Gespräch des Tages

Mittelstand III - Rohstoffbeschaffung als Türöffner

Für die Banken ist es tägliches Brot, für kleinere Unternehmen manchmal ein Buch mit sieben Siegeln: Das Risikomanagement. Und auch wenn die Risiken nicht dieselben und vom selben Ausmaß sind, hinkt der Stellenwert dieser Disziplin bei den Mittelständlern nach. Eines der größten Risiken birgt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die Rohstoffbeschaffung. Laut einer von der Commerzbank in Auftrag gegebenen Studie ("Rohstoffe und Energie: Risiken umkämpfter Ressourcen") sind 78 Prozent der Unternehmen auf Rohstoffe und rohstoffintensive Vorprodukte angewiesen. Dabei ist nach der Wahrnehmung der KMUs weniger die von Ökologen befürchtete Endlichkeit der verfügbaren Ressourcen besorgniserregend als vielmehr der (kostengünstige) Zugang zu Rohstoffen und die Mechanismen des globalen Marktes.

Des einen Leid, des anderen Freud, könnte man meinen, denn nach Ergebnissen der Studie nutzen nur zehn Prozent der Unternehmen die Möglichkeit von Finanzinstrumenten zur Absicherung bei der Rohstoffbeschaffung, weitere sechs Prozent erwägen einen solchen Schritt. Dass diese Instrumente selbst bei größeren Mittelständlern nur bei einem Viertel zum Einsatz kommen, ist umso erstaunlicher. Schließlich sind die Schwankungen bei Rohstoffpreisen deutlich größer, als beispielsweise die an den Währungs- und Zinsmärkten, wo viele Unternehmen die Absicherung mit derivaten Instrumenten praktizieren. Für die Banken eröffnet sich angesichts dieses Potenzials ein relativ neues Geschäftsfeld, was die Commerzbank mit ihrer Mittelstandsbank natürlich nutzen will.

Doch was für die Banker selbstverständlich ist, ist es für die Mittelständler noch lange nicht. Termingeschäfte und Optionen sind nach Ansicht des Mittelstandes zu teuer, zu komplex und zu riskant, wenn überhaupt bekannt. Das liegt sicher auch daran, dass im Mittelstand derzeit der Einkauf und die Finanzabteilung getrennt voneinander arbeiten und der Umgang mit Rohstoffpreisen den Einkäufern obliegt. Durch intensivere Beratungsleistung der Banken und eine stärkere Zusammenarbeit der Einkaufsabteilung mit der Finanzabteilung des Unternehmens - die Commerzbank geht noch einen Schritt weiter und rät zu einer Ansiedlung der Rohstoffbeschaffung bei der Finanzabteilung anstatt der Einkaufsabteilung - könnte sicher die Wahrnehmung der Komplexität verändert werden. Durch einen stärkeren Wettbewerb der Banken und die engere Zusammenarbeit mit dem Kunden könnten wahrscheinlich zum Teil passgenauere Absicherungsinstrumente entstehen. Fraglich ist aber, ob sich deswegen am Preis der Absicherung etwas ändert, denn dieser hängt von der Volatilität der Rohstoffmärkte ab. Und die Rohstoffmärkte sind im Gegensatz zu anderen Märkten viel zu eng für das explosive Wachstum der spekulativen Gelder, das derzeit in sie fließt. Je stärker die Märkte schwanken, desto teurer werden auch die absichernden Finanzprodukte. Umso wenig die Unternehmen wissen, wie hoch sich die Rohstoffkostenschwankungen auf ihr Unternehmen auswirken und damit auch eine Art von Spekulation betreiben, umso mehr fürchten sie die Kosten der Absicherung.

Bisher wählen die Mittelständler das, was sie verstehen - einen Kredit, welcher in erster Linie auf Sicherung der Liquidität abstellt. Der "atmende" Betriebsmittelkredit verschafft die nötige Flexibilität für die Generierung von Liquidität aus dem Umlaufvermögen und ermöglicht eine hohe Anpassungsgeschwindigkeit an sich verändernde Markt(preis)bedingungen. Steigen die Einkaufspreise für Rohstoffe, weiten sich die Kreditlinien für das Unternehmen automatisch aus. Und das deshalb, weil sich der Wert der Lagerbestände erhöht hat, mit denen der Kredit auch besichert ist. Und solange die KMUs in erster Linie die Liquidität im Auge behalten, fragen sie am Markt diese sogenannte Borrowing-Base-Finanzierung stark nach. Für sie ist dieser Kredit günstiger als andere Darlehensformen, und für die Banken ist dies durch die vollständige Besicherung ein risikoarmes und kapitalschonendes Geschäft. Des Weiteren adaptierte die Commerzbank diese besondere Art von Finanzierung auch für Waren, die nicht an der Börse notiert sind, was vermutlich zusätzlich die Attraktivität dieses Kredits erhöht.

Angesichts des Beratungsbedarfs und der Frage der Rentabilität bestünde die Hauptaufgabe für die Banken infolgedessen darin, die Mittelständler ganzheitlich zu beraten, wenn sie sich nach einem Kredit erkundigen. Und wer Unternehmen über komplexe Investitionsvorhaben umfassend beraten will, muss sie genau kennenlernen. Da können auch Studien helfen! Ewa Chmielowska

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