Leitartikel

Gut gerüstet

Misst man das Wohlergehen der Asset-Management-Branche allein an der Entwicklung der verwalteten Vermögenswerte, muss man wirklich keine Sorgen haben. Die weltweiten Bestände haben sich einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group zufolge seit 2007 - trotz aller Widrigkeiten der Finanzkrise - per Ende vergangenen Jahres um ein Viertel auf 68,7 Billionen US-Dollar erhöht (siehe auch Gespräch des Tages). Für die hiesige Branche zeigt die Statistik des Branchenverbandes BVI eine ähnlich erfreuliche Entwicklung. Auf 2,105 Billionen Euro summiert sich per Ende 2013 das verwaltete Vermögen in Spezialfonds (1 071 Milliarden Euro), in Publikumsfonds (716 Milliarden Euro) und Vermögen außerhalb von Investmentfonds (318 Milliarden Euro). Das sind rund 24 Prozent mehr als zum Jahresende 2007. Per Ende Mai des laufenden Jahres steht ein weiterer Zuwachs auf 2,219 Billionen Euro zu Buche. Einmal mehr wird dabei das Neugeschäft ganz maßgeblich durch den Zufluss von knapp 30,5 Milliarden Euro zu Spezialfonds gespeist, aber auch die Publikumsfonds bringen es im bisherigen Jahresverlauf auf ein ansehnliches Plus von 13,2 Milliarden Euro.

Das institutionelle Asset Management steht damit weiterhin auf der Sonnenseite der Marktentwicklung in Deutschland. Allein das verwaltete Vermögen der Spezialfonds ist laut BVI-Statistik im Zeitfenster 2007 bis 2013 um fast 55 Prozent gestiegen. Dass der anhaltende Zuspruch für den Spezialfonds auch im Zeitalter des neuen KAGBs für die deutsche Investmentbranche nicht ohne Herausforderung bleibt, zeigt ein Blick auf die aktuelle Verteilung auf die Anlegergruppen (siehe Übersicht Seite 814). Von dem Fondsvermögen der Spezialfonds von 1,142 Billionen Euro per Ende Mai dieses Jahres entfallen demnach 209,4 Milliarden Euro beziehungsweise 18,3 Prozent auf Altersvorsorgeeinrichtungen und das Gros von 453,4 Milliarden Euro beziehungsweise 39,7 Prozent auf Versicherungen.

Gerade für diese beiden wichtigsten Investorengruppen mit einem Anteil am gesamten Spezialfondsvermögen von rund 58 Prozent muss die Fondsbranche durch neue Eigenkapital- und Anlagevorschriften zumindest indirekt einen erschwerten Zugang zu Spezialfonds befürchten. Noch viel konkreter als unter den noch nicht genau abzuschätzenden Folgen der Überarbeitung der Anlageverordnung leiden Versicherungen und Altersvorsorgeeinrichtungen aber einstweilen unter der aktuellen Geldpolitik der Notenbanken. Sie suchen unter der anhaltenden Niedrigzinspolitik der Zentralbanken nach Wegen, im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Möglichkeiten der Vermögensanlage, die notwendigen Erträge zu erzielen. Zentrale Frage: Mit welchen Anlagestrategien, Produkten und Methoden des Risikomanagements lassen sich die eingegangenen Langfristverbindlichkeiten gegenüber den Kunden erfüllen? Weil die Leistungsversprechen im Spektrum der sicheren und vergleichsweise risikolosen Anlageformen unter den derzeitigen Kapitalmarktbedingungen immer schwieriger einzuhalten sind, stehen die institutionellen Anleger dabei unter einem wachsenden Druck. Den Asset Managern mit den besten Ideen und Konzepten bieten sich Chancen auf Zusatzgeschäft durch neue Mandate, dem Rest droht der Abfluss von Kundengeldern.

Diese Ausgangslage verlangt größere Flexibilität auf beiden Marktseiten. Seitens der institutionellen Investoren erweitert sie fast zwangsläufig den Horizont für neue Wege in der Anlagepolitik unter Inkaufnahme einer beherrschbaren Ausweitung der Risikobereitschaft. Und unter den Anbietern fördert sie im Rahmen der permanent zunehmenden Regulierungsvorschriften den sportlichen Wettbewerb um die überzeugende Lösung oder das beste Produkt - angefangen von besonders ausgefeilten ganzheitlichen Anlage- und Risikostrategien bis hin zur gezielten Ergänzung des Anlagespektrums durch Spezialitäten. Dass die Anforderungen an das institutionelle Asset Management seit den Zeiten der Finanzkrise noch einmal komplexer geworden sind, korrespondiert mit einer Erkenntnis der eingangs erwähnten BCG-Studie. Konnten demnach in den Jahren 2003 und 2008 noch rund 63 beziehungsweise 56 Prozent der weltweit betrachteten Vermögenswerte dem aktiven Management von Kern-Assets zugeordnet werden, wird deren Anteil für 2013 nur noch auf 45 Prozent veranschlagt. Deutlich gestiegen ist hingegen der Anteil der Alternativen Investments (etwa Hedge Funds, Private Equity, Infrastruktur und Rohstoffen), der aktiv gemanagten Spezialitäten (wie Bank Loans oder Nontraditional Bonds), der Lösungsangebote (wie Zielfonds oder Absolute Return Fonds) und nicht zuletzt der passiv gemanagten Produkte.

Von einem Siegeszug des passiven Portfoliomanagements wollen die hiesigen Asset Manager speziell im institutionellen Geschäft gleichwohl nichts wissen. Wie die Beiträge dieses Heftes unterstreichen, setzen sie bei aller Komplexität der Anlage, der Steuerung und der Kontrolle eindeutig auf das aktive Portfoliomanagement. Der Einsatz von Multi-Asset-Strategien mit einer klugen Kombination von traditionellen Assets, liquiden Alternative Assets sowie Alpha- und Beta-Strategien gehört ebenso zu den vorgestellten Lösungsansätzen wie die systematische Suche nach dem idealen Timing beim Einsatz unterschiedlicher Investmentstile zur Vereinnahmung von Risikoprämien bei Aktienanlagen. Zudem kann es in dem von diversen Krisen geprägten globalen Marktumfeld zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal werden, wenn man die politischen und wirtschaftlichen Instabilitäten in den verschiedensten Ländern in seinen Anlagestrategien besser erfasst als die Konkurrenz.

Andere Autoren setzen auf die Ausnutzung von Zinsdifferenzen an den Devisenmärkten der Schwellenländer, konzentrieren sich auf die systematische Suche nach erfolgreichen Nebenwerten und innovativen Geschäftsideen oder empfehlen angesichts einer niedrigen Korrelation mit traditionellen Anlageklassen die Beimischung von Senior Loans beziehungsweise die Auflage von nicht unmittelbar am Kapitalmarkt gehandelten Kreditfonds. Speziell für die auf langfristig stabile Investments angewiesene Versicherungswirtschaft werden zudem immer wieder die Vorteile von Infrastrukturinvestments ins Spiel gebracht, die auch von politischer Seite eine große Sympathie genießen, in der praktischen Handhabung aber noch auf stabilere politische Rahmenbedingungen warten. Kurz gesagt, die hiesigen Asset Manager verbreiten rundum Zuversicht, die Anforderungen der institutionellen Investoren mit aktiven Anlagekonzepten am besten lösen zu können.

Gleichermaßen Unwägbarkeiten wie auch Chancen erwachsen der Branche allerdings durch veränderte Rahmenbedingungen, etwa aus dem Zusammenwachsen von offenen und geschlossenen Fonds unter dem neuen KAGB-Regime. Die neuen Verwahrstellen locken schon mit verbesserten Möglichkeiten des Reporting und der Steuerung. Störfeuer drohen immer wieder von der regulatorischen Seite, aktuell beispielsweise den Auswirkungen der europäischen Trennbankdiskussion auf die Asset Manager der beiden großen Verbünde. Insgesamt darf die Branche aber zuversichtlich sein. Sie hat alle Herausforderungen der vergangenen Jahre gemeistert und ist für neue gewappnet.

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