Gespräch des Tages

Notenbanken - Schweizerische Nationalbank klare Ansagen und Flexibilität

Bei aller Einbindung in die internationalen Organisationen und in deren Konsultation auf verschiedenen Ebenen sowie dem erkennbaren Bemühen um eine Koordination der weltweiten geldpolitischen Aktivitäten ist und bleibt es für die Notenbanken kleinerer Länder eine große Herausforderung, sich im Konzert der großen Währungsblöcke zu behaupten. Die Schweiz pflegt und praktiziert dabei traditionell ihre geldpolitische Eigenständigkeit. Vor zehn Jahren hat sie das frühere Konzept der Geld mengensteuerung aufgegeben und orientiert sich seither an Inflationsprognosen. Der Erhalt der Preisstabilität wird als Hauptziel vorgegeben, daneben ist aber auch eine klare Regelbindung vorgesehen, um die Inflationserwartungen zu verankern. Und bei alledem soll das Konzept nach Möglichkeit auch den notwendigen Freiraum für eine kurzfristige Konjunkturstabilisierung lassen, soweit sich das mit dem langfristig übergeordneten Ziel der Preisstabilität verträgt.

Ähnlich wie bei der EZB standen seit August 2007 und verschärft nach der Lehman-Pleite im September vergangenen Jahres die flexiblen Reaktionsmöglichkeiten der SNB unter Bewährung. Und wie in Frankfurt, so hat es der Notenbankpräsident Jean-Pierre Roth kurz vor seiner Verabschiedung in den Ruhestand beim Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten sehr anschaulich verdeutlicht, wurde auch in Basel mit unkonventionellen Methoden reagiert. Wurde bis weit in das Jahr 2008 hinein die Liquiditätsversorgung mit Schweizer Franken ausgeweitet, um das am Dreimonats-Libor in London orientierte Zielband für den Dreimonats-Libor zwischen 2,25 und 3,25 Prozent unter Kontrolle zu halten, musste man im Herbst 2008 erkennen, dass die bisherigen expansiven Maßnahmen bei Weitem nicht ausreichten.

Nach weiteren Lockerungen der Geldpolitik, etwa dem Angebot von Devisenswaps mit einer Laufzeit von drei Monaten, wurde das Zielband für den Dreimonats-Libor bis Anfang Dezember 2008 in drei Schritten auf null bis 1,0 Prozent herabgeschraubt. In der geldpolitischen Lagebeurteilung wurde für die nächsten drei Jahre gar das Risiko einer Deflation artikuliert und eine weitere kräftige Lockerung der monetären Bedingungen angekündigt. Unter der klaren Ansage, eine weitere Aufwertung des Schweizer Franken gegen den Euro verhindern zu wollen, wurde die Breite des Zielbandes schließlich im März 2009 noch einmal auf 75 Basispunkte verkürzt. Und zudem wurde die Liquidität weiter stark erhöht, indem zusätzliche Repo-Geschäfte abgeschlossen, Devisenkäufe auf dem Markt getätigt und Schweizer-Franken-Obligationen privater Schuldner erworben wurden (sogenanntes quantitative easing). Eine klar diagnostizierte Rezession, die Gefahr einer Deflation, ein Zins am unteren Ende der Möglichkeiten und ein Schweizer Franken unter Aufwertungsdruck, so beschreibt Jean-Pierre Roth das ungemütliche Szenario auf dem Tiefpunkt der Krise Anfang März dieses Jahres. Und in der aktuellen geldpolitischen Lagebeurteilung am 10. Dezember 2009 lässt die SNB keinen Zweifel daran, auch nach Einstellung des quantitative easing einer "übermäßigen Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro entschieden entgegenwirken" zu wollen. Seit Frühjahr 2009 hat sich auch die Schweizer Wirtschaft stabilisiert. Insbesondere die Binnenwirtschaft hat sich resistenter gezeigt als befürchtet. Und der Einbruch für das ganze Jahr 2009 wird voraussichtlich mit minus 1,5 Prozent des BIP deutlich moderater ausfallen als beispielsweise in Deutschland. Entwarnung will die SNB aber beileibe noch nicht geben. Denn anders als in der akuten Krisenbewältigung wissen die dortigen Notenbanker nur zu gut, dass es beim Ausstieg aus den Krisenszenarien mit der Koordination der Geldpolitik schwieriger werden dürfte und von Europa über die USA bis nach China die Wahrung der eigenen Interessen wieder stärker aus geprägt sein könnte. Eigene flexible Reaktionsmöglichkeiten der Geldpolitik sind der SNB deshalb weiterhin wichtig.

Ganz so klar und direkt wie sie sich das vielleicht wünscht, kann die Schweizerische Notenbank auf die Entwicklungen der heimischen Realwirtschaft aber nicht reagieren. Denn im Verlauf der Finanzkrise hat sie nach zehn Jahren relativer Ruhe wieder registrieren müssen, dass der Schweizer Franken in großem Ausmaß für Carry Trades genutzt wird, also für eine Anlagestrategie, bei der sich ein Investor in einer Tiefzinswährung verschuldet und in einer höher verzinsten Währung investiert. Auch die Vergabe von Fran-ken-Hypotheken in Österreich und Osteuropa zählt die SNB zu diesen Entwicklungen, die die eigene Währung von den Entwicklungen der eigenen Realwirtschaft abkoppeln und ein Stück weit zum Spielball der Finanzmärkte werden lassen können. Die Schweizerische Notenbank weiß um diese "Safe-Haven-Rolle" des Franken und sorgt sich um die dadurch drohenden prozyklischen Wechselkursschwankungen. In Kooperation mit der EZB hat sie seit Mitte Oktober 2008 einwöchige liquiditätszuführende Swapgeschäfte in Schweizer Franken beschlossen, um im Eurogebiet den Refinanzierungsbedarf von Banken ohne direkten SNB-Zugang zu decken. Die Maßnahme fand seit Herbst vergangenen Jahres enormen Zuspruch (laut EZB-Monatsbericht vom Oktober 2009 wurden im Durchschnitt 33 Milliarden Euro bereitgestellt) und wurde mittlerweile mehrfach verlängert, zuletzt bis Ende Januar 2010. Aber die SNB lässt auch keinen Zweifel daran, dieses Phänomen genau im Auge zu haben und ihre Geldpolitik danach auszurichten - nach dem Ausstieg aus der Nullzinspolitik wieder mit der konventionellen Zinssteuerung, aber wenn es sein muss auch mit Währungsinterventionen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X