Gespräch des Tages

Genossenschaftsbanken - Geräuschlose Präsidentenkür

Dass Personalentscheidungen im Bankensektor wie in anderen Branchen stark vom aktuellen Umfeld abhängen und damit in gewissem Maße von schwer kalkulierbaren Nebenbedingungen beeinflusst werden können, lässt sich dieser Tage in beiden Verbünden beobachten. Ohne die notwendig gewordenen Koalitionsverhandlungen zwischen CSU und FDP in Bayern und den dadurch bedingten Zeitdruck für die Kür des dortigen Ministerpräsidenten wäre es beispielsweise kaum zu einer solch heftigen Debatte um die Verantwortung der Vorstandsriege der Bayern-LB für die Schieflage der Bank gekommen. Bemerkenswert war dann zwar das Engagement von Belegschaft und Sparkassenseite für den amtierenden Vorstand um Michael Kemmer (siehe auch "Wenn Menschen weinen"). Schaden hat aber sowohl die Landesbank und ihre Führungsspitze als auch die Politik davongetragen. Just in der Startphase des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung SoFFin lieferte jedenfalls die bayerische Vorstellung eher ein Warnsignal gegen jede noch stärkere Vermischung von Politik und Bank geschäft.

Im Genossenschaftssektor hatte die Finanzmarktkrise eher eine ablenkende Wirkung auf eine wichtige Personalentscheidung. Durch die so überaus ereignisreichen Marktturbulenzen bewegte sich die Wahl des neuen Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken im Vorfeld in ungewohnt ruhigen Bahnen. Zwar gab es nach dem Ausscheiden von Christopher Pleister in den gut drei Monaten der Vakanz das eine oder andere Signal für die Positionierung von geeigneten Kandidaten. Aber die Präsidentenkür lief insgesamt doch sehr geräuschlos ab. Zu verdanken war diese unspektakuläre Wahlprozedur nicht zuletzt der geringen direkten Verstrickung des Genossenschaftssektors in die Finanzkrise. Über die gesamten Sommermonate hinweg wurden die täglichen Schlagzeilen maßgeblich von anderen Bankengruppen geliefert. Ein BVR-Präsident, der öffentlich die Richtung vorgeben musste, war gar nicht so dringlich gefordert. Und als auch die Volks- und Raiffeisenbanken ab Mitte September 2008, im Zuge der Domino-Effekte nach der Pleite von Lehman Brothers in punkto Einlagensicherung Flagge zeigen mussten, stand im amtierenden BVR-Vorstand mit Gerhard Hofmann ein ausgewiesener Kenner von Aufsichtsfragen zu Stellungnahmen bereit.

Die Einigung des BVR-Verwaltungsrates auf Uwe Fröhlich als neuen BVR-Präsidenten fällt nun in eine Zeit der bislang ausgesprochen diskret verhandelten Bündelung auf Zentralbankebene sowie der anstehenden Konzentration der Regionalverbände in Baden-Württemberg sowie Frankfurt und Hannover. Der Neue in Berlin hat es somit um sich herum gleich mit mehreren anderen Machtzentren zu tun, die in den kommenden Monaten selbst noch ihre richtige Einordnung in die genossenschaftliche Balance finden müssen. Er kennt dabei aus eigenem Erleben bei der Ber liner Volksbank den Markt der Primärbanken und deren tägliches Ringen um die überlebenswichtigen Erlösströme. Und sein beruflicher Werdegang in der IT-Branche verheißt ein Gespür für das technisch Machbare sowie die realistischen Zeitläufe seiner Umsetzung. Beides wird sicher eine konstruktive Kommunikation über die strategische Ausrichtung der Gruppe als Ganzes erleichtern. Doch alles Verständnis für die Nöte der Primären schafft allenfalls eine günstige Ausgangslage für Harmonie und Fortschritte der gemeinsamen genossenschaftlichen Idee nach innen. Darüber hinaus dürfte die anstehende Neuaufstellung der deutschen Kreditwirtschaft schon sehr bald wieder eine starke Stimme des BVR-Präsidenten als Sprachrohr der Gruppe nach außen erfordern. Die Profilierung im Gruppenwettbewerb bleibt für jeden Neuen eine große Herausforderung.

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