Aufsätze

Integriertes Risikomanagement im Investmentprozess

Es dauert Jahre, eine Reputation aufzubauen, aber es reicht ein Augenblick, sie zu zerstören - diese Weisheit wird in der Finanzwelt manchmal auf den Kopf gestellt. Ein Analyst, der einen großen Call richtig gemacht hat, kann nahezu über Nacht zum Star werden, auch wenn er vielleicht ansonsten mit seinen Prognosen in den meisten Fällen falsch liegt. Würden Analysten-Signale konsequent gemessen, könnten solche Effekte vermieden und Risiken durch schlechte Signale reduziert werden.

Vermeidung besonders schlechter Renditen

Bedenkt man, dass das eigentliche Ziel von Risikomanagement die Vermeidung besonders schlechter Renditen ist, dann hat es in den letzten Jahren auf breiter Front versagt. Die Schwankungsbreite von Investmentrenditen in den Jahren 2008 und 2009 (Abbildung 1) zeigt, dass in Zeiten hoher Volatilität die erreichten Renditen verschiedener Manager sehr weit auseinander lagen, mit teilweise sehr negativen Auswirkungen für die Kunden.

Das Problem ist, dass sich Risikomanagement oft darauf beschränkt, in regelmäßigen Reports das bestehende Portfolio mit Daten aus der Vergangenheit zu analysieren und aktuelle Risikopositionen sowie Verletzungen von Anlagerichtlinien aufzuzeigen. Dabei wird eine konsistente Performance dadurch verhindert, dass ein großer Teil des Investmentprozesses gar nicht in die Risikobetrachtung einbezogen wird (Abbildung 2). Deshalb sollten alle Schritte des Investmentprozesses, angefangen bei der Signal-Generierung über die Portfolio-Konstruktion bis zur Portfolio-Implementierung, in den Risikomanagementprozess integriert werden. Darüber hinaus müssen Transparenz und Messbarkeit Einzug erhalten, um effiziente Kontrollmechanismen implementieren zu können und so im Rahmen eines strukturierten Qualitätsmanagements eine kontinuierliche Verbesserung der Ergebnisse zu erreichen. Im Folgenden soll der Investmentprozess genauer betrachtet und der Bezug zum Risikomanagement erläutert werden.

Research und Signal-Generierung als Teil eines integrierten Prozesses

Gute Alpha-Signale sind die Grundlage für ein erfolgreiches Investment, deshalb sollte ihre Generierung integrativer Bestandteil des Investmentprozesses sein. Zu diesem Zweck gilt es erst einmal, die Erwartungen an ein solches Signal zu klar definieren.

- Korrekte Vorhersage für den Preistrend einer Alpha-Quelle,

- Vermeidung typischer Verhaltensfehler bei der Erstellung von Investmenteinschätzungen,

- Erzeugung von effektiven und verwertbaren Signalen.

Diese Ziele lassen sich nur in einem strukturierten Prozess erreichen, der den Analysten anleitet, seine Vorgehensweise zu dokumentieren und die Signale in einem standardisierten Verfahren zur Verfügung zu stellen. Dazu müssen Tools mit folgenden Eigenschaften entwickelt werden:

Standardisiertes numerisches Bewertungssystem: Nur damit ist eine korrekte Erfassung und Auswertung von Signalen möglich.

Festlegung von Schwellenwerten für jedes Signal: Bei Erreichen eines Schwellenwertes wird der Analyst aufgefordert, eine neue Einschätzung ins System einzugeben.

Signale für verschiedene Zeithorizonte: In Abhängigkeit von der Alpha-Quelle aber auch abhängig vom aktuellen Anlass können Prognosen für verschiedene Zeiträume gelten. Damit muss nicht immer ein Signal für genau einen Monat, ein Quartal oder ein Jahr abgegeben werden.

Dokumentation des Entscheidungsfindungsprozesses: Werden die bestimmenden Faktoren, das Modell, aber auch die qualitativen Einschätzungen für die Invest-ment-Empfehlung dokumentiert, kann später nachvollzogen werden, warum ein Signal richtig oder falsch war. Dies ist in zweierlei Hinsicht wichtig. Zum einen kann so die Signalqualität kontinuierlich verbessert werden, zum anderen verringert dieser transparente Prozess die Abhängigkeit vom jeweiligen Alpha-Spezialisten, da seine Methoden dokumentiert sind sowie nachvollzogen und fortgeführt werden können.

Es ist gerade diese Standardisierung zusammen mit der numerischen Erfassung der Signale und bestimmenden Faktoren, die es ermöglichen, den Research-Prozess ständig zu überprüfen und zu verbessern. Außerdem ist es mit einem solchen Sig- nal-Generierungstool möglich, typische Verhaltensfehler zu vermeiden. Die Alpha- Signale bleiben breit gestreut und unkorreliert. Der jeweilige Alpha-Spezialist kann unabhängig vom nächsten Investment-Committee-Termin seine Einschätzung dann eingeben, wenn sich an den Märkten etwas geändert hat - und nicht, wenn zum Beispiel gerade der 15. eines Monats ist.

Weiterhin ermöglicht es, die Signale in einem strukturierten Prozess weiter zu verarbeiten. Nur wenn die Signalgenerierung in den kompletten Investmentprozess integriert ist, können diese Vorteile ausgenutzt werden. Bei der Weiterverarbeitung gilt dasselbe wie bei den Signalen: Es nützt nichts, das Alpha-Signal zeitnah einzupflegen, wenn die Signale nur einmal im Monat vom Portfolio-Konstruktionsteam überprüft und dann unter Berücksichtigung eigener Einschätzungen umgesetzt werden. Hier muss der ständige Austausch mit der Portfolio-Konstruktion und Implementierung gewährleistet sein, der Übergang muss transparent, zeitnah und messbar sein.

Transparenz und Messbarkeit

Typischerweise konzentriert sich Portfolio-Konstruktion auf einen oder mehrere Portfoliomanager, der vorhandene Alpha-Signale mit seiner eigenen Einschätzung mischt und dann ein Portfolio zusammenstellt, das bei gegebenen Anlagerichtlinien den größten Ertrag verspricht. Das Risikocontrolling hat oft nur die Aufgabe, den Portfoliomanager regelmäßig mit Reports zu unterstützen, die die aktuelle Positionierung mit den Richtlinien vergleicht und Risiken aufzeigt. Das große Problem bei diesem Setup besteht darin, dass Risikoanalysen sich nur auf eine Momentaufnahme beziehen, die ausschließlich beschreibt, wie das Portfolio aktuell aussieht, aber nicht, wie es dahin gekommen ist. Dies kann dazu führen, dass Positionen mit anscheinend hohem Risiko abgebaut werden, obwohl dies gerade diejenigen sein könnten, die das höchste Alpha-Potenzial bieten.

Denn den Risiken stehen natürlich auch Chancen gegenüber, die sich in den Alpha-Signalen ausdrücken. Ein moderner Investmentprozess sollte schon bei der Portfolio-Konstruktion dieses Chance-Ri-siko-Verhältnis berücksichtigen und auch das Risikomanagement darauf ausrichten. Leider ist es so, dass häufig im Risikomanagement nur auf das Risiko geschaut wird und in der taktischen Asset Allokation nur auf die Chancen. Dabei gilt es, immer beide Seiten zusammen zu betrachten, ein Signal also nicht nur nach dem erwarteten Alpha-Potenzial auszuwählen, sondern auch das damit verbundene Risiko in Betracht zu ziehen. Damit kann die Information Ratio maximiert und die Schwankungsbreite bei der erwarteten Rendite reduziert werden. Der strukturierte Research-Prozess ist hier sehr hilfreich, da er es ermöglicht, die Fähigkeiten eines Signalgebers über die Zeit zu bestimmen, sodass man den qualitativ besseren Signalen entsprechend mehr Gewicht verleihen kann. Gutes Risikomanagement beinhaltet außerdem, zusätzlich zu den üblichen Stichtags-Analysen auch das Verhalten des Portfoliomanagers zu überprüfen. Ein Kontrollmechanismus sollte dabei sicherstellen, dass Signale zeitnah umgesetzt werden, durch eine große Anzahl verwendeter Signale Diversifizierung erreicht wird und dass Risiken bewusst eingegangen werden, um vielversprechende Signale mit gutem Chance-Risiko-Verhältnis umzusetzen.

Qualitätsmanagement

Optimalerweise geschieht dies systemgestützt: Signale werden automatisch in Blueprints beziehungsweise Modellportfolios umgesetzt und dienen als Vorlage. Damit ist die Voraussetzung zur gemeinsamen Messbarkeit der Signale und der Portfolio-Konstruktion gegeben. Weiterhin muss überprüft werden, ob die Signale, die sich in den Musterportfolios widerspiegeln, zeitnah in den realen Portfolios umgesetzt werden. In diesem Fall misst das Risikomanagement also nicht nur die Abweichung beziehungsweise Verletzungen von Anlagerichtlinien, sondern darüber hinaus die Abweichung von den Blueprints - und zwar nicht stichtagsbezogen, sondern kontinuierlich. Damit kann der Anlageerfolg nachvollzogen werden, Stärken des Prozesses werden identifiziert und Schwächen können nach und nach ausgemerzt werden.

Fast alle Asset Manager verwenden Kontroll- und Alarmsysteme, die die Verletzung von Anlagerichtlinien überprüfen und ad hoc melden. Seltener wird automatisch überprüft, ob ein Portfoliomanager Signale auch richtig umsetzt. Und noch seltener wird innerhalb eines definierten Prozesses überprüft, welche Güte die Signale haben, ob sie aktuell sind oder aufgrund unvorhergesehener Marktbewegungen überprüft und eventuell angepasst werden müssten. Hier gibt es oft eine Signal-Aktualisierung auf regelmäßiger, zum Beispiel monatlicher oder gar quartalsweiser Basis ohne den Zeithorizont des Signals oder Marktverwerfungen zu berücksichtigen.

In technischen Bereichen wird schon seit Langem dem Qualitätsmanagement eine hohe Bedeutung beigemessen. Dabei untersucht man die Abweichung des tatsächlich eingetretenen Ergebnisses von dem vorher prognostizierten. Bei allzu großen Differenzen muss dann eingegriffen, Prozesse oder Modelle eventuell angepasst oder umgestellt werden, um wieder die gewünschte Qualität zu erreichen.

Kontinuierliche Prozessüberwachung

Die Qualität im aktiven Asset Management drückt sich im Wesentlichen aus in der aktiven erzielten Rendite, dem Alpha, bezogen auf die eingegangenen Risiken, dem Tracking Error. Daher muss zum Beispiel bei der Signalgenerierung der Analyst seine Prognose in standardisierter Form abgeben, damit die Güte seiner Signale quantifizierbar, also messbar und auswertbar wird. Das Risikomanagement-Team kann dann überprüfen, ob und wie gut die Prognosen eingetroffen sind und individuelle "Information Skills" für einzelne Alpha- Signale ermitteln. Zeigt sich, dass diese Fähigkeiten schlecht sind, so werden die eingesetzten Modelle und die Auswahl der makroökonomischen Zahlen auf den Prüfstand gestellt und verbessert. Auch hier ist es wichtig, den Entscheidungsfindungsprozess und die Historie zu dokumentieren, da nur dann eine systematische Verbesserung möglich ist. Ebenso reduziert man damit das "Kopf-Risiko", da bei Weggang eines guten Analysten der Nachfolger alle Schritte zur Generierung eines einzelnen Signals nachvollziehen und fortsetzen kann. Hier bietet sich im Übrigen an, bereits vorher sogenannte "Shadow-Decision-Maker" einzuführen, die eigene Prognosen für dieselbe Alpha-Quelle abgeben. Damit können Verbesserung in der Prognosegüte erzielt und die Übergabe erleichtert werden.

Auch bei der Umsetzung von Signalen in den Portfolios muss genau dokumentiert und gemessen werden, wie die Signale im Portfolio-Design und letztlich in der Implementierung ankommen. Auch hier muss wieder die Abweichung zwischen erwarteten und tatsächlichen Ergebnissen quantifiziert werden und nur dann kann man nachvollziehen, wie viel Rendite aus den Signalen resultiert, wie viel aus der Umsetzung im Portfolio und wie viel aus der reinen Marktbewegung. Das Ziel des Qualitätsmanagements ist es also, die Prozesse kontinuierlich zu überwachen und ständig zu verbessern, sodass unerwartete Ereignisse weitestgehend ausgeschlossen beziehungsweise minimiert werden können.

Bei der Integration des Risikomanagements in den Investmentprozess muss auch über die Organisationsstruktur nachgedacht werden. Häufig wird Risikomanagement in der täglichen Arbeit des Portfoliomanagements durchgeführt, während die Riskcontrolling-Gruppe mehr Reporting- Funktionen wahrnimmt, etwa monatliche Risikoreporte. In der Regel werden selbst bei täglicher Betrachtung nur die Anlagerichtlinien überprüft und Verstöße gemeldet, wobei es oft keine klaren Entschei-dungs-Kompetenzen gibt. Weiter wird das Risiko meist einseitig ohne Beachtung der Ertragschancen gesehen sowie stichtagsbezogen anstatt kontinuierlich gemessen.

Aber es gibt auch weitere Hindernisse zu bedenken. So bewirkt die genaue Messbarkeit nicht bei allen Signalgebern die gewünschte Verbesserung. Einige tun sich schwer, gemessen zu werden, andere reduzieren vielleicht ihre Risikobereitschaft und nutzen so das Potenzial einer Alpha-Quelle nicht aus. Ebenso ist möglich, dass ein Portfoliomanager fürchtet, durch einen so strukturierten Investmentprozess überflüssig zu werden. Deshalb ist es wichtig, dass zum einen das Management hinter dem Risikomanagement-Prozess steht und die Positionen der Verantwortlichen stärkt. Zum anderen darf dieser Prozess auch nicht gegen den Willen der Mitarbeiter durchgesetzt werden, sondern muss gemeinsam mit ihnen erarbeitet werden, sodass die Notwendigkeit des Prozesses, aber auch die weiterhin vorhandene Wichtigkeit der Alpha- und Portfolio-Spezialisten klar wird.

Generell geht es darum, Funktionen genau zu beschreiben und Verantwortlichkeiten klar zuzuordnen. Insbesondere sollte es eine Trennung von Risikomanagement und Ideengenerierung geben. So sollte der Portfoliomanager nicht gleichzeitig auch noch Signal-Generierer sowie Risiko- und Prozessmanager sein und dabei noch die Qualität messen. Eine solche Konzentration von Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf eine Person ist oft anzutreffen, wird aber selten auch als solche wahrgenommen. Weiterhin müssen natürlich die Systeme darauf ausgerichtet sein, den Prozess von der Signal-Generierung über das Portfolio-Design bis zur Portfolio-Implementierung zu unterstützen. Dieses bildet die Grundlage zur Einführung eines Qualitätsmanagements, mit dem die Prozesse permanent überwacht und verbessert werden können.

Selten an den Ertrag gedacht

Risikomanagement ist mehr als die reine Überwachung von Anlagerichtlinien und Compliance-Grundsätzen. Zum einen werden oft elementare Bausteine des Investmentprozesses außen vor gelassen, was besonders häufig bei der Signal-Generierung anzutreffen ist. Zum anderen wird aber selten an den Ertrag gedacht, eigentlich die entscheidende Komponente im aktiven Management. Ebenso ist der Investmentprozess häufig nicht so klar strukturiert, transparent und quantifizierbar, dass ein Qualitätsmanagement zur kontinuierlichen Verbesserung eingesetzt werden kann.

Erfolgreiches Risikomanagement überwacht kontinuierlich den kompletten Investmentprozess. Dabei werden Risiken überprüft, aber auch Chancen abgewägt. Erfolge und Misserfolge müssen quantifiziert und nachgehalten werden, um so die Qualität nach und nach steigern zu können.

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