Aufsätze

Nachhaltigkeit im Kreditwesen

Mit allen Mitteln versuchen derzeit die Regierungen die Finanzkrise einzudämmen und das Vertrauen in das Funktionieren der Finanzmärkte zurückzugewinnen. Neben Eigenkapitalhilfen und Liquiditätsgarantien für Banken und Versicherungen werden auch andere Maßnahmen einer Verschärfung der Regulierung oder Änderung der Bilanzierungs- und Bewertungsmaßnahmen diskutiert.

Selten haben sich so viele Politiker daran versucht, die Feinheiten der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu erläutern und deren Kausalität für die Kursentwicklung an der Börse einzuschätzen. Insbesondere das Mark-to-Market-Prinzip der IFRS wird von vielen als Brandbeschleuniger der Krise angesehen. Einige sehnen sich sogar die HGB-Bilanzierung als "Heilbringer" wieder herbei, weil damit vieles angeblich hätte verhindert werden können. Verkannt wird dabei, dass auch durch das HGB die Problematik der Ermittlung von Marktpreisen in speziellen Situationen nicht automatisch gelöst wird.

Messlatte gesucht

An dieser Stelle muss daran erinnert werden, dass es keine "richtige" Bilanzierung und Bewertung gibt. Was "richtig" ist, bedarf einer Messlatte und diese Messlatte ist eine allgemein anerkannte beziehungsweise gesetzlich vorgeschriebene Konvention. Diese Konvention richtete sich im HGB am Vorsichtsprinzip aus, das dem Zweck der Rechnungslegung, dem Gläubigerschutz, entstammt. In diese Entwicklung der Bilanzierungsgrundsätze nach dem HGB sind mehr als 100 Jahre Erfahrung eingeflossen, was im Ergebnis dazu führte, dass man durch "sich ärmer rechnen" genügend Substanz (stille Reserven) im Unternehmen belassen konnte, um die Gläubiger befriedigen zu können.1) Dies hat auch Wolfgang Sprißler, der von sich selbst sagt, eher der Rechnungslegung als dem Kreditgeschäft zu entstammen, als vorteilhaft betont.

Mit der Einigung auf international anerkannte Bilanzierungsstandards (IFRS), sollte erreicht werden, dass ein "Level Playing Field" weltweit geschaffen wird und aus angelsächsischer Sicht Bilanzmanipulation durch Legung und Auflösung stiller Reserven vermieden werden. Den Investorenbedürfnissen wurde Vorrang eingeräumt, das heißt die Abbildung des Zeitwertes des Unternehmens steht seither im Vordergrund.

Konventionen für gute wie für schlechte Zeiten

Der Markt hat immer Recht, lautet die Devise. Als zum Beispiel in den Jahren 2000 und 2001 die Börsenbewertung von Inter-net-Unternehmen ungeahnte Größenordnungen erreichte, wurde diskutiert, wie die Lücke zwischen Eigenkapital laut Bilanz und höherem Börsenwert etwa durch Aktivierung des Know-how der Mitarbeiter und des Markenwertes geschlossen werden könnte. Als Folge wurde zum Beispiel auf eine regelmäßige Abschreibung des erworbenen Firmenwertes über einen festen Zeitraum (ein Relikt aus den Zeiten des Vorsichtsprinzips) verzichtet. Derzeit wird diskutiert, ob das Mark-to-Market-Prinzip nicht den Abwärtstrend der Märkte beschleunigt und damit zu viel Verunsicherung auslöst.

Bilanzierungsvorschriften - hieran sei erinnert - sind Konventionen und müssen in guten wie in schlechten Zeiten Gültigkeit haben, sonst können sie die Situation des Unternehmens nicht objektiviert abbilden. Dies liegt auch im Investoreninteresse, denn der Großteil der Investoren ist langfristig orientiert. Hektische, kurzfristige Anpassungen der Regeln an die jeweilige Situation, würde das Misstrauen in die Bilanzierung stärken und weitere ungesunde Folgen nach sich ziehen: Investoren würden abgehalten. Anleger würden verschreckt.

Die bereits bislang zu geringe Akzeptanz von Aktien und Investmentprodukten in breiteren Bevölkerungskreisen würde dadurch noch verstärkt. Auch Wolfgang Sprißler hat dies stets ebenso kritisiert, wie die zu geringe Beteiligung der Bevölkerung am Produktivvermögen. Denn engerer Kontakt zu diesen Anlagen solle ermöglicht und die Privatanleger auch im sonstigen Anlageverhalten für renditestarke Kapitalanlagen sensibilisiert werden.2)

Das heißt aber nicht, dass die derzeitige Situation nicht Anpassungsbedarf bei den IFRS deutlich aufzeigt. So ist die Frage der Umwidmung von Beständen von jeher eine Managemententscheidung, der die Bilanzierung zu folgen hat. Außerdem führt die Behandlung von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen.

Anpassungen ohne Tageshektik

Hier müssen die Lehren aus der derzeitigen Situation gezogen werden und Anpassungen und sachgerechte Lösungen ohne Tageshektik diskutiert werden. Wer die IFRS und die Mark-to-Market-Bewertungen als Verursacher der gegenwärtigen Krise ansieht, liegt falsch. Notwendig ist eine genaue Analyse der Ursachen. Die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen werden alle den Kapitalmarkt beeinflussenden Gruppen (Banken, Regulatoren, WPs, Ratingagenturen, Analysten) betreffen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X