Aufsätze

Gute Corporate Governance als Bindeglied zwischen Banken und Unternehmen

Die Verbindung zwischen Banken und Unternehmen hat sich im Verlauf des Berufslebens von Martin Kohlhaussen, grundlegend verändert. Während noch bis weit in die 1990er Jahre hinein die Unternehmen eine mehr oder weniger enge Beziehung zu ihrer Hausbank hatten, pflegen sie heute ein deutlich "entkoppelteres" Arbeitsverhältnis zu Finanzdienstleistungsinstituten. Zugleich halten Banken immer weniger Unternehmensbeteiligungen und belassen kaum noch Unternehmenskredite in ihren Büchern. Persönliche Beziehungen bilden dennoch weiterhin die Grundlage für das langfristige Vertrauen untereinander; ihre Bedeutung steigt sogar, denn Banking ist und bleibt "People Business".

Unternehmensfinanzierung breiter angelegt

Zunächst zu dem veränderten institutionellen Verhältnis zwischen Banken und Unternehmen: Die Entwicklung der internationalen Eigen- und Fremdkapitalmärkte zeigt deutlich, dass die klassische Kreditfinanzierung durch einige wenige Banken inzwischen der Vergangenheit angehört. Vielmehr legen die Unternehmen ihre Finanzierung heute breit an und arbeiten mit unterschiedlichen Anbietern, wobei sie sämtliche Formen von Eigenkapital, Mezzanin- und Fremdkapital nutzen.

Immer neue Produkte passen in sogenannten "intelligenten" Strukturen die Finanzierung exakt auf die jeweiligen Unternehmensfunktionen und -strategien an - auf Akquisitionen, Investitionen oder andere substanzielle Veränderungen der Unternehmensentwicklung. Das gilt auch für die Begleitung von international tätigen Unternehmen in den relevanten Weltregionen, beim Einkauf oder in der Produktion. Insgesamt werden die vielfältigen finanziellen Bedürfnisse und Anforderungen heute viel moderner als noch vor etwa zehn bis 15 Jahren unterstützt. Das ist ein Vorteil für die industriellen Kunden - nicht nur für global orientierte Großunternehmen, sondern auch für den Mittelstand, der nicht jede Finanzdienstleistung im eigenen Haus vorhalten kann. Die Banken bieten ihren Unternehmenskunden einen bunten Strauß an Finanzprodukten und Finanzdienstleistungen sowohl im Investmentbanking als auch im Corporate Banking.

Ein wesentlicher Treiber dieser internationalen Entwicklung ist die sogenannte "Desintermediation" der Aktien- und Anleihenmärkte, die schon erwähnte Entkoppelung der wenigen, dafür aber engen Beziehungen zwischen einzelnen Unternehmen und Banken. "Basel II" und der damit verbundene Zwang zu einer nahezu ausschließlich an der Bonität eines Unternehmens ausgerichteten Kreditkonditionierung taten ein Übriges, um die Kreditvergabe zu standardisieren. Zudem entwickelte sich Private Equity, die private Bereitstellung von Beteiligungskapital, zum starken Gegenstück von Public Equity, dem börsengehandelten Eigenkapital.

Neue institutionelle Spielregeln

All diese Entwicklungen haben zu neuen institutionellen Spielregeln zwischen Unternehmen, Banken und anderen Teilnehmern der Kapitalmärkte - wie Analysten, Ratingagenturen und jüngst beispielsweise auch Hedge- oder Staatsfonds - geführt. Zudem wurde der International Financial Reporting Standard (IFRS) eingeführt, nach dem heute nicht nur große, sondern auch mittelständische kapitalmarktorientierte Unternehmen ihre Konzernabschlüsse aufstellen.

Zu den neuen Spiel- und Verhaltensregeln gehört auch Corporate Governance. Gute Unternehmensleitung und -kontrolle hat nämlich unter anderem eine offene und transparente Darstellung des "True-and-Fair-View" eines Unternehmens zur Folge. Diese Transparenz ist das Grundprinzip guter Corporate Governance. Sie bildet heute das entscheidende Bindeglied zwischen Banken und Unternehmen, denn Unternehmen brauchen auch im übertragenen Sinne Kredit vom Kapitalgeber. Der Wortstamm von Kredit - das lateinische "credere" - heißt nicht von ungefähr auch "vertrauen". Transparenz ist also auch in dieser Hinsicht der Schlüssel zum Erfolg für Unternehmen an den internationalen Kapitalmärkten.

Für gute Unternehmensleitung und -kontrolle stand, lange bevor der angelsächsische Begriff Corporate Governance auch in Kontinentaleuropa bekannt wurde, das Verhalten des "ehrbaren Kaufmanns" hanseatischer Prägung. In Deutschland fördert seit inzwischen sechs Jahren ein freiwilliges Regelwerk, der Deutsche Corporate Governance Kodex, gute Unternehmensführung.

Kommunikationsprozess mit den Kapitalgebern

Im Jahr 2001 wurde von der Bundesministerin der Justiz die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex berufen, die im Februar 2002 mit dem Kodex den bis dato fehlenden Leitfaden für gute Corporate Governance vorgelegt hat. Darin wurde zugleich der Versuch unternommen, das traditionelle Leitbild des ehrbaren Kaufmanns in ethisch verantwortbare Spielregeln in einer globalen Welt umzusetzen.

Diese Initiative hat sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Die Akzeptanz des Kodex liegt inzwischen bei über 80 Prozent, unter den Dax-Unternehmen bei mehr als 90 Prozent. Private und institutionelle Anleger im In- und Ausland nutzen ihn ebenso wie Aktionärsvertreter, Journalisten und interessierte Marktbeobachter. Die Empfehlungen und Anregungen des Kodex gelten als Referenzgröße, ob ein Unternehmen fair und offen handelt und dies auch so kommuniziert. Der Kodex ist zugleich auch eine Referenzgröße für alle Kapitalmarktteilnehmer, wie offen und fair sich Unternehmen in ihrer Finanzierung darstellen.

Ein eigenes Kodex-Kapitel "Transparenz" untermauert diesen Anspruch. Schließlich macht bereits heute eine Vielzahl internationaler Investoren ihre Anlageentscheidungen auch davon abhängig, wie gut ein Unternehmen in seiner Corporate Governance ist. Mit IFRS hat sich auch die Rechnungslegung hierzulande vom ursprünglichen Gläubigerschutz hin zu einer stärkeren Ausrichtung an Aktionärsinteressen und den Informationsbedürfnissen der Aktionäre entwickelt.

IFRS ist so gesehen die Überführung von internationalen Regeln in die nationale Rechnungslegung, ähnlich wie der Deutsche Corporate Governance Kodex die Corporate-Governance-Praxis an internationale Standards angleicht.

Einen transparenten "True-and-Fair-View" auf ein Unternehmen erwarten heute alle Beteiligten an der Kapitalbeschaffung. Ungeachtet des bereits beschriebenen Trends der abnehmenden Bedeutung von Hausbanken sowie der klassischen Kreditfinanzierung heißt es noch lange nicht, dass sich die Banken nicht weiter im Aktien- und Kreditgeschäft mit Industrieunternehmen engagieren. Da aber die einzelnen Institute im Zuge des Wandels die frühere Nähe zu den Unternehmen und damit auch ihren Wissensvorsprung verloren haben, verlangen die Kapitalgeber zu Recht ein Höchstmaß an Transparenz seitens der Kapitalnehmer. Also bildet Corporate Governance auch das Bindeglied zwischen Banken und Unternehmen.

Im Einzelnen erwarten die Kapitalgeber von ihren Kapitalnehmern nachvollziehbare und nachprüfbare Aussagen über die unternehmerische Strategie, die Positionierung im Markt, das Wachstums- und Ertragspotenzial des Unternehmens sowie über die Erfahrung und Kompetenz des Managements. Dieser Kommunikationsprozess erfolgt nicht nur über die Investor-Relations-Abteilungen in Form der Kommunikation mit Aktionären, sondern verstärkt auch über die Creditor-Re-lations-Abteilungen als Kommunikation mit Fremdkapitalgebern. Hinzu kommt die Bonitätsbeurteilung durch unabhängige Ratingagenturen.

Transparenz erwünscht

Unternehmen, die dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen wachsen. Zum Wachstum wird Kapital benötigt, das man in der Innenfinanzierung selbst erwirtschaftet und wieder investiert. In diesem Umfeld spielen Analysten-Meinungen und Ratingeinstufungen eine große Rolle, und zwar nicht zur Finanzierung selbst, sondern zu deren Erläuterung.

Klassische Finanzierungsdienstleistungen braucht man erst für die Außenfinanzierung, und das sowohl für das Eigenkapital als auch das Fremdkapital. Zwar ist die Eigenkapitalfinanzierung deutscher Unternehmen trotz aller Anstrengungen insgesamt nach wie vor vergleichsweise gering. Die sogenannte "Equitization" der deutschen Volkswirtschaft - das Verhältnis der Aktienkapitalisierung zum Bruttoinlandsprodukt - liegt deutlich unter Ländern wie den USA und der Schweiz. Selbst China rangiert inzwischen weit vor Deutschland.

Überkreuzbeteiligungen zwischen deutschen Aktiengesellschaften einschließlich der Beteiligungen der Banken wurden allerdings inzwischen weitestgehend abgebaut; die frühere "Deutschland AG" ist aufgelöst. Der Streubesitzanteil liegt auf dem Niveau von Großbritannien oder der Schweiz. Die formale Trennung auf der Eigenkapitalseite zwischen Banken und Unternehmen hat mithin stattgefunden. Damit ist Deutschland für internationale Investoren attraktiver geworden, zumal internationale Gepflogenheiten auch am deutschen Aktienmarkt heute Standard sind.

Das geringe Maß der Equitization in Deutschland bleibt für die Banken als Mittler im System eine große Herausforderung. Hier besteht für sie ein enormes Potenzial, die Aktiennachfrage, die bisher mangelnde Aktienkultur und auch Aktienfonds oder Pensionsfonds als Mittel der Altersvorsorge zu fördern.

Kapitalmarktorientierte Unternehmensfinanzierung

Ähnlich verhält es sich in Bezug auf das Fremdkapital: Modernes Finanzmanagement ist auch hier eine kapitalmarktorientierte Unternehmensfinanzierung. Nicht ohne Grund bieten Banken heute auch sogenannte "Debt Advisory Services" an, um vor allem den Mittelstand auf der Fremdkapitalseite kapitalmarktfähig zu machen.

Von Interesse ist auch, dass Banken inzwischen immer stärker eigene Ratings vornehmen, um am Ende wieder das zu tun, was früher auch eine klassische Hausbank getan hat: nämlich die Bonität eines Unternehmens so gut wie möglich selbst zu beurteilen und damit das Kreditausfallrisiko zu minimieren. Die Bedeutung der Banken hat sich auch auf der Fremdkapitalseite im Kern nicht geändert - lediglich der einzelne Kredit verbleibt eben nicht mehr in den Büchern der Banken.

Transparenz und Vertrauen sind und bleiben die Schlüsselfaktoren für den Erfolg einer kapitalmarktorientierten Unternehmensführung, und zwar sowohl beim Eigenkapital als auch beim Fremdkapital. Insofern ist Corporate Governance auch hier als Bindeglied von großer Bedeutung. Das Verhältnis zwischen Banken und Unternehmen hängt wesentlich von der Transparenz der Mittelherkunft für den gesamten Kapitalmarkt ab, seitdem die Unternehmen eben nicht mehr nur mit einer oder wenigen Hausbanken zusammenarbeiten.

Mehr Anonymität?

Man könnte angesichts der beschriebenen Entwicklung vermuten, dass sich das Verhältnis zwischen Banken und Unternehmen ebenfalls anonymisiert hätte: IFRS, Analysten, Rating, Equity und Debt Advisory haben weitestgehend die vielfältigen Aspekte der Beratung übernommen, die vor einer Finanzierung steht. Das ist aber nicht der Fall. Je mehr sich Industrieunternehmen von der einzelnen Institution der Finanzdienstleistung entfernen, weil das eigene Risiko breiter gestreut und der Einsatz eigenen Kapitals optimiert wird, desto wichtiger wird die Beziehung zwischen Bankern und Unternehmern.

Gerade der persönliche Kontakt zu den Bankenexperten wird wichtiger, und entsprechend wachsen die Bestrebungen, über eine solche Finanzdienstleistungsexpertise bei Bedarf in seinem Beratungsumfeld zu verfügen - sei es als Corporate Finance, M&A-Advisor oder eben Aufsichtsratsmitglied.

Personengetrieben

Es sind immer Personen, im Idealfall Persönlichkeiten, und nicht Institutionen, mit denen ein Unternehmen seine finanziellen Belange diskutiert und gestaltet. Martin Kohlhaussen ist eine solche Persönlichkeit, auf deren Rat Thyssen-Krupp immer setzen konnte. Er hat den Wandel der Finanzmärkte mit allen industrierelevanten Spezifika immer nahe bringen können und dabei auch Auswüchse nicht verschwiegen. Als Vorsitzender des Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat der Thyssen-Krupp AG ist er ein wichtiger Ratgeber und sachkundiger Kontrolleur, der beispielhaft für Professionalität, Transparenz und Engagement steht. Der Leitartikel der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen vom 1. Januar 2008 stellte die Frage: "Sind Banken etwas Besonderes?". Für den Banker Martin Kohlhaussen gilt das allemal. Er ist etwas Besonderes!

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