Leitartikel

Nachhaltig verankern

Der Anspruch ist edel und lässt sich öffentlichkeitswirksam vermarkten. Die Förderung einer möglichst kalkulierbaren Vermögensbildung breiter Bevölkerungsschichten durch Nutzung der Chancen am Kapitalmarkt haben sich die hiesige Fondsbranche und ihre Vorläufer in anderen Ländern auf ihre Fahnen geschrieben. Seit sechzig Jahren werden in Deutschland Investmentfonds angeboten, zunächst überschaubar ein Mischfonds und wenig später ein Aktienfonds, heute mit einer breiten Palette. Allein die hiesige Branchenstatistik differenziert nach mehr als fünf Dutzend Produktvarianten.

Das Motiv der breiten Vermögensbildung beherrschte in Deutschland die politische Diskussion auch in der Entstehungsphase des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) bis zur Verabschiedung im Frühjahr 1957. Vernünftige rechtliche Grundlagen für eine gedeihliche Entwicklung dieser Assetklasse waren damit schon vor über fünfzig Jahren geschaffen. Richtig Volumina auf sich vereinigen konnte die Branche aber erst sehr viel später. Auch wenn der BVI Bundesverband Investment und Asset Management den Aufschwung gerne an den Marktzuwächsen seit seiner Gründung im Jahre 1970 festmacht und die seinerzeit 5,4 Milliarden Euro an verwaltetem Vermögen in 172 Fonds mit den heutigen 1,794 Billionen Euro (Stand 31. August 2010) in 10454 Fonds vergleicht, war schon kurz nach Beginn dieser Zeitrechnung eine gewaltige Delle zu überwinden. Denn Anfang der siebziger Jahre erlitten viele Privatanleger mit dem Zusammenbruch der seit den sechziger Jahren in Deutschland aktiven amerikanischen Investmentgesellschaft Investors

Overseas Services (IOS) erhebliche Verluste und das Produkt einen anhaltenden Imageschaden.

Für die Wiederbelebung und einen ersten Aufschwung sorgten ab Ende der achtziger Jahre dann eher die Rentenfonds. Den wahren Schub in ihre heutigen Dimensionen erlebte die deutsche Fondsbranche erst seit Beginn der neunziger Jahre, maßgeblich angetrieben durch die Harmonisierungsbestrebungen der EU und dem auch damit verbundenen Markteintritt ausländischer Gesellschaften. Allein zwischen Ende 1994 und Ende 2000 hat sich hierzulande das verwaltete Vermögen auf knapp 953 Milliarden Euro nahezu verdreifacht. Auch wenn die vier großen einheimischen Gesellschaften bei den Marktanteilen nach wie vor klar dominieren, haben sowohl die Produktpalette der Wettbewerber als auch der heftige Standortwettbewerb speziell mit Luxemburg und Irland der hiesigen Fondsindustrie immer wieder den notwendigen Anpassungsdruck beschert, um in die heutigen Dimensionen hineinzuwachsen.

Ende der neunziger Jahre schien es fast so, als könnten sich die Fonds wie das Sparbuch, der Bausparvertrag oder auch die Lebensversicherung in die Reihe der nahezu unerschütterlich fest verankerten Basisprodukte im Finanzdienstleistungsbereich einreihen. Aber diese Erfolgsgeschichte erhielt in den vergangenen zehn Jahren wieder zwei Dämpfer - erst das Ende der sogenannten Internet-Blase und dann die jüngsten Marktturbulenzen der weltweiten Finanzkrise. Brauchte das verwaltete Fondsvermögen im ersten Fall mit 2001 und 2002 noch zwei Jahre, um sich wieder über den Stand des bis dahin erfolgreichsten Vorjahres aufzuschwingen, war zuletzt nur das Jahr 2008 als deutlicher Einbruch zu registrieren.

Im längerfristigen Rückblick auf den nahezu ungebrochenen Aufwärtstrend der Volumina mag es verwundern, dass der BVI Mitte Oktober, also just zur 60-Jahr-Feier der ersten deutschen Investmentfonds eine PR-Kampagne ausgerufen hat, um das Produkt als Instrument der Geldanlage in breiten Bevölkerungsschichten zu verankern. Erklärlich ist diese kommunikative Rückkehr zu den Wurzeln des eigenen Selbstverständnisses nur aus den Erfahrungen kurz nach der Lehman-Pleite. Als die Bundeskanzlerin und der damalige Finanzminister seinerzeit in einem kühnen Statement die Einlagen als sicher und vom Staat garantiert erklärten und bei den nicht ausdrücklich abgesicherten Produkten die Investmentfonds in einem Atemzug mit Zertifikaten nannten, hatte das in den beiden Folgemonaten enorme Mittelabflüsse aus Publikumsfonds zur Folge. Trotz aller Schutzmechanismen des Investmentgesetzes und aller auf Risikoausgleich ausgerichteten Produktkonstruktionen hatten Fonds bei der breiten Bevölkerung einfach nicht das Standing, sich aus eigener Kraft zu behaupten. Nur mit einer massiven Aufklärungs- und Beruhigungsarbeit des BVI und seiner Mitglieder - bis in die Vertriebsorganisationen der Banken hinein - konnte wenigstens der akute Abwärtstrend beim Mittelaufkommen gestoppt werden.

All die schönen Statistiken über die gute Performance in langfristigen Vergleichen nutzten offenbar wenig. Speziell bei Aktienfonds dauerte es von 2000 bis 2006 bis die kräftigen Verluste beim verwalteten Vermögen wieder aufgeholt waren. Der noch schärfere Einbruch des Jahres 2008 in dieser Produktkategorie (über 40 Prozent im Bestand) ist bis heute nicht wettgemacht. Für das Mittelaufkommen der Publikumsfonds insgesamt zeichnet sich vielmehr das dritte Jahr in Folge ab, das mit Abflüssen beziehungsweise lediglich Zuwächsen im einstelligen Milliardenbereich enden könnte. Zum Vergleich: In den zwanzig Jahren zuvor, also bis 1988 zurückblickend, erlebte die Branche solche Werte insgesamt nur dreimal. Um solche Trends zu stoppen und möglichst wieder umzukehren, wird nun der verstärkte Dialog mit der Öffentlichkeit gesucht. Wohin eine bessere Kundenbindung führen kann, lässt sich am Beispiel der Sparpläne verdeutlichen. Zwar merkt die Fondsbranche auch bei dieser Produktkategorie die Zyklen des konjunkturellen Umfeldes, aber sie darf sich wenigstens sicher sein, dass die Anleger die Aufwärtsphasen der Märkte von vornherein nutzen. Nicht zuletzt mit Blick auf die zunehmende Einsicht in die Notwendigkeit einer verstärkten Eigeninitiative in der privaten Altersvorsorge könnte regelmäßiges Investmentsparen die gewünschten Impulse setzen.

Vage Hoffnung auf zusätzliches Marktpotenzial besteht zudem in der betrieblichen Altersvorsorge. Denn dort steht die Frage zur politischen Beurteilung an, ob die AS Investmentrente als sechster Durchführungsweg der betrieblichen Altersvorsorge in das Betriebsrentengesetz Eingang finden soll. Auf Initiative der Konferenz der Wirtschaftsminister der Bundesländer wird dazu demnächst das angeforderte Votum von der Bundesregierung erwartet. Sollte der von der Hessischen

Landesregierung über den Bundesrat forcierte Vorschlag von der Berliner Politik aufgenommen werden, besteht für die Fondsbranche Aussicht auf nachhaltige Geschäfte. Wird er hingegen abgelehnt, müsste sie sich einmal mehr in der Einschätzung bestätigt fühlen, künftig auch auf politischer Ebene in Berlin und Brüssel verstärkte Kommunikationsübungen zeigen zu müssen.

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