Aufsätze

Marktvolatilität - ein neues Stellenprofil für Risikomanager

Angesichts der gestiegenen Marktvolatilität und der hohen Milliardenverluste infolge der US-Hypothekenkrise kommt dem Risikomanagement immer größere Bedeutung zu. Um den Überblick zu behalten, sollten Risikomanager ihre Zeit nicht damit verbringen müssen, vollständige Transparenz über den Wertpapierbestand und dessen Risikoexpositionen herzustellen. Risikomanager, die dafür externe Dienstleister einsetzen, sparen Zeit und können sich besser ihren Kernaufgaben widmen.

Falsche Einschätzung von Risiken

Die Finanzwelt hat sich schon bereits an Subprime-Verluste in Bankbilanzen und Insolvenzen gewöhnt, und weitere Abschreibungen sind wahrscheinlich. Schon die bisher aufgelaufenen Milliardenverluste werfen allerdings die Frage auf, wie es dazu kommen konnte. Das Problem in den vergangenen anderthalb Jahren war nicht das Eingehen von Risiken. Dagegen spricht grundsätzlich nichts, wenn man das Risiko gut abschätzen kann und der damit verbundene Ertrag stimmt.

Der Fehler bei vielen Institutionen war also, dass die Risiken falsch eingeschätzt wurden. Der Kauf gewisser Kapitalmarktprodukte erschien als solides Geschäft, weil Ratings, Kapitalunterlegungsanforderungen und Ertragsaussichten attraktiv wirkten. Hätten die betroffenen Institute ein akkurates Risikomanagement gehabt, hätten sie die wirklich unterliegenden Risiken dieser Anlagen genauer verstanden. Dies hätte dazu beigetragen, Verlustpotenziale zu begrenzen.

Man muss natürlich eingestehen, dass auch das beste Risikomanagement nicht vollständig vor Verlusten schützt. Selbst wenn Risiken bekannt sind, können Investitionen in die falsche Richtung laufen, weswegen auch Unternehmen mit einem sehr guten Risikomanagement am Kapitalmarkt Geld verlieren können - die Frage ist eben nur, wie viel Geld.

Das Risikomanagement hat bei einigen der am schwersten von der Finanzkrise betroffenen Häusern nicht richtig funktioniert, oder es war gar nicht erst in ausreichendem Maße vorhanden. Während manche Häuser schon seit Längerem mehrere Dutzend Risikospezialisten beschäftigten, kamen andere Institute nur auf eine Handvoll Experten. Das war angesichts der Größe ihrer Portfolios und des Umfangs ihrer Risikopositionen viel zu wenig. Viele Organisationen vertrauten zudem vorwiegend den Aussagen von Ratingagenturen, doch das Rating eines Wertpapiers kann effektives Risikomanagement nicht ersetzen. Investoren müssen jenseits des Ratings immer genau wissen und verstehen, worin sie investieren. Dazu sollten die angebotenen Produkte fundamental analysiert und das Risiko-Ertrags-Profil abgewogen werden.

Risikomanagement im Trend

Risikomanagement ist keine ganz neue Disziplin. Schon seit Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts schufen Finanzinstitutionen die Position des Risikomanagers (Chief Risk Officer) neu, und gerade in den letzten Jahren wurden zunehmend CRO installiert. Zu den Pionieren im Bereich Risikomanagement gehörte Black-Rock. Als das Unternehmen 1988 gegründet wurde, war der Crash von 1987 noch in frischer Erinnerung. Daher setzte das Management von Anfang an auf das Risikomanagement innerhalb der Portfolios und auf die Fähigkeit, künftige Risikoereignisse vorauszusehen und modellieren zu können. Schon damals wurde viel über Transparenz und das Verständnis von Risiken diskutiert, und ähnlich wie heute verstanden die Käufer komplexer Anlageprodukte diese Instrumente oft weit weniger gut als die Anbieter, die sie konstruiert hatten.

Die Eigenschaften des Risikomanagers

Heute nutzen immer mehr Häuser jenseits reiner "long-only"-Strategien auch alternative Anlageklassen, strukturierte Kapitalmarktprodukte, Derivate und Hedge-fonds-Strategien. Die daraus entstehenden komplizierteren Portfolios erhöhen den Aufwand für die Risikoanalyse und die Notwendigkeit eines ausgeklügelten Risikomanagements. Zuletzt dürfte auch die gestiegene Marktvolatilität dazu beigetragen haben, dass viele Firmen sich dem Thema Risiko stärker zuwenden.

Einen guten Risikomanager zeichnet neben seiner Unabhängigkeit aus, dass er sich nicht zu stark auf einzelne Parameter konzentriert. Die einzelnen Risikomaße hängen nämlich vom jeweiligen Blickwinkel und unterliegenden Instrumenten ab. Strukturierte Kreditprodukte (Collateralized Debt Obligations) haben beispielsweise ein Zinsrisiko, das bei ihnen vorherrschende Risiko ist aber das Kreditrisiko. Diese multiplen Risiken müssen in ihrem Zusammenwirken begriffen werden.

Beim Risikomanagement kommt es darauf an, nicht nur die relevanten Modelle, sondern auch deren jeweilige Grenzen zu verstehen. Gleichzeitig sollten Risikomanager über ein gesundes Maß an Intuition verfügen. Im vergangenen Jahr etwa wurde deutlich, dass viele der eingesetzten Modelle für einige der im Zuge des Hypothekenbooms in den USA neu entwickelten Kapitalmarktprodukte nicht taugten, weil sie nur mit sehr beschränkten Datensätzen arbeiteten. Ein guter Risikomanager ist sich bewusst, dass Modelle kontinuierlich an neue Strukturen und Produkte im Markt angepasst werden müssen.

Einige Organisationen waren außerdem zu sehr auf mögliche Krisenszenarien in einzelnen Marktbereichen fokussiert. Dass mehrere oder beinahe alle Marktsegmente sich gleichzeitig schlecht entwickelten, traf die meisten Investoren unvorbereitet. Es gehört zu den Tugenden eines Risikomanagers, auch das Undenkbare zu denken und die Übersicht zu behalten.

Transparenz als Grundvoraussetzung

Ein Risikomanager allein reicht allerdings nicht aus, um das Risiko in einer komplizierten Welt der Geldanlage im Griff zu behalten. Ebenso wichtig sind Technologie- oder Informationsmanager (Chief Technology Officer, Chief Information Officer) und die damit verbundenen Investitionen in die technische Infrastruktur, um Transparenz über alle Portfolios und Produkte hinweg zu schaffen. Damit tun sich viele Unternehmen schwer, etwa weil sie verschiedene Plattformen für diverse Kapitalmarktprodukte haben. Ohne hochqualitative und transparente Informationen kann aber kein Risikomanager effektiv arbeiten, denn Risikomanagement beginnt mit Risikomessung, die Risikoexpositionen und die Beziehungen der unterschiedlichen Wertpapiergattungen zueinander offenlegt. Die Aufgabe des Risikomanagers ist es dann, diese Ergebnisse im Portfoliomanagement umzusetzen.

Gerade während der letzten Monate wurde sichtbar, was passiert, wenn die Risikomessung nicht funktioniert. Manche Risikomanager verbrachten den größten Teil ihrer Zeit damit, Daten zu sammeln, anstatt diese auszuwerten und Ergebnisse zu formulieren. Mitunter dauerte es Monate, bis Unternehmen eine vollständige Transparenz über ihren Wertpapierbestand und dessen Risikoexpositionen herstellen konnten. Einen Ausweg hätten externe Dienstleister eröffnet, die zeitnah die für gutes Risikomanagement unabdingbare Transparenz schaffen. Im Gegensatz zum Risikomanagement, das mit dem Portfoliomanagement zusammengehört und nicht einfach ausgelagert werden sollte, ist das Outsourcing der Risikomessung sinnvoll. Der Aufbau der nötigen Infrastruktur im eigenen Haus ist für Unternehmen oft zu kostenintensiv.

Wenn mehrere Unternehmen den gleichen externen Dienstleister nutzen, kann der Anbieter zudem eine kontinuierliche Qualitätskontrolle sicherstellen; zusätzlich wird das Einbringen neuer Ideen erleichtert. Externe Risikomessung hat natürlich ihren Preis: Anbieter müssen kontinuierlich in Datensammlung und Datenaufbereitung, Modelle, Reporting-Werkzeuge und Personal investieren. Die letzten Monate haben jedoch gezeigt, dass es unter Umständen teuer werden kann, aus Kostengründen auf eine akkurate Risikoanalyse durch externe Dienstleister zu verzichten.

Nicht an der falschen Stelle sparen

Viele Unternehmen betrachten Risikomanagement und Risikomessung weiterhin vorwiegend als eine Nettokostenposition und sehen nicht den engen Zusammenhang mit der Generierung von Alpha. Dabei sind Portfolio- und Risikomanagement zwei Seiten derselben Medaille, die eine Seite funktioniert langfristig nur in Abhängigkeit von der anderen. Diese Erkenntnis setzt sich langsam durch, und der Markt für Risikomanagement-Dienstleistungen wächst daher kontinuierlich, angetrieben von der zunehmenden Komplexität der Märkte, Branchentrends wie der Derivatenutzung und dem verpflichtungsorientierten Anlegen (Liability Driven Investing) sowie dem Zuwachs bei Portfolios, die unterschiedliche Anlageklassen beinhalten.

Unternehmen, die bereits über ein gutes Risikomanagement und eine akkurate Risikomessung verfügen, werden auch weiterhin ihre Infrastruktur ständig der steigenden Komplexität anpassen müssen. Investoren, die bislang noch untätig waren, sollten sich dem Thema so schnell wie möglich widmen, denn ohne Risikomanagement kann niemand mehr nachhaltig profitabel am Kapitalmarkt investieren. Die akkurate Risikomessung ist dabei die unabdingbare Grundvoraussetzung für den Erfolg eines jeden Risikomanagers.

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