Gespräch des Tages

Öffentliche Versicherer - Auf der Agenda zurück

Hätte Georg Fahrenschon bei seinem Amtsantritt als Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Ende Mai vergangenen Jahres die Agenda seiner dringlichsten Aufgaben strikt an dem vermuteten Einsparpotenzial für den S-Verbund ausgerichtet, wäre die Neuordnung der öffentlichen Versicherer wohl stärker in seinen Fokus gerückt als das in seinen ersten Äußerungen tatsächlich der Fall war. Denn allgemein vermutet man im Sparkassenlager bei den gruppen eigenen Versicherern noch erhebliches Potenzial für Kostensenkungen im Verbund - angefangen von der Technik über die Produktgestaltung bis hin zur Markenbildung. Kurz nach dem Rückzug seiner Kandidatur für das Amt des DSGV-Präsidenten im November 2011 hatte beispielsweise der westfälisch-lippische Sparkassenpräsident Rolf Gerlach die Reserven aus einer Konsolidierung der S-Versicherer anlässlich einer Veranstaltung des gruppeneigenen IT-Dienstleisters Finanzinformatik recht konkret auf 500 Millionen Euro veranschlagt.

Der neue DSGV-Präsident indes setzte in seiner Antrittsrede und den folgenden öffentlichen Auftritten eindeutig andere Prioritäten. Die interessenwahrende Begleitung der laufenden Regulierungsmaßnahmen, die Bekräftigung des filialgestützten Geschäftsmodells der Sparkassen einschließlich aller modernen Vertriebskanäle, die Konsolidierung der Landesbanken und zuletzt das Engagement für eine Neuordnung der sparkasseneigenen Beteiligungen Landesbank Berlin und der Deka-Bank waren ihm wichtiger. Doch nach gut sechs Monaten im Amt hat ihn das Thema öffentliche Versicherer eingeholt. Nach den ersten Meldungen über Ambitionen der Allianz zur Übernahme der Provinzial Nordwest und spätestens nach dem persönlichen Drama um deren Vorstandsvorsitzenden zeigt sich ein gewisser Schulterschluss. So unterschiedlich das Angebot der öffentlichen Versicherer in den einzelnen Regionen auch sein mag und so verschiedenartig die zugehörenden Markennamen auch klingen mögen - von der Bayern Versicherung über die Provinzial-Gesellschaften und der VGH bis hin zur Sparkassenversicherung - so deutlich zeigt sich doch das Zusammengehörigkeitsgefühl, sich von der privaten Konkurrenz doch bitteschön keine sparkassenfreien Versicherungszonen verordnen zu lassen.

Zwar ist in diesem S-Finanzdienstleistungsbereich durch die jüngsten Bewegungen sicherlich kein Fusionsfieber unter den öffentlichen Versicherern zu erwarten, aber wie so oft im öffentlich-rechtlichen Banken- und Finanzsektor haben die Überlegungen um die Provinzial Nordwest einmal mehr die nordrhein-westfälische und die Kieler Politik auf den Plan gerufen. Bevor mit externen Interessenten gesprochen wird, soll nun bis März eine Fusion der Provinzial Nordwest mit der Provinzial Rheinland geprüft werden. Ob die erschwerten Rahmen- und Marktbedingungen nach Solvency II und dem anhaltend niedrigen Zinsniveau den Konsolidierungsdruck unter den öffentlichen Versicherungen angeheizt haben? Inwieweit die Sorge der Sparkassen um die künftige Wettbewerbsfähigkeit ihrer Versicherungsbeteiligungen mitschwingt? Welche Rolle die Befürchtungen der möglicherweise betroffenen Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze spielt? Wie wichtig der Allianz eine Sicherung ihrer Marktanteile ist? Welche Chancen sich der gewichtige Münchener Versicherungskonzern ausrechnet, tatsächlich in ein erklärtes Geschäftsfeld der S-Gruppe eindringen und sich die Sparkassen möglicherweise als Vertriebskanal sichern zu können? Oder ob es letztlich eine Mischung aus alledem ist, bleibt erst einmal zweitrangig. In die Konsolidierungsdebatte der öffentlichen Versicherer ist auch ohne den sichtbaren Anstoß aus den Reihen des DSGV Bewegung gekommen. Und alles sieht danach aus, dass diese Entwicklung vom Präsidenten Georg Fahrenschon durchaus wohlwollend begleitet wird - zumal er mit Ludger Gooßens als Nachfolger von Werner Netzel einen profunden Kenner der öffentlichen Versicherer mit entsprechend genauen Vorstellungen über deren Zukunft zur Seite bekommt.

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