Leitartikel

Allfinanz zwischen Regulierung und Niedrigzinsen

Das anhaltend niedrige Zinsniveau belastet nicht nur die Banken. Auch die deutsche Assekuranz kann mit ihrer traditionellen Anlagepolitik an den Kapitalmärkten in bewährten Anlageklassen keine auskömmliche Rendite finden. Die Branche leidet massiv unter den langfristigen Garantien, die insbesondere Lebensversicherer und Pensionsfonds ihren Kunden gegeben haben, deren Erfüllbarkeit innerhalb der vorgegebenen Anlagerichtlinien mit ihrem für vertretbar gehaltenen Risikoprofil aber kaum zu gewährleisten ist. Zumindest bis zur Bundestagswahl muss die deutsche Versicherungswirtschaft mit einem höchst ungemütlichen Szenario leben. Denn neben dem Druck des Marktes und der anstehenden Verschärfung der Regulierung durch Solvency II ist auch eine erhoffte Entlastung durch die Politik ausgeblieben. Nachdem sich der angerufene Vermittlungsausschuss von Bundes tag und Bundesrat im Februar 2013 nicht auf eine Kompromisslösung über eine Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven aus Zinspapieren einigen konnte, ist selbst diese Teilentlastung erst einmal verschoben. Vor diesem Hintergrund wird gerade in den beiden Verbundorganisationen seitens der Bankeigner von Versicherungen in Worst-Case-Überlegungen schon das düstere Bild ausgemalt, dass letztlich die Eigentümer ihre Versicherer in die Lage versetzen müssen, die zugesagten Leistungsversprechen erfüllen zu können.

Die unglückliche Kombination von anhaltend niedrigem Zinsniveau und regulatorischen Auflagen haben jedenfalls in beiden Verbünden den Blick dafür geschärft, dass es derzeit nicht die beste aller Konstellationen ist, wenn Banken Eigentümer von Versicherungen sind. Nicht zuletzt solche Überlegungen haben die Eigner der Provinzial Nord-West 2012 dazu bewogen, in Sondierungsgespräche und dann in Übernahmeverhandlungen mit der Allianz einzutreten. Ende November 2012 wurde ein klares Interesse und dann sogar ein konkretes Kaufangebot des Münchener Versicherers öffentlich bekannt. Dieses Szenario eines möglichen Verkaufs eines Assets aus der Sparkassenorganisation ausgerechnet an einen der harten Wettbewerber aus dem privaten Finanzsektor hat nicht nur auf der kommunalen Ebene und in Teilen der Sparkassenbasis heftige Irritationen ausgelöst, sondern auch die Landesregierungen in NRW und in Schleswig-Holstein auf den Plan gerufen. Den Eigentümern der Provinzial Nord-West wurde aufgetragen, zunächst die Möglichkeiten einer Fusion innerhalb des öffentlich-rechtlichen Bereiches mit der Provinzial Rheinland zu prüfen. Der Auftrag an die Vorstände beider Versicherer in Düsseldorf und Münster, bis Ende März dieses Jahres ein konkretes Konzept als Entscheidungsgrundlage für die Eigentümer hinsichtlich einer möglichen Fusion vorzulegen, haben in der Folge das Thema einer Neuordnung der ganzen öffentlich-rechtlichen Versicherungsszene in den Fokus der Sparkassenorganisation gerückt. Dabei sind aber sehr schnell die unterschiedlichen Positionen und Interessenlagen in den Regionen deutlich geworden.

Als sich Anfang Februar dieses Jahres die Präsidenten der regionalen Sparkassenverbände zu dem Thema ausgetauscht haben, herrschte zwar weitgehend Einigkeit, das Marktpotenzial der Sparkassenorganisation im Sach- und Unfall- wie auch im Lebensversicherungsbereich längst noch nicht ausgeschöpft zu haben. Doch mit Blick auf den daraus folgenden Handlungsbedarf wurde das zurzeit realistische Fusionsszenario ausdrücklich auf die beiden Versicherer in Münster und Düsseldorf beschränkt. Es sind nicht zuletzt Bewertungsfragen, die viele Sparkassenregionen davor zurückschrecken lassen, ihre eigenen Versicherer in eine Großfusion zu treiben, deren Erfolgsaussichten sich nur schwerlich einschätzen lassen. Vielerorts herrscht eine Scheu davor, die derzeit tendenziell niedrigen Buchwerte an den regionalen Versicherern im Zuge einer Fusion auf einen Marktwert hochschreiben zu müssen und damit gleich zwei unangenehme Effekte heraufzubeschwören. Zum einen sind viele Sparkassen vorsichtig, weil sie nach vielen Erfahrungen wie jüngst mit der Landesbank Berlin die Befürchtung hegen, mit einer Großfusion der öffentlich-rechtlichen Versicherer den Abschreibungsbedarf von morgen zu legen. Und zum Zweiten scheuen sie sich auch vor den Auswirkungen der aufsichtsrechtlichen Anrechnung des Beteiligungsbesitzes auf die eigene Eigenkapitalausstattung.

Wie schon so oft (siehe Kreditwesen 4-2009) präferieren die Sparkassenregionen deshalb zunächst Effizienzsteigerungsprogramme ihrer regionalen Versicherer und bekräftigen darüber hinaus tapfer die Bereitschaft, über sinnvolle Kooperationsfelder nachzudenken. Dass dazu die IT, eventuell mit einer gemeinsamen Anbindung der öffentlichen Versicherer an die Finanz-Informatik, gehören könnte, ist als kleinster gemeinsamer Nenner unbestritten. Inwieweit, wie kürzlich von DSGV-Präsident Georg Fahrenschon befürwortet, auch nach Gemeinsamkeiten im Asset Management oder bei Online-Aktivitäten im Versicherungsbereich gesucht werden soll, ist hingegen längst noch nicht in allen Sparkassenregionen konsensfähig. Und diese Differenzen sind angesichts der verwirrenden Eigentümerverhältnisse im öffentlich-rechtlichen Versicherungslager so leicht auch nicht auszuräumen.

Schon die Liste der Eigentümer der fünf nach Beitragsvolumen mit Abstand größten öffentlich-rechtlichen Versicherungen zeigt die komplexe Struktur des Beteiligungsgeflechtes. Geht man noch eine Stufe zu den Einzelgesellschaften zurück, wie sie traditionell im Jahrbuch der öffentlichen Versicherer zu finden sind, wird die Lage noch unübersichtlicher. Dann kommen beispielsweise noch der Badische Gemeindeversicherungsverband, der Sparkassenbeteiligungsverband Sachsen-Anhalt, der Sparkassenverband Niedersachsen, die Nord-LB, die Bremer Sparkasse, die Bremer Landesbank, die Sparkassenorganisation Saarland, die Landessparkasse zu Oldenburg und im Falle der Bayern-Versicherung Lebensversicherungs AG sogar der Genossenschaftsverband Bayern hinzu. Selbst die Aussicht auf eine einheitliche Marktbearbeitung im Verbund, wie sie das genossenschaftliche Pendant R+V Versicherung zweifellos bietet, entfacht im Sparkassenlager angesichts solcher Beteiligungsgeflechte nur begrenzte Euphorie für die Schaffung eines öffentlich-rechtlichen Großversicherers. Und im aufsichtsrechtlichen Kontext ist die Genossenschaftsorganisation ohnehin nicht zu beneiden. Denn die R+V unterliegt als Teil eines Finanzkonglomerates mit der DZ Bank an der Spitze voll der Konzernkonsolidierung. Und wie das mit Blick auf die künftige Eigenkapitalausstattung zu behandeln ist, gehört sicher zu den anspruchsvollen Aufgabenstellungen für die BaFin.

In der Tat wird die Aufsicht die künftige Entwicklung der Allfinanzkonzepte beider Verbünde unter Risikogesichtspunkten wie unter dem Blickwinkel der Eigenkapitalausstattung sehr genau beobachten. Und auch die Politik, egal in welcher Konstellation, wird sich spätestens nach der Bundestagswahl zumindest flankierend der Frage der Zukunftsfähigkeit der Assekuranz stellen müssen - allen Schwierigkeiten der Kapitalmarktkonstellation und allen Interessen der Verbraucherverbände zum Trotz. Denn eine Destabilisierung des Versicherungssektors wird sich die Gesellschaft ebenso wenig leisten wollen wie ein weiteres Anfachen der Krise bei den Banken.

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