Aufsätze

Neue Anforderungen an das Risikomanagement durch Solvency II - Konzentration auf Kernkompetenzen

Für Versicherungen und regulierte Versorgungsträger wird sich mit Solvency II die Welt in Europa in den nächsten Jahren signifikant verändern. Das neue System stellt nicht nur einen aufsichtsrechtlichen Rahmen dar, sondern ist wegen des Erfordernisses für ein effizienteres Risikomanagement auch Triebfeder für verstärkte strategische Weichenstellung in der Unternehmensplanung. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf den Finanzbereich, sondern auch auf die Produktstrategie und -entwicklung sowie die zu präferierenden Geschäftsmodelle. Dabei dürfte der Vorsprung eines Versicherungsunternehmens vor seinen Wettbewerbern umso größer sein, je frühzeitiger die Implementierung von Solvency II erfolgt. Auch wenn die gesetzlichen Anforderungen von Solvency II wahrscheinlich nicht vor 2010 greifen werden, so nehmen die am 10. Juli 2007 im EU-Kommissionsentwurf für eine Rahmenrichtlinie zu Solvency II veröffentlichten Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Versicherungen (MaRisk) einen Teil der zukünftigen Solvency II Anforderungen bereits konkretisierend vorweg.

Mehr Sicherheit und Vertrauen schaffen

Das Risikoverständnis des Unternehmens schlägt sich erstens bei Solvency II nieder: Neben einer deutlich komplexer werdenden Berücksichtigung versicherungstechnischer Risiken stehen zum ersten Mal auch die Struktur der Kapitalanlagen, ein eventueller Asset-Liability-Mismatch sowie operationelle Risiken als neue Risikokategorie unter Beobachtung und fließen unmittelbar in die Höhe des Minimumsolvenzkapitals ein. Der Risikosituation des Betriebes und ihrer Beherrschung kann künftig nur ein gezieltes Risikomanagement begegnen.

Sofern das Unternehmen keine Risiken tragen will, bietet sich neben Verminderung oder Eliminierung der komplette Risikotransfer auf Dritte an. Dabei liegt die Herausforderung in der vollständigen Abbildung des Gesamtrisikos, das sich aus den verschiedenen korrelierenden Einzelrisiken zusammensetzt. Dabei ist es erklärtes Ziel von Solvency II, alle wesentlichen quantifizierbaren Risiken auf der Aktiv- und Passivseite der Unternehmensbilanz mit ihren gleichzeitigen Wirkungen, den sogenannten Diversifikationseffekten, bereits bei den Mindest- und Solvenzkapitalanforderungen zu erfassen. Durch Verankerung eines expliziten Sicherheitsniveaus von 99,5 Prozent für das gesamte Versicherungsunternehmen sowie die Verwendung eines einheitlichen Risikomaßes soll das für die einzelnen Risikokategorien erforderliche Kapital zu einer regulatorischen Solvenzanforderung zusammengeführt werden.

Diesem holistischen Ansatz zur quantitativen Ermittlung der Mindest- und Solvenzkapitalanforderungen der Säule 1 von Solvency II haben die qualitativen Anforderungen an das Risikomanagement der Säule 2 beziehungsweise an die verstärkten Offenlegungs- und Publikationspflichten der Säule 3 zu folgen. Alle Risiken, die nicht oder nicht ausreichend über die Säule 1 abgebildet werden, sind mit qualitativen Prinzipien auszustatten. Das Risikocontrolling hat die durchgeführten Maßnahmen zu überwachen und sie hinsichtlich ihrer Zielerfüllung zu bewerten beziehungsweise die getroffenen Maßnahmen zu dokumentieren.

Zunehmende Anforderungen an die unternehmensinterne Risikosteuerung

Infolge der steigenden Komplexität der Versicherungsprodukte und der externen, auch aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen ist die Fähigkeit, Risiken zu identifizieren, zu kontrollieren, zu analysieren und zu steuern, künftig ein wichtiger Erfolgsfaktor in einem Versicherungsumfeld, in dem der Wettbewerbsdruck zunehmend wächst und die Volatilität steigt.1)

In Zukunft muss eine Entscheidung getroffen werden, ob das Versicherungsunternehmen die eingegangenen Risiken tragen kann und insbesondere, ob es alle Risiken oder nur einen Teil davontragen oder diese zum Beispiel durch Rückversicherung oder Prozessauslagerung abgeben will oder muss. Jeder einzelnen Risikoklasse kann ein entsprechender Anteil des eingesetzten Kapitals zugeordnet werden. Solvency II bildet damit eine Erweiterung des KonTraG um die Risikokapitalallokation. Über die über Solvency II geförderten internen Risikomodelle lässt sich eine wertorientierte Steuerung des Gesamtunternehmens ermöglichen, die nachweislich Wettbewerbsvorteile und ein um durchschnittlich 30 Prozent besseres Jahresergebnis erzielen können. Konzentration auf Kernkompetenzen

Die Konfrontation mit den aus Solvency II resultierenden höheren Anforderungen an das Risikomanagement zwingt die Versicherungswirtschaft, sich mit den einzelnen Komponenten der unternehmensinternen Wertschöpfungskette vertieft auseinanderzusetzen. Dieser Prozess ergibt sich zwangsläufig aus der Pflicht, die internen und externen Risikoquellen zu identifizieren, also einer Teilaufgabe des Risikomanagements der Versicherungsunternehmung.

Die detaillierte Analyse der Wertschöpfungskette liefert zudem wichtige Erkenntnisse über die Qualität und Sicherheit einzelner Prozessbausteine der Leistungserstellung und erlaubt somit die Identifizierung und Definition von Kernkompetenzen. Bereiche, die keine Kernkompetenzen darstellen sind nun vor der Frage eines möglichen Outsourcings kritisch zu durchleuchten. Dabei spielen auch Differenzierungspotenziale gegenüber Wettbewerbern eine Rolle. Versicherungsunternehmen haben die Wahl, intern Fachwissen aufzubauen oder dieses auf einen externen Anbieter auszulagern, also die Wertschöpfungskette aufzubrechen.

Da Outsourcing-Beziehungen in der Regel langfristiger Natur und oftmals nur unter schwierigen Bedingungen zu beenden sind, sollte eine umfassende Analyse der Anbieter und derer Angebote erfolgen. Aspekte wie finanzielle Stabilität des Anbieters, langfristiges Commitment zum angebotenen Produktsegment sowie Ressourcen im Bereich Personal und Informationstechnologie können hier entscheidend sein. Auch die Frage, ob durch die Outsourcing-Entscheidung ein Kostenvorteil erzielt werden soll oder ob künftig eine höhere Qualität oder Sicherheit erreicht werden soll, wirken sich bei diesem Auswahlprozess für einen Outsourcing-Partner aus.

Kapitalanlage als Geschäftsfeld?

Die Frage, ob es sich um eine Kernkompetenz handelt oder nicht, wird in keinem Bereich so intensiv diskutiert wie im Bereich der Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen und lässt sich nur unternehmensindividuell beantworten. Die Spanne der im Markt anzutreffenden Aktivitäten reicht von großen Versicherungskonzernen mit strategischem Engagement als eigenes Geschäftsfeld bis hin zu kleinen Versicherungsunternehmen, die sich bereits für eine Auslagerung der Kapitalanlagetätigkeit entschieden haben. Dabei sind große Unterschiede hinsichtlich des Umfanges der outgesourcten Tätigkeiten und der davon betroffenen Anlageklassen festzustellen. Die Abbildung verdeutlicht die Komplexität möglicher Outsourcing- beziehungsweise Beratungsbereiche.

Anbieter von modularer Angebotskonzeption sind am ehesten in der Lage, ein maßgeschneidertes Konzept nach konkreten Bedürfnissen zusammenzustellen. Vorteile bieten Anbieter, die Wissen aus dem Kapitalanlage- und Versicherungsbereich vereinen können. Optimal ist, wenn die entsprechenden Know-how-Träger des Versicherungsbereiches auch tatsächlich in die Leistungserstellung des Produktes involviert sind oder den Kunden Einblick in die vorhandenen Prozesse im Versicherungsunternehmen gewährt werden kann.

Klassische Kernleistungen neben versicherungstypischen Komponenten

Das mögliche Dienstleistungsspektrum umfasst neben den klassischen Kernleistungen eines Asset Managers (zum Beispiel Master-KAG und Spezialfondslösungen) auch versicherungstypische Komponenten wie Verwaltung von Direktbeständen und das Führen des Kapitalanlagen-Nebenbuchs oder das Führen des Sicherungsvermögensverzeichnisses für die BaFin und generiert somit deutliche Entlastungseffekte. Der Aufbau einer wirksamen Administrationsplattform beim anbietenden Finanzdienstleister profitiert von einer Begleitung durch Spezialisten aus dem Versicherungsbereich oder der Nutzung bereits bestehender und bewährter Infrastruktur. Versicherungsnahe externe Asset Manager mit beratungsspezialisierter Problemlösungskompetenz und tiefen Kenntnissen beim Verwalten von Versicherungsvermögen machen einen Zugang zu Ressourcen möglich, die sich oftmals unternehmensintern nicht rentabel darstellen lassen.

Steigende Nachfrage nach Outsourcing-Möglichkeiten

Aufgrund der versicherungsspezifischen Besonderheiten dürfte der Markt für Out-sourcing-Dienstleistungen optimale Chancen für deutsche Asset Manager bieten. Durch ihre Anbindung an einen starken Mutterkonzern beziehungsweise ihre Verbundzugehörigkeit verfügen sie über das zur Umsetzung komplexer Dienstleistungsprodukte nötige Know-how und Erfahrung. Bislang haben sich nur wenige Marktteilnehmer die Frage eines teilweisen oder sogar vollständigen Outsourcings gestellt, am Markt ist jedoch eine steigende Nachfrage zu beobachten. Der Gedanke an eine stärker arbeitsteilig angelegten Produktion mit der damit verbundenen Konzentration auf Kernkompetenzen setzt sich nur langsam in der deutschen Versicherungswirtschaft durch. Andere Branchen wie die Automobilwirtschaft oder die Telekommunikationsbranche haben die Vorteile erkannt und genießen bereits heute die Vorzüge.

Durch die Entlastung von zeitaufwendigen administrativen Tätigkeiten werden Kapazitäten für strategische Aspekte der Kapitalanlagetätigkeit wie etwa die strategische Asset Allocation und das Management der aktiv- und passivseitigen Zusammenhänge (Asset Liability Management) freigesetzt, prozessinhärente Risiken können durch einen qualifizierten Out-sourcing-Partner minimiert beziehungsweise eliminiert werden.

Das neue Aufsichts- und Solvenzsystem nach Solvency II eröffnet somit der Assekuranz neue Wachstumschancen, wovon sowohl Verbraucher als auch Investoren profitieren werden.

Literatur

Perlet, H./Guhe, J. (2005): Anforderungen an ein unternehmerisches Risikomanagement, in: Gründl, H.; Perlet, H. (Hrsg.): Solvency II & Risikomanagement: Umbruch in der Versicherungswirtschaft, Seiten 145 bis 161, Wiesbaden.

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