Aufsätze

"Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, vermehrt Diskussionsbeiträge zur Entwicklung des deutschen Finanzsystems zu leisten"

Das Thema der diesjährigen Kreditpolitischen Tagung "Aufgabe und Gewinn" möchte ich zum Anlass nehmen, einen Einblick zu geben in das Aufgabenspektrum und die Kerngeschäftsfelder der Deutschen Bundesbank zu Beginn des 21.Jahrhunderts.Die Deutsche Bundesbank hat mit dem Start der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion und der Einführung des Euro ihre eigenständige geld- und währungspolitische Kompetenz abgegeben. Die darauf fußenden Vorurteile, dass die Bundesbank nach der Abgabe der geldpolitischen Entscheidungskompetenz quasi ohne Aufgabe sei, entbehren freilich jeder Grundlage.

"Wozu braucht es denn eigentlich noch die Bundesbank, wo es doch jetzt die EZB gibt?" So oder so ähnlich lautet eine gern gestellte Frage, die jedoch erkennen lässt, dass der Fragesteller nur unzureichend mit den institutionellen und organisatorischen Rahmenbedingungen des Europäischen Zentralbanksystems vertraut ist.

Die Notenbanken im ESZB

Das Europäische Zentralbanksystem (ESZB) ist ein dezentrales System, bestehend aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den derzeit 25 nationalen Zentralbanken in der EU. Vom Eurosystem zu sprechen, hat sich eingebürgert, wenn von der EZB und den zwölf, demnächst 13 nationalen Zentralbanken die Rede ist, in deren Land der Euro bereits eingeführt wurde. Geldpolitische Entscheidungen werden im Eurosystem vom EZB-Rat getroffen, dem Beschlussorgan, dem neben den sechs Mitgliedern des EZB-Direktoriums die Gouverneure der nationalen Zentralbanken des Eurosystems angehören.

Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip ist die Umsetzung der geldpolitischen Entscheidungen, also das operative Geschäft, jedoch weitgehend Aufgabe der nationalen Zentralbanken. So wickelt die Bundesbank wegen der großen Bedeutung deutscher Kreditinstitute mehr als die Hälfte aller Refinanzierungsgeschäfte im Euroraum ab. Die Europäisierung geht jedoch über die geldpolitischen Aufgaben weit hinaus. Fragen der Finanzmarktintegration oder der Integration der Zahlungsverkehrssysteme um nur zwei Beispiele zu nennen - werden in den zahlreichen Ausschüssen und Arbeitsgruppen des Eurosystems stets unter Mitwirkung der Bundesbank diskutiert.

Die Deutsche Bundesbank als nationale Institution

Die Bundesbank ist jedoch nicht nur Bestandteils des Eurosystems. Sie ist auch eine nationale Institution, der Aufgaben nach nationalem Recht übertragen sind, die sie in eigener oder geteilter Verantwortung wahrnimmt. Beispiele dafür sind die Wahrnehmung der deutschen Mitgliedschaft im IWF oder die Mitwirkung an der Bankenaufsicht. Dies sind nur zwei Beispiele für Aufgaben, bei denen die Institution Zentralbank über komparative Vorteile verfügt.

Nicht nur die Einführung des Euro, sondern auch die fortschreitende Konzentration im Bankensektor und die Automatisierung von Bankdienstleistungen haben organisatorischen Veränderungsbedarf für die Bundesbank erzeugt. Mit der 2002 begonnenen Strukturreform wurden die Voraussetzungen geschaffen, die Bundesbank unter Effizienzgesichtspunkten zu verschlanken und ihre Aktivitäten zu konzentrieren. Das Filialnetz der Bundesbank ist erheblich weitmaschiger geworden. Ende 2007 wird es noch 47 Filialen geben, 2002 waren es noch 118. Der Personalbestand soll 2010 bei rund 10 300 und damit um mehr als ein Drittel niedriger als vor der Strukturreform liegen.

Die Kerngeschäftsfelder der Bundesbank

Worin liegen nun aber die Aufgabenfelder, auf die sich die verschlankte Bundesbank in Zukunft konzentrieren möchte? Als Grundlage einer Strukturreform II haben wir fünf Kerngeschäftsfelder definiert, auf denen die Bank ihr Profil als größte Notenbank Europas schärfen möchte. Sie sind gewissermaßen die Säulen, die von einem gemeinsamen Ziel quasi überdacht werden: Stabilität sichern. Die Geldpolitik ist weiterhin zentrales Geschäftsfeld der Bundesbank, mit dem obersten Ziel, Preisstabilität zu sichern. In der Funktion als Präsident wirke ich an den geldpolitischen Entscheidungen im EZB-Rat mit. Dabei hilft mir die fundierte gesamtwirtschaftliche und monetäre Analyse aus dem eigenen Hause, nach der Devise: Autorität gewinnt man vor allem durch Kompetenz.

Als nationale Zentralbank wollen wir auch die geldpolitische Strategie des Eurosystems hierzulande erläutern und vermitteln. Das kann durch öffentliche Auftritte des Präsidenten oder anderer Vorstandsmitglieder vor Fachpublikum sein, aber zum Beispiel auch durch die Herausgabe von altersgerechten Schülermedien zu den Themen Geld und Geldpolitik. Neben der Vermittlung von Wissen leisten wir mit solchen Informationskampagnen auch einen Beitrag zum Stabilitätsbewusstsein in der Bevölkerung.

Stabilität steht auch im Mittelpunkt unseres Kerngeschäftsfelds Finanz- und Währungssystem. Am 28. November (die Veranstaltung war am 3. November - Red.) werden wir zum zweiten Mal einen Finanzstabilitätsbericht als eigenständige Publikation veröffentlichen. Der Bericht bündelt die Expertise der Bundesbank auf den Gebieten der volkswirtschaftlichen und Finanzmarktanalyse, der Bankenaufsicht und des Zahlungsverkehrs. Er identifiziert die wichtigsten nationalen und internationalen Konjunktur- und Finanzmarktrisiken und trägt mit dazu bei, die Risikotragfähigkeit des deutschen Kredit- und Versicherungsgewerbes sowie der finanziellen Infrastruktur zu stärken. Eng damit zusammen hängt auch das Kerngeschäftsfeld Bankenaufsicht, das - allerdings aus mikroprudentieller Sicht - die Funktionsfähigkeit der deutschen Kreditinstitute und Finanzdienstleister zum Ziel hat. Neben der Mitwirkung an der laufenden Aufsicht über die Institute und der bankgeschäftlichen Prüfung wirken wir in nationalen und internationalen Gremien an der Weiterentwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen, zum Beispiel von Basel II, mit.

Dabei ist es unser spezielles Anliegen, den Besonderheiten der deutschen Wirtschaft wie der großen Bedeutung des Mittelstands und der großen Anzahl kleiner und mittlerer Kreditinstitute gerecht zu werden. Das heißt aber nicht, dass wir eine fortschreitende Konsolidierung der Bankenlandschaft nicht begrüßen würden. Im Gegenteil, sie ist notwendig und unausweichlich. Auf dem Kerngeschäftsfeld Zahlungsverkehr stehen die Sicherheit und Effizienz der Zahlungsverkehrs- und Abwicklungssysteme im Vordergrund.

Das Individualzahlungssystem Target - das Rückgrat der europäischen Finanzinfrastruktur - entwickeln wir derzeit in einem Gemeinschaftsprojekt mit der Banque de France und der Banca d'Italia zur neuen Gemeinschaftsplattform Target-2 weiter. Auch für den zukünftigen Betrieb der Gemeinschaftsplattform hat der EZB-Rat die drei Zentralbanken beauftragt. Um eine Größenordnung zu vermitteln: Allein über den deutschen Arm von Target (RTGS-plus) werden arbeitstäglich im Schnitt zirka 143 000 Zahlungen mit einem Gesamtumsatz von rund 570 Milliarden Euro abgewickelt.

Zudem unterstützt die Bundesbank die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums (SEPA) in Zusammenarbeit mit den Kreditinstituten. Bargeld ist schließlich das fünfte der Kerngeschäftsfelder der Bundesbank. Auch hier haben Effizienzaspekte Priorität. Bargeld spielt im Zahlungsverkehr eine große Rolle, der Bargeldumlauf im Eurosystem belief sich Ende Oktober auf mehr als 590 Milliarden Euro, wovon über 40 Prozent von der Bundesbank ausgegeben wurden. Hierzulande werden immer noch fast zwei Drittel aller Einzelhandelskäufe bar bezahlt. Und die Wachstumsraten im Bargeldumlauf liegen seit Jahren im zweistelligen Prozentbereich.

Für die Bundesbank ergibt sich daraus zum einen die quantitativ-logistische Herausforderung, die deutsche Wirtschaft - auch in Krisensituationen - ausreichend mit Bargeld zu versorgen und zum anderen die qualitative Herausforderung, den gebrauchsfähigen Zustand der umlaufenden Noten und die Aussonderung von Falschgeld zu gewährleisten. Ermöglicht wird dies durch ein weiterhin flächendeckendes Netz von Filialen, die - nach und nach ausgerüstet mit modernster Bargeldbearbeitungstechnik, so genannter Multistückelungsbearbeitung - eine effiziente und sichere Bargeldversorgung gewährleisten.

Hinzu kommen weitere Aufgaben, die der Bundesbank zum Teil durch Gesetz übertragen sind, wie zum Beispiel im Bereich der Statistik, die Funktion als Hausbank des Staates oder die Verwaltung der Währungsreserven der Bundesrepublik Deutschland. Von besonderer Wichtigkeit für die Bundesbank - weil quasi die Basis für unsere Kerngeschäftsfelder - sind die eigenständige wirtschaftspolitische Forschung und die Mitgliedschaft in internationalen Gremien und Organisationen auf dem Gebiet von Geld und Währung, die in der globalisierten Welt an Bedeutung gewinnen. Neben den einschlägigen Gremien auf EU- und ESZB-Ebene sind hier beispielsweise die Wahrnehmung der deutschen Mitgliedschaft im Internationalen Währungsfonds und die Beteiligung in den informellen Gruppierungen G10, G7/G8 und G20 zu nennen.

Forschung in der Bundesbank

Qualitativ hochwertige Forschung ist gerade in einem dezentral organisierten Zentralbanksystem wie dem Eurosystem immer auch ein Wettbewerb der Ideen. Wir haben diese Herausforderung angenommen. Mit der Bündelung unserer Aktivitäten in dem im Jahr 2000 eingerichteten Forschungszentrum haben wir personell und organisatorisch beste Voraussetzungen geschaffen, dass die Bundesbank im wissenschaftlichen Diskurs auch weiterhin Stellung beziehen kann. Das Forschungszentrum

bildet ein Scharnier zwischen dem Tagesgeschäft in der Bundesbank und der Wissenschaft an Universitäten und Instituten.

Zu den Forschungsschwerpunkten zählen naturgemäß geldpolitische Themen sowie Fragen zur Stabilität des Finanzsystems. Ein zentraler Ansatzpunkt auf dem Gebiet der Geldpolitik ist das Bemühen um ein besseres Verständnis des monetären Transmissionsmechanismus. Lassen Sie mich an zwei speziell auf diesem Gebiet erstellten Forschungsarbeiten exemplarisch zeigen, wie die Bundesbank in der geldpolitischen Forschung Flagge bekennen kann. Boris Hofmann (2006) hat in einem Papier aus diesem Jahr Forschungsergebnisse zu der Frage "Do monetary indicators (still) predict euro area inflation?" präsentiert.

Stabilität des Zusammenhangs zwischen Geldnachfrage und Inflation

Zum Hintergrund: Das Eurosystem verfolgt bekanntlich in der Geldpolitik eine Zwei-Säulen-Strategie. Diese besteht aus der auf kurz- bis mittelfristige Preisrisiken ausgerichteten wirtschaftlichen Analyse und der mittel- bis langfristig ausgerichteten monetären Analyse, wobei erst die wechselseitige Überprüfung der beiden Säulen dem EZB-Rat eine fundierte Entscheidung ermöglicht. Die Stabilität des Zusammenhangs zwischen Geldnachfrage und Inflation im Euro-Raum war und ist jedoch immer wieder Gegenstand von Diskussionen.

Diese Forschungsergebnisse liefern nun Belege dafür, dass auch in den ersten sieben Jahren der Gemeinschaftswährung die Trend- beziehungsweise Kernwachstumsrate der Geldmenge M3 eine nützliche Indikatorfunktion für die Inflationsentwicklung hatte. Darüber hinaus zeigt die Arbeit, dass die in den vergangenen Jahren zu verzeichnende Verschlechterung der Prognosegüte keine grundsätzlichen Zweifel an der Prognosequalität monetärer Indikatoren rechtfertigt.

Bereinigt man die Geldmengenentwicklung der letzten Jahre um spekulative Portfolioumschichtungen - erhöhte Unsicherheit hatte bei Investoren zu einer steigenden Liquiditätspräferenz geführt - bleibt die Prognosegüte erhalten. Es liegt eben in der Natur der Sache, dass unvorhersehbare Entwicklungen nicht in eine ex-ante Analyse einfließen können. Die Nützlichkeit des Indikators für die Beurteilung der Preisrisiken bleibt davon jedoch im Grundsatz unberührt.

Claus Greiber und Wolfgang Lemke (2005) hatten mit einem Papier zu "Money Demand and Macroeconomic Uncertainty" im Jahr zuvor einen Beitrag zur besseren Quantifizierbarkeit der bereits erwähnten Unsicherheit bei Investoren geleistet. Die Verschiebung zu sichereren und liquideren Anlageformen war zunächst einmal durch Kursrückgänge an den Aktienmärkten verursacht und durch geopolitische und ökonomische Unsicherheiten verstärkt worden. Für die monetäre Analyse bedeuten solche Unsicherheiten eine Erschwernis, da Unsicherheit schwierig zu modellieren ist und M3-Zuflüsse aus Unsicherheit die Aussagen zu Inflationsgefahren verzerren.

Da sich Unsicherheit in verschiedenen ökonomischen Indikatoren widerspiegelt, lässt sich zeigen, dass ein daraus gewonnenes Unsicherheitsmaß gut in der Lage ist, das durch Inflationstendenzen nicht erklärbare monetäre Wachstum in den Jahren der Portfolioumschichtungen zu erklären. Und in der Tat: Geldmengenwachstumsraten werden nunmehr auch im Eurosystem stets um Portfolioumschichtungen bereinigt dargestellt. Das sind zwei Beispiele, die zeigen, dass eine nationale Zentralbank durch eigene Forschung, gerade auf Gebieten, wo sie über jahrzehntelange Erfahrung verfügt, die Expertise hat, um im Eurosystem mitreden zu können.

Ein zweiter wichtiger Schwerpunkt des Forschungszentrums, auf den ich - gerade auf der Kreditpolitischen Tagung - noch eingehen möchte, beschäftigt sich mit dem Finanzsystem selbst. Es gibt insbesondere im angelsächsischen Bereich eine Diskussion, ob bankbasierte oder marktbasierte Finanzsysteme besser geeignet sind, Wirtschaftswachstum zu fördern. Hier wird allerdings in der angelsächsischen Literatur eines oft übersehen: Finanzsysteme werden nicht auf dem Zeichenbrett entworfen. Sie sind aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen und verschiedenster nationaler Besonderheiten oft historisch gegeben.

Was zum Beispiel sehr stark über Kapitalmarktorientierung oder Bankenorientierung entscheidet, ist die Ausprägung der Pensionssysteme. Privat organisierte Pensionssysteme mit einer entsprechenden Dominanz von Pensionsfonds prägen in der Regel das Finanzsystem anders als im Fall eines Primats eines öffentlich-rechtlichen Umlagesystems. Die deutsche Rentenpolitik geht in den letzten Jahren richtigerweise den Weg eines Ausbaus einer kapitalgedeckten Säule und eines Abbaus der Bedeutung der Umlagenkomponente. Aber dieser Prozess dauert.

Eine weitere wichtige Diskussion in diesem Zusammenhang betrifft die Funktion und Rolle der öffentlichen Banken. Auch hier wird häufig übersehen, dass wir die historischen Besonderheiten berücksichtigen müssen, wenn wir Änderungen im deutschen oder generell im Finanzsystem besprechen wollen. Ähnliches gilt für den Regulierungsgrad der Wertpapiermärkte. Fest steht auch: Die unterschiedliche Entwicklung der Finanzsysteme ist nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Präferenzen der Anleger gekennzeichnet.

Lebendige Forschung zur Effizienz von Finanzierungssystemen

Gerade in jüngster Zeit gibt es diesbezüglich eine lebendige problemorientierte Forschung. Die Frage, die in angelsächsischen Systemen oft im Vordergrund steht, lautet: Welches Finanzierungssystem ist effizienter im Hinblick auf das wirtschaftliche Wachstum: ein Bankensystem oder ein kapitalmarktorientiertes System? Und welche Rolle spielen öffentliche Banken dabei? Sollen Finanzmärkte und Intermediäre als Komplemente oder als Substitute dargestellt werden?

Die angelsächsische Sicht ist immer: Es sind Substitute. Jeder von uns, der das deutsche Kreditwesen kennt, weiß aber, dass in Deutschland der Zugang der Kunden zu den Kapitalmärkten in der Regel über Banken läuft. Das heißt, in Deutschland sind Kapitalmarktentwicklung und Banken keine Substitute. Tatsächlich bieten die Banken zusätzlich zu ihren Kreditprodukten auch Kapitalmarktprodukte an, so dass die rein substitutive Sicht meines Erachtens nicht angemessen ist.

So gibt es mit Blick auf die Wachstumswirkungen von Finanzsystemen, anders als aus angelsächsischer Sicht oftmals unterstellt, aus empirischer Sicht keine eindeutige Antwort. Klar ist, dass ein effizientes Finanzsystem das Wachstum stärkt. Effizienz lässt sich aber sowohl in kapitalbasierten als auch in bankbasierten Systemen erreichen. Worauf es ankommt, ist also weniger

die Frage nach Banken versus Kapitalmarkt, sondern die Frage der Qualität in der Bereitstellung von Finanzdienstleistungsprodukten in beiden Ausprägungen von Finanzsystemen. Vor diesem Hintergrund ist auch die nunmehr etwas differenziertere Argumentation des IWF in seinem neuesten World Economic Outlook - auch aufgrund der Diskussion, die wir hier in Deutschland haben - durchaus zu begrüßen.

Auch der IWF stellt, und das ist wichtig, neben der Frage der Wachstumswirkungen die nach dem jeweiligen Einfluss auf den Konjunkturverlauf. Hier ist zunächst einmal die unterschiedliche Bedeutung dieser Systeme für Haushalte und Unternehmen von Bedeutung. Was die Haushalte betrifft, so ist ein marktbasiertes (angelsächsisches) System grundsätzlich besser dazu geeignet, im Konjunkturverlauf den privaten Konsum zu glätten, da sich der Konsum im Falle von Einkommensverlusten leichter am Kapitalmarkt finanzieren lässt als von Banken. Der Vorteil des eher bankbasierten Systems hingegen ist, dass die Haushalte deutlich weniger anfällig für steigende Zinsen und fallende Vermögenspreise sind. Das heißt, dem Vorteil einer Nachfrageglättung in konjunkturellen Schwächephasen steht in Zeiten, in denen die Finanzmärkte nach unten drehen, eine steigende Volatilität der Vermögenspositionen und eine höhere Verschuldung der Haushalte gegenüber.

Ein "Trade-off"

Was die Unternehmen betrifft, so können marktbasierte Systeme Kapital in der Regel rascher von rückläufigen zu aufstrebenden Branchen umlenken. Das ist besonders wichtig im Strukturwandelprozess. Auf der anderen Seite können konjunkturelle Schwankungen in einem eher bankenorientierten System besser abgefedert werden, indem Unternehmen auch in schlechten Zeiten durch die Beziehung zu ihren Banken nach dem Hausbankenprinzip finanzielle Unterstützung erhalten.

Um eine sachorientierte Diskussion über den Wandel insbesondere des deutschen Kreditwesens zu führen, müssen wir also davon wegkommen, einseitig die Vorteile des einen Systems zu predigen und die Nachteile des anderen Systems in den Mittelpunkt zu stellen. Beide Systeme haben gewisse Vorteile und Nachteile. Es ergibt sich also - im Angelsächsischen würde man sagen - ein Trade-off zwischen den Vorteilen und den Nachteilen der Systeme. Dies genauer zu analysieren und in der Forschung eben auf diese Besonderheiten einzugehen und eine ausgewogene Sicht der Dinge aufzuzeigen, verhindert eine zu starke Polarisierung der Diskussion.

Ökonomen tendieren bekanntlich dazu, die Argumente zugunsten der einen und zugunsten der anderen Seite abzuwägen ich halte das nicht für eine Schwäche. Im Gegenteil: Nur wenn es uns gelingt, die besonderen Stärken und Schwächen der jeweiligen Systeme herauszuarbeiten, können wir im regulatorischen Bereich und im Aufsichtsbereich geeignete Vorkehrungen treffen, die helfen können, die Schwächen der einzelnen Systeme abzufedern. Deshalb haben wir es uns insbesondere im Forschungszentrum der Bundesbank zur Aufgabe gemacht, vermehrt Diskussionsbeiträge zur Entwicklung des deutschen Finanzsystems zu leisten.

Gewinn als Spiegel der geld- und währungspolitischen Entscheidungen

Aufgabe und Gewinn heißt das Thema der heutigen Tagung. Ich habe Ihnen nun viel zu den Aufgaben der Deutschen Bundesbank berichtet, aber nichts über ihren Gewinn gesagt. Dies zeigt auch einen wesentlichen Unterschied zwischen einer Notenbank und einer Geschäftsbank: Während Geschäftsbanken gewinnorientiert arbeiten, ist der Gewinn für eine Notenbank Spiegel der geld- und währungspolitischen Entscheidungen. Sicher: Ein hoher Bundesbankgewinn erfreut den Finanzminister, ein niedriger enttäuscht. Mit einer konservativeren Annahme in der Haushaltsplanung indes wären Enttäuschungen begrenzt. Jedoch leisten auch wir einen wichtigen Beitrag: Durch Effizienzsteigerung und Verschlankung sind wir heute in der Lage, wirtschaftlicher und kostenbewusster zu arbeiten als noch vor Jahren.

Literatur:

Greiber, Claus; Lemke, Wolfgang (2005): Money Demand and Macroeconomic Uncertainty, Deutsche Bundesbank, Discussion papers, Series 1: Economic Studies, No 26/2005, Internet: http://www.bundesbank.de/vfz

Hofmann, Boris (2006): Do monetary indicators (still) predict euro area inflation?, Deutsche Bundesbank, Discussion papers, Series 1: Economic Studies, No 18/2006, Internet: http://www.bundesbank.de/vfz

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors bei der 52. Kreditpolitischen Tagung der ZfgK am 3. November 2006. Die Zwischenüberschriften sind von der Redaktion eingefügt.

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