Sparkassentag 2013 Aufsätze

Das Geschäftsmodell der Sparkassen in Zeiten von Regulierung und Verbraucherschutz - wie viel Regulierung ist gut für die Kunden?

Im Mittelpunkt des Geschäftsmodells der Sparkassen steht der Kunde und die Förderung des Geschäftsgebietes, in dem sie die Menschen mit umfassenden Finanzdienstleistungen versorgen und Investitionen ermöglichen. Sparkassen sind der Realwirtschaft verpflichtet, ihr Geschäft ist weniger mit Risiko behaftet als das der privaten Geschäftsbanken, und sie sorgen damit für eine stabile wirtschaftliche Lage. Sie sammeln Kapital ein und führen dieses sinnvollen Investitionen zu. Hierfür müssen sie den Anlegern die Sicherheit bieten, dass das Kapital in seinem Bestand erhalten bleibt - und darüber hinaus noch eine gewisse Rendite gewährleisten.

Auf der anderen Seite müssen sie Investitionen auf ihre Wirtschaftlichkeit und ihre Risiken überprüfen und bewerten. Genau das machen Sparkassen seit mehr als 200 Jahren sehr erfolgreich. Die persönlichen, langfristigen Beziehungen und die damit einhergehenden genauen Kenntnisse ihrer Kunden und der regionalen Gegebenheiten ermöglichen eine individuelle Versorgung jedes Kunden - ob Privatkunde oder Unternehmer - mit den passenden Finanzdienstleistungen. Die Kunden danken es den Sparkassen mit dem Vertrauen, das sie ihnen entgegenbringen. Und Vertrauen ist der wichtigste Faktor im Bankgeschäft.

Funktionierende Geschäftsmodelle gefährdet

Die kreditwirtschaftlichen Strukturen, die sich über Jahrzehnte und auch in der Finanzmarktkrise bewährt haben, drohen nun nachhaltig beschädigt zu werden. Am Anfang stand eine Krise mit vielen Gesichtern: Subprime-, Finanzmarkt-, Liquiditäts-, Staatsschuldenkrise. Die Finanzmärkte wurden in den vergangenen Jahren immer wieder durch eklatante Fehlentwicklungen erschüttert. Es lässt sich auch nicht leugnen, dass die Finanzbranche einen wesentlichen Anteil an diesen Entwicklungen hat. Die Deregulierung, die die Finanzmärkte jahrelang beherrschte, war weder für die Branche und ihre Kunden noch für die Weltwirtschaft gesund. Viele Kreditinstitute hatten sich zu weit vom klassischen kreditwirtschaftlichen Modell entfernt und müssen umdenken.

Daher sind einige der Überlegungen und neuen Regeln, die vor künftigen Finanzkrisen bewahren sollen, auch gut. Entscheidend ist jedoch, dass Regulierungen richtig dosiert, die Neben- und Wechselwirkungen der einzelnen Maßnahmen bedacht und mehr nach Kreditinstitutsgruppen und Risiken differenziert werden. Im Zentrum sollte die Frage stehen: Welche Maßnahmen nutzen wirklich dem Kunden? Das ist bisher nicht der Fall. Im Gegenteil: Bei der derzeitigen Diskussion in den Medien und der nationalen sowie internationalen Politik, die den Druck auf die Finanzdienstleistungsindustrie stetig erhöht, droht das Geschäftsmodell der Sparkassen und Volksbanken auf der Strecke zu bleiben. Obwohl doch eigentlich der Kunde im Fokus stehen sollte, rückt immer mehr ein anderer Faktor in den Mittelpunkt: Die Regulierung - mit weitreichenden Folgen:

Für den weiteren wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands ist ein starker, innovativer Mittelstand, der investiert und wächst, von entscheidender Bedeutung. Sparkassen leben das Prinzip der Dezentralität und bilden das finanzwirtschaftliche Spiegelbild zur Realwirtschaft. Denn sie können flexibel agieren und den mittelständischen Unternehmen die Finanzdienstleistungen anbieten, die sie brauchen und vor allem dort, wo sie gebraucht werden. Sparkassen richten ihre Geschäftspolitik auf die Erhaltung und Weiterentwicklung der heimischen Wirtschaftskraft aus. Sie sind, gemeinsam mit ihren Verbundpartnern, für die Privatkunden und den Mittelstand die wichtigsten Finanzpartner. Und darüber hinaus sind sie ein wichtiger Arbeitgeber, der überall in Deutschland hochwertige Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Die deutsche Wirtschaft braucht Sparkassen, doch gerade sie geraten angesichts der Regulierungsmaßnahmen massiv unter Druck. Besonders deutlich wird das beim Verbraucherschutz, der immer wieder Gegenstand der öffentlichen Debatte ist.

Ausschluss von Kunden von der Beratung

Das Geschäftsmodell der Sparkassen basiert auf dem Grundsatz, alle Kunden - egal welcher Einkommensklasse - mit den passenden Finanzdienstleistungen zu versorgen. Mit dem Finanzkonzept beraten Sparkassen jeden Kunden ganzheitlich und damit gut. Sie legen Wert auf eine bedarfsgerechte Beratung, qualitativ hochwertige Produkte sowie eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Berater und Kunde. So verstehen sie Verbraucherschutz und so leben sie diesen. Gerade die provisionsbasierte Beratung sichert eine flächendeckende, allen Bevölkerungsschichten zugängliche Beratung. Das gilt vor allem für Kunden, die darauf in besonderem Maße angewiesen sind.

Die EU-Pläne zur Honorarberatung werden daher nicht dazu beitragen, dass Verbraucher besser geschützt sind. Vielmehr sorgen sie dafür, dass ein Teil der Kunden von der Beratung aus geschlossen wird - weil sie sich die hohen Stundensätze der Honorarberater nicht leisten können. Für das Geschäftsmodell der Sparkassen bedeutet das, dass sie Beratung nur noch für wenige Kundengruppen in den oberen Einkommensklassen anbieten könnten. Der Geschäftsansatz der Sparkassen würde damit konterkariert, gleichzeitig jedoch die freien Berater gestärkt, die in den Zuständigkeitsbereich der Gewerbeaufsicht fallen und sich den neuen Regeln und Anforderungen nicht unterwerfen müssen.

Bürokratie, Kosten und Auflagen führen nicht zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes. In der Wertpapierberatung kommt es darauf an, die individuell richtige Mischung mit Blick auf Anlageziele und Risikoneigung zu finden. Voraussetzung dafür ist eine ausführliche Beratung mit einem ganzheitlichen Ansatz. Bürokratie und Auflagen kosten vor allem Zeit - Zeit, die dann bei der eigentlichen Beratung fehlt. Mittelbar hat das auch Auswirkungen auf die Kostenseite. Wenn mit überzogenen bürokratischen Anforderungen eine ordentliche Wertpapierberatung erschwert und verteuert wird, wird diese langsam aber sicher aus der Fläche verschwinden.

Das führt dazu, dass die Kunden entweder in das beratungs- und weitgehend bürokratiefreie Online-Geschäft abwandern oder mangels Beratung vor Ort gar nicht mehr in Wertpapiere investieren. Diese Entwicklung schließt breite Kundengruppen von sinnvoll geplanten Anlagen in Wertpapiere und damit von bestehenden Chancen aus. Und es beschädigt die Aktienkultur in der größten Volkswirtschaft Europas erheblich.

Sparkassen kennen ihre Kunden, wissen sie einzuschätzen und können so Risiken für beide Seiten begrenzen. Darüber hinaus agieren sie getreu ihrer Prinzipien von Nähe, Nachhaltigkeit und Wachstum. Die Regulierer sollten sich doch ebenso an Nachhaltigkeit orientieren, wie die Kreditinstitute, von denen sie das verlangen.

Risiken durch unregulierte Märkte

Die Anforderungen, die undifferenziert an alle Kreditinstitute gestellt werden, sind mannigfaltig. Neben dem Verbraucherschutz stehen auf der Agenda unter anderem die EU-Einlagensicherungsrichtlinie, Überlegungen zu einer Bankenunion und Basel III. Die Eigenvorsorge von Kreditinstituten zu verbessern und hohe Risikoneigungen einzudämmen ist grundsätzlich erstrebenswert. Die neuen Baseler Vorschriften sollen allerdings leider für alle Kreditinstitute und Wertpapierfirmen der EU gelten, nicht nur für die international tätigen und systemrelevanten Institute. In wesentlichen Teilen soll die Umsetzung per EU-Verordnung erfolgen. Eine Berücksichtigung nationaler Besonderheiten fällt dann schwer. Doch gerade die Anerkennung der besonderen kreditwirtschaftlichen Strukturen ist wichtig, damit man demjenigen gerecht wird, den die Regulierungsmaßnahmen letztlich dienen sollen: dem Kunden.

Heute weiß man, dass unregulierte Märkte Risiken entstehen lassen, die die Stabilität ganzer Volkswirtschaften gefährden. Die Finanzwirtschaft braucht Grenzen und sie braucht Regeln. Doch sollten die erkannten Fehlentwicklungen systematisch und zielgerichtet angegangen werden. Offen bleibt vor allem die Frage, ob nicht letztendlich der Kunde den Preis der Regulierung zu zahlen hätte.

Thomas Mang , Präsident, Sparkassenverband Niedersachsen, Hannover
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