Kreditwesen-Weintipp

Oestricher Doosberg

Peter Jacob Kühn, in der elften Generation Winzer des gleichnamigen Weinguts in Oestrich im Rheingau, ist sich dessen vollkommen bewusst. Seit dem Jahr 1786 befindet sich das Weingut im Familienbesitz, und von seinen Vorvätern hat Kühn gelernt, was einen wirklich guten Wein ausmacht und wie er die geologischen wie klimatischen Vorteile des Rheingaus zum Gelingen seiner Weine nutzen kann. So hält er die Stammhöhe all seiner Reben bewusst niedrig, um die Abstrahlung der Erdwärme optimal zu nutzen. Wie viele andere Qualitätswinzer pflanzt Kühn die Rebstöcke dicht beieinander, damit ihre Wurzeln in größere Tiefen vordringen, um Wasser aufzunehmen - und damit ebenfalls vielfältige Mineralien. Mit dem systematischen Auflockern oder, wie er es nennt, "Aufbrechen" der Erdkrume erzielt Kühn eine weitere Steigerung der Mineralisierung.

Seit einigen Jahren hat sich der Winzer dem biologisch-dynamischen Weinbau verschrieben. Anstelle von künstlichem Dünger setzt Kühn auf die Saat humusbildender Blumen, Gräser und Kräuter. Damit sollen die Reben in das sensible Geflecht des ökologischnatürlichen Gleichgewichts integriert werden. Nützlinge werden angelockt, und der latente Nährstoffaustrag über die Wintermonate wird gehemmt. Organischen Dünger stellt er mit einer aufwendigen Kompostiertechnik her und bringt ihn im Frühjahr selbst im Weinberg aus. Durch das Heranziehen einer besonders hohen Laubwand steigert Kühn das "Blatt-Frucht"-Verhältnis.

Als Folge wendet die Rebe mehr Energie für die Ernährung der höheren Blattzahl auf und fördert damit zugleich die Entwicklung der gewünschten kleinbeerigen und äußerst aromaintensiven Trauben.

Der Oestricher Doosberg ist eine von Kühns Weinlagen. Die nach Süden und Westen ausgerichteten Hänge östlich von Oestrich umfassen 152 Hektar. Der Untergrund besteht hauptsächlich aus mittel- bis tiefgründigen Ton- und Lössböden und ist mit grauem Taunusquarzit durchzogen. Das Wasserspeiche-rungs-Vermögen des Doosbergs ist optimal: Auch in heißen Sommermonaten können die Rieslingreben problemlos an Wasser gelangen.

Kühns Parade-Rieslingreben gedeihen in einem weit oben gelegenen Teil der Lage, dem Doosberg Köpfchen. Sie ist mit alten Reben bestockt und nach Südwesten ausgerichtet. Hier wuchsen die Trauben für den nach Aprikose und Quitte duftenden Oestricher Doosberg Riesling trocken Erstes Gewächs aus dem Jahr 2005. Er ist rassig und wunderbar ausgewogen. In der Nase entfaltet er ein komplexes Bukett. Im Mund ist dieser Riesling wirklich füllig - als würde man in einen hochreifen Pfirsich beißen. Von der Zungenspitze bis zum betörenden Abgang zeigt er eine schnurgerade Linie, auf der eine fantastische Frucht verwoben ist mit einer tiefgründigen Mineralität. Seine ungewöhnlich aromatische Konzentration macht ihn zu einem eindrucksvollen Weinerlebnis - und demonstriert überzeugend den hohen Qualitätsanspruch des Winzers.

Weintipp aus dem Buch: 100 Meisterwerke des Weines - Deutschland

Hrsg. Ralf Frenzel Tre Torri Verlag

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