Marktanteile und Ertragspotenziale tatsächlich umzusetzen, bedarf es allerdings einer beschleunigten Weiterentwicklung des strategischen Selbstverständnisses des genossenschaftlichen Finanzverbundes im Firmenkundengeschäft. Ebenfalls sind die gegebenen Verbundstrukturen mit Blick auf eine Verständigung auf gemeinsame Ziele und neue Effizienz der Arbeitsteiligkeit zu überprüfen.

Eigener Arbeitsausschuss

Der Bundesverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) hat die strategische Führungskompetenz für den Verbund. Das "Strategische Programm" wird dabei wesentlich von den Fachräten erarbeitet, die sich aus Ortsbanken, Verbundunternehmen und Verbänden zusammensetzen. Zur klareren Zielbestimmung im Firmenkundengeschäft war die Einrichtung eines eigenen Arbeitsausschusses Firmenkundengeschäft (neben Privatkundengeschäft) im Rahmen des "Fachrates Markt" Anfang dieses Jahres wesentliche Voraussetzung für eine schnellere Entwicklung von gemeinsamen Positionen in der Ausrichtung dieses Kerngeschäftsfeldes. Der Arbeitsausschuss wird den Fachrat Markt entscheidend unterstützen können.

Grundsätzlich gilt: Ohne Strukturanpassungen werden auch die Strukturen der Ertrags- und Ergebnisströme auf den jeweiligen Ebenen der Marktbearbeitung (Ortsbanken, Verbundunternehmen) nicht verändert werden können. Wenn der Sektor beziehungsweise einzelne Banken einmal für sich das Geschäftsfeld Firmenkunden als Kerngeschäftsfeld definiert haben, ist die Voraussetzung für einen erfolgreichen Marktanteilsausbau die konsequente Schaffung entsprechender interner Strukturen in der einzelnen Bank. Dies beginnt bei der Einrichtung eines Vorstandsressorts Firmenkunden, setzt sich über entsprechende Bereichsleiter/Firmen-kundenbetreuer-Gruppen nach Kundensegmenten und/oder Vertriebsgebieten fort und findet seine Entsprechung auf der Marktfolgeseite, in dem auch dort "aufgerüstet" wird.

Gemeinsame Marktbearbeitungsziele

Viele Banken sind auf diesem Weg schon heute Benchmark für die Gruppe. Sie stellen naturgemäß besondere Anforderungen an ihre Zentralbank. Die DZ Bank hat sich hierauf ausgerichtet und arbeitet zurzeit nach dem sogenannten Leuchtturmbankenkonzept intensiv mit zirka 60 Volksbanken und Raiffeisenbanken im Firmenkundengeschäft zusammen. Diese Zusammenarbeit beinhaltet gemeinsame Marktbearbeitungsziele, Einzelkundenplanungen sowie Zeitplanfestlegungen. Die Bank ist dabei der Katalysator für alle Firmenkundenprodukte der Bank und zunehmend auch von Verbundunternehmen (Vertriebskoordination mit VR-Leasing, DG Hyp oder der R+V-Gruppe). Die Bank beabsichtigt, dieses Konzept weiterzuentwickeln und die Zusammenarbeit mit den Ortsbanken bedarfsorientiert zu intensivieren. Damit leistet sie einen nachhaltigen Beitrag zum Ausbau des Firmenkundengeschäftes im Verbund.

Selbstverständlich steht die Bank auch den Banken, die eine Zusammenarbeit im Firmenkundengeschäft nur sehr selektiv und anlassbezogen wünschen, wie bislang zur Verfügung. Die Schwerpunktaktivitäten werden sich aber naturgemäß auf die potenzialstärksten Regionen und die Banken konzentrieren, die kompetente Firmenkundenbereiche aufgebaut haben. Da der genossenschaftliche Bankensektor in manchen großen Metropolen unterrepräsentiert sind, wird zurzeit die Verständigung auf ein Ballungsraumkonzept adressiert. Auch hier wird das Firmenkundengeschäft eine wesentliche Rolle spielen, Marktanteile gegenüber den Wettbewerbern verstärkt aufzuholen.

Das Kreditgeschäft wird bei allem Bemühen um Cross-Selling und Allfinanzangebote Kerngeschäft im Mittelstandsmarkt bleiben. Die DZ Bank hat dabei ihre Flexibilität gegenüber Kreditentscheidungen in der Vergangenheit und auf Wunsch der Ortsbanken deutlich erhöht. Es gibt aber auch noch Raum für weitere Fortschritte. Noch wichtiger wäre eine Weiterentwicklung der Kreditprozesse. Da sich die nicht zufriedenstellende Margensituation im Firmenkundengeschäft in Deutschland nicht verändern wird, kommt es darauf an, die Kreditbearbeitungskosten weiter deutlich zu senken. Die Organisation leistet sich zurzeit noch 1 300 unabhängige und unterschiedliche Kreditbearbeitungsprozesse.

Vereinheitlichung der Kreditbearbeitung

Auch wenn es hier sicher kein einfaches Rezept zur Vereinheitlichung der Prozesse gibt, so wird auch der genossenschaftliche Finanzverbund in der arbeitsteiligen Zusammenarbeit zwischen Zentralbank und Volksbanken und Raiffeisenbanken nicht um eine Standardisierung und Prozessverschlankung herumkommen. Wenn der Verbund auf Dauer zu teuer produziert, wird seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Organisationen so stark beeinträchtigt sein, dass das Geschäft nicht rentabel betrieben werden kann. Es wäre wünschenswert, hier im Rahmen eines "Forschungs- und Entwicklungsprojektes" einen weitgehend vereinheitlichten, schlanken und vor allem allgemein verbindlichen Prozess zu entwickeln, ähnlich wie dies zum Beispiel im Fördermittelgeschäft oder bei Baufinanzierungen schon der Fall ist.

Der genossenschaftliche Finanzverbund ist insgesamt gut positioniert, um diese Herausforderungen anzunehmen. Die Bereitschaft zu Strukturveränderungen ist bei vielen Entscheidungsträgern heute gegeben. Daher kommt es nun darauf an, das Firmenkundengeschäft zum Kerngeschäft zu erklären, ein gemeinsames einheitliches Marketingkonzept zur Verbesserung der Kompetenzvermutung zu entwickeln, die Bearbeitungsprozesse zu verbilligen und gemeinsam vor allem zu bedenken, dass der Markt auch hier zu raschem Handeln zwingt.

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