Leitartikel

Gut versorgt

Bankgeschäft ist Vertrauenssache! Das heißt, ohne Vertrauen, ohne Kredit kann das Bankwesen nicht funktionieren. Von daher ist das Ringen um die Rettung des zypriotischen Bankensystems mit größter Aufmerksamkeit zu beobachten. Nicht, dass hiervon das Wohl oder Wehe Europas oder seiner Banken abhinge. Dafür ist die Mittelmeerinsel dann doch zu klein und sind die derzeit durch die Notenbank gesperrten Mittel vor allem das Schwarzgeld russischer Steuerflüchtlinge. Aber die Grundidee, Sparer an der Rettung maroder Banken zu beteiligen ist ein Tabubruch und könnte das Vertrauen nachhaltig beschädigen - nicht nur in die Banken, sondern auch und vor allem in die Zusagen der Politiker. Wer will künftig noch ernsthaft glauben, dass Politiker unter Druck sich an ehemalige Versprechen erinnern. Denn auch wenn es jetzt anders kommen mag und nur Vermögen von mehr als einhunderttausend Euro mit einer Zwangssteuer belastet werden, die ursprünglichen Überlegungen, auch Kleinstsparer unter dieser innerhalb der EU als gesicherte Grenze geltenden Schwelle mit einzubeziehen, erhöhen die Nervosität der An- und Einleger spürbar und zu Recht.

Angela Merkel, die sonst ja nicht unbedingt dadurch hervorragt, schnell zu reagieren, sah diesmal sehr wohl eine Gefahr, denn noch am selben Abend, als erstmals die Schröpfung der Kleinanleger diskutiert wurde, ließ sie über den Regierungssprecher verkünden, das Versprechen von 2008 gelte immer noch: Das Geld deutscher Sparer sei sicher, das garantiere die Bundesregierung. Das glauben ihr aber längst nicht mehr alle Bundesbürger. Aktuellen Umfragen zufolge machen sich mittlerweile stolze 49 Prozent der Menschen Sorgen um ihre Ersparnisse, vor gut einem halben Jahr waren es gerade einmal 39 Prozent.

Sind diese Sorgen der Sparer berechtigt? Wohl kaum, auch wenn die Bundesregierung mit dem etwas forcierten Rückzug aus der Commerzbank nicht gerade zur Vertrauensbildung beiträgt. Hat jetzt auch die Politik den Glauben in Deutschlands zweitgrößte Bank verloren und will lieber heute als morgen aussteigen? Denn betriebswirtschaftlich ist der Wandel von der stillen Einlage des Bundes hin zu einer vom Markt abhängigen Refinanzierung keineswegs sinnvoll. Er kostet viel Geld und vernichtet wieder einmal Werte. Eine Kapitalerhöhung, die nur weit unter dem Allzeittief (garantiert) platziert werden konnte, zeugt nicht gerade von überbordendem Interesse und schickte den Kurs der Commerzbank umgehend auf Talfahrt - mal eben wurden an zwei Handelstagen 19 Prozent des Börsenwertes oder 1,6 Milliarden Euro geopfert.

Egal, denn offensichtlich wollte man dieses Thema in der Koalition noch schnell vor dem richtigen Einstieg in den Wahlkampf zur nächsten Bundestagswahl vom Tisch haben - zu leicht lässt sich derzeit mit der (nicht immer, aber oft gerechtfertigten) Kritik an Banken Stimmung machen. Der Vorstand der Commerzbank hat sich gegen diesen - noch einmal - betriebswirtschaftlich unsinnigen Schritt nicht lautstark gewehrt, manch einer frotzelt, schließlich sei nun die Gehaltsdeckelung ja aufgehoben. Und auch die privaten Banken wollten an der Front offensichtlich für Ruhe sorgen, immerhin garantieren mit Deutscher Bank und Hypo-Vereinsbank zwei der führenden BdB-Institute als Konsortialbanken die Kapitalerhöhung.

Die Verbraucher haben kein Vertrauen mehr, die Politik selbst als Eigentümer offensichtlich auch nicht, da bleibt nur noch der Interbankenmarkt als Gradmesser für die Stabilität und Solidität der Banken, denn wenn sich schon die Profis untereinander nicht trauen ...? Manch eine Unke wollte es denn auch gleich als schlechtes Zeichen deuten, dass deutlich weniger Institute die Mittel aus den EZB-Tendern zurückgezahlt hatten, als zunächst angenommen. Doch Bankgeschäft ist nicht nur Vertrauenssache, sondern Bankgeschäft ist auch das Erkennen und Wahrnehmen von Gelegenheiten, um Geld zu verdienen beziehungsweise um weniger Geld auszugeben. Und warum sollte man einen extrem billigen EZB-Tender zurückzahlen, nur um sich dann deutlich teurer frische Mittel am Kapitalmarkt oder von den Sparern zu holen? Zum anderen wird aber auch deutlich, dass durch das Eingreifen der Notenbanken derzeit wahrlich kein Liquiditätsengpass bei deutschen Banken herrscht - die Institute sind weiterhin gut versorgt. Das gilt im Übrigen auch für die anderen Banken Europas, die vorhandene Überschussliquidität im Euroraum beträgt derzeit rund eine halbe Milliarde Euro.

Dieses Geld wird zumindest in der Bundesrepublik keineswegs nur dazu verwendet, Liquiditätskennziffern zu erfüllen, privaten wie gewerblichen Kunden Kredit zu gewähren oder es kurzfristig bei der EZB zu parken, sondern laut Bankenstatistik der Bundesbank hat sich auch in den Geschäften der Banken untereinander zumindest dem Volumen nach wenig verändert: Betrugen die Kredite an inländische Banken im Jahr 2005 noch 1,684 Billionen Euro, stiegen diese über 1,726 Billionen Euro im Dezember 2011 auf stolze 1,969 Billionen Euro im April 2012, um schließlich in den vergangenen vier Monaten wieder um 1,65 Billionen Euro zu pendeln. Lediglich die Fristigkeiten haben sich verschoben, es werden deutlich mehr Kredite kurz- und mittelfristig vergeben, nur noch 53,9 Prozent aller Guthaben und Buchkredite werden laut Bundesbankstatistik langfristig verliehen, 2005 waren es noch 56,8 Prozent.

Und auch das unbesicherte Finanzierungsgeschäft, das zweifelsohne schwieriger geworden ist - aber was geht heute schon noch ohne Sicherheiten - ist hierzulande keineswegs so stark eingebrochen, wie von den Experten befürchtet wurde. "Während im Jahr 2012 die Umsätze unbesicherter Geldmarkttransaktionen in Europa um rund 35 Prozent sanken, stiegen diese in Deutschland sogar um sechs Prozent. Der Grund lag in den zahlreichen Transaktionen innerhalb der Verbünde, etwa zwischen Landesbanken und Sparkassen oder auch zwischen genossenschaftlichen Zentralbanken und Volks- und Raiffeisenbanken", so schreiben Bundesbankvorstand Joachim Nagel und Carsten Hartkopf in dieser Ausgabe. Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken scheinen also auch hier ihre stabilisierende Wirkung zu entfalten, auch wenn natürlich angemerkt werden muss, dass diese Mittel in der Regel in den Verbünden bleiben und nicht für andere Banken zur Verfügung stehen.

Deutschland ist in einem erschütterten Europa eine Insel der Seligen. Mit 1,5 Prozent liegt die Inflationsrate nicht nur deutlich unter der Marke von zwei Prozent, sondern ist auch noch auf den niedrigsten Stand seit über zwei Jahren gefallen. Die Insolvenzzahlen bewegen sich auf dem niedrigsten Niveau seit mehr als sieben Jahren. Und 2012 war für den deutschen Arbeits markt das beste Jahr seit mehr als zwei Jahrzehnten. Natürlich ist das Eingreifen der Notenbanken in die Liquiditätsversorgung der Kreditwirtschaft aus marktwirtschaftlicher Sicht skeptisch zu beurteilen. Aber zum einen erfolgt hier in Deutschland die Bankenrefinanzierung zu fast 60 Prozent über Einlagen der Sparer, sodass die Institute von den Engpässen bei der kapitalmarktbasierten Refinanzierung nicht so stark betroffen sind wie anderswo in Europa. Zum anderen wird dadurch für Stabilität gesorgt und ein noch stärkeres Durchschlagen auf die Realwirtschaft und die privaten Kunden verhindert. Denn dass keineswegs die Institute selbst höhere Refinanzierungs- beziehungsweise Risikokosten tragen, sondern diese eifrig an die verehrte Kundschaft durchreichen würden, ist auch klar. Somit sind doch zumindest hierzulande eigentlich alle gut versorgt - noch!

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