Leitartikel

Konjunktur, Kredit, Klemme?

Alle reden über Griechenland! Wie viel Zeit bekommen die Griechen für die Lösung ihrer Haushaltsprobleme? Wie wird der Bericht der Troika aus IWF, EZB und EU ausfallen, an dem weitere Zugeständnisse hängen und dessen Erstellung offensichtlich schwieriger ist als zunächst gedacht, wird er doch nun erst im Oktober veröffentlicht. Hat Griechenland eine Chance auf den Verbleib in der Eurozone? Glaubt man so manchem Politiker, stehen die Zeichen auf düstere Wolken und Sturm. Viele Volkswirte sind dagegen ob der Fortschritte der Griechen hinsichtlich Abbau des Leistungsbilanzdefizits und Reformen sehr viel zuversichtlicher und sehen die Hellenen auf gutem Weg.

Anstelle sich nur über die Griechen den Kopf zu zerbrechen, wäre es vielleicht auch einmal an der Zeit, sich über Deutschland Gedanken zu machen. Denn das ehemalige Zugpferd der Eurozone beginnt zu lahmen, natürlich auch wegen der Griechen. Zwar ist das deutsche Wirtschaftswachstum sowohl im ersten Quartal mit 0,5 Prozent als auch im zweiten Quartal mit 0,3 Prozent besser ausgefallen als erwartet, doch der so wichtige ifo-Geschäftsklimaindex ist im August wiederum gefallen - zum nunmehr vierten Mal in Folge. Das sollte aufhorchen lassen, denn einen solchen Rückgang gab es zuletzt Mitte bis Ende 2008 rund um die Pleite der amerikanischen Lehman-Brothers. Mit aktuell 102,3 Punkten liegt der ifo-Index noch über der kritischen Marke von 100 Punkten. Als er zuletzt vor fast genau vier Jahren, im August 2008, unter diese Grenze gerutscht war, ging es allerdings weiter bergab bis auf nur noch 84,6 Punkte. Noch spricht niemand von Rezession, doch gehen die Experten von einer weiteren Verlangsamung des Wachstums in der zweiten Jahreshälfte 2012 und für 2013 aus.

Im gerade abgelaufenen Quartal trugen nur noch der Außenhandel mit 0,3 Prozentpunkten und der private Konsum mit 0,2 Prozentpunkten zum Wachstum bei. Negative Impulse kamen dagegen von den Anlageinvestitionen mit minus 0,3 Prozentpunkten und hierbei vor allem den Ausrüstungsinvestitionen mit minus 0,2 Prozentpunkten. Die Unsicherheit bei den deutschen Unternehmen nimmt zu: Laut ifo-Index sind die Erwartungen der Unternehmen für die kommenden sechs Monate stark rückläufig (95,6 nach zuvor noch 102,6 Punkte) und liegen deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Im Juni fiel die Industrieproduktion um 0,9 Prozent gegenüber dem Vormonat, und für das dritte Quartal wurde von den Unternehmen eine um einen Prozentpunkt niedrigere Kapazitätsauslastung gemeldet.

Die Volkswirte der Deutschen Bank gehen in einer aktuellen Analyse davon aus, dass sich der Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen in der zweiten Jahreshälfte weiter fortsetzen wird. Das wird zum einen mit den gedämpften globalen Wachstumsaussichten und der Nachfrageschwäche der Eurozone begründet - immerhin ist die deutsche Industrie mit einem Anteil von rund 47 Prozent stark exportabhängig und wird nach Berechnungen der OECD mit einem Leistungsbilanzüberschuss von 200 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr selbst China hinter sich lassen. Zum anderen bremst der ungewisse Ausgang der Euro-Schuldenkrise die Investitionsbereitschaft - da sind wir wieder bei Griechenland.

Ein weiteres Signal für eine tendenziell eher größere Zurückhaltung der Unternehmen bei Investitionen dürften die Manager der Häuser selber sein. Vorstände wie Aufsichtsräte nutzten die Kurse von über 7 000 Punkten im Dax, um sich von Teilen ihrer Aktienbestände zu trennen. Das ist zunächst nichts wahrlich Aufregendes, gelten Insider doch meist als Gegenpol zur allgemeinen Stimmung, sprich als Verkäufer in Hausse-Phasen und Käufer in Baisse-Bewegungen. Man mag daraus also vor allem ablesen, dass es mit weiteren Höhenflügen der Kurse vorerst vorbei sein könnte. Und das drückt durchaus auch ein Stück Pessimismus hinsichtlich Konjunktur und Unternehmensentwicklung aus. Denn warum sollte man verkaufen, wenn man noch "Good News" in petto hat?

Was heißt das nun für die Kreditwirtschaft? Wird bald wieder das Wort von der Kreditklemme die Runde machen? Vermutlich nicht. Zumindest nicht durch Zurückhaltung der Anbieter. Zum einen haben die Banken nach wie vor eine komfortable Liquiditätssituation, was nicht zuletzt die Halbjahresergebnisse zeigen. Zum anderen wird angesichts der nach wie vor nicht allzu großen Ausfallrisiken im Firmenkreditbereich und den mangelnden Alternativen an den Kapitalmärkten in Form von Anlage der liquiden Mittel (oder auch Kreditersatzgeschäft, wie manche Häuser das inzwischen nennen) sicherlich keinem interessierten Kreditnachfrager die Tür vor der Nase zugeschlagen.

Bleibt also die Nachfrageseite als Faktor. Die Unternehmen haben ebenfalls ausreichende Liquiditätspolster, was sich nicht zuletzt an den durchaus regen Beteiligungsaktivitäten zeigt. Auch die Investitionen gehen zurück. Doch muss das nicht zwangsläufig zu einer rückläufigen Kreditnachfrage führen. Denn immerhin sind die Zinsen in Deutschland auf einem historisch niedrigen Niveau. Das spüren Banken wie Unternehmen: Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften zahlen derzeit für Kredite spürbar niedrigere Raten als noch vor fünf Jahren. Bei Ausleihungen bis zu einer Million Euro und einer Laufzeit bis zu einem Jahr sind es aktuell 3,33 Prozent nach noch 6,26 Prozent Mitte 2007. Bei Laufzeiten von bis zu fünf Jahren sank der Zinssatz von 5,83 Prozent auf 4,20 Prozent, bei über fünf Jahren von 5,41 Prozent auf 3,30 Prozent. Beträgt der Kreditwunsch über eine Million Euro werden dafür laut Bundesbankstatistik derzeit bis ein Jahr 2,32 (Mitte 2007: 5,21) Prozent aufgerufen, bis fünf Jahre 2,98 (5,55) Prozent und bei über fünf Jahre Laufzeit 3,39 (5,27) Prozent.

Alles in allem sind das ausgesprochen gute Finanzierungsbedingungen. Allerdings gilt auch für die Unternehmen der Mangel an Anlagemöglichkeiten, angesichts niedriger Renditen, was wiederum für eine Verwendung der Liquiditätspolster sprechen würde. Droht eine Kreditklemme oder - milder ausgedrückt - eine rückläufige Entwicklung der Kreditvergabe? Wohl kaum. Das zeigen auch die Erfahrungen der vergangenen Jahre. 2008, als die Konjunktur zuletzt in Deutschland spürbar zurückging und der ifo-Index drastisch fiel, stiegen die Kredite der Banken in Deutschland an inländische Unternehmen und Selbstständige von 1,26 Billionen Euro Ende 2007 auf 1,33 Billionen Euro Ende 2008, verharrten bei 1,33 Billionen Euro Ende 2009 und sanken per Ende 2010 leicht auf 1,32 Billionen Euro. Aktuell weist der Bundesbank-Monatsbericht ein Kreditvolumen von 1,39 Billionen Euro aus. Zurückhaltung auf der einen wie auf der anderen Seite sieht anders aus. Kein Grund zur Panik also!

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