Aufsätze

Prüfung mathematisch-statistischer Risikomessverfahren

Im Verlauf der Finanzmarktkrise brach der Handel für viele strukturierte Wertpapiere komplett zusammen. Marktpreise konnten nicht mehr ermittelt werden. Für das Risikomanagement und die Aufstellung der Bilanz ist es jedoch unerlässlich, eine Vorstellung vom fairen Wert eines Vermögensgegenstands zu haben. Unter diesen Umständen führt kein Weg an einer Modellbewertung (marking to model) vorbei. Die Bewertung von Wertpapieren, für die kein funktionierender Markt existiert, ist nur ein Bereich, in dem Modelle Verwendung finden. Generell setzen Banken in zunehmendem Maße mathematisch-statistische Modelle zur Risikoquantifizierung ein. Diese Entwicklung wird einerseits durch die immer höhere Komplexität von Produkten, andererseits durch regulatorische Anforderungen getrieben. Die Modellentwicklung und -validierung ist ein wichtiger, komplexer Prozess in einer Bank und als solcher von der Revision zu prüfen.

Einsatz von Modellen zur Quantifizierung von Risiken

Banken übernehmen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit eine Vielzahl von Risiken. Die wichtigsten Risiken sind das Marktpreisrisiko, das Kreditrisiko, das Operationelle Risiko und das Liquiditätsrisiko. Um Risiken zu beherrschen, müssen diese im Rahmen eines Risikomanagementprozesses zunächst identifiziert und quantifiziert werden. In der Regel nutzen Banken zur Risikoquantifizierung Modelle. Diese kommen in vielen Bereichen der Bank zum Einsatz: Neben internen Modellen zur Bestimmung des regulatorischen Eigenkapitals werden eine Vielzahl weiterer Modelle unterschiedlichster Art eingesetzt.

Beispielhaft sei die Bewertung von Derivaten und strukturierten Wertpapieren mit Marktpreisrisikomodellen sowie die Bestimmung der Bonität eines Schuldners mittels Kreditrisikomodellen genannt.

Ein Modell stellt eine vereinfachende Beschreibung der Realität dar.1) Unter dem Modellrisiko wird das Risiko verstanden, dass ein Modell die Realität falsch oder nicht hinreichend genau beschreibt. Verwendet eine Bank Modelle zur Risikoquantifizierung, so setzt sie sich zusätzlich zum originären Risiko einem Modellrisiko aus. Ein Modellrisiko tritt immer zusammen mit einer originären Risikoart auf. Wird das Modellrisiko schlagend, werden Risiken falsch bewertet.

Eine Über- beziehungsweise Unterschätzung von Risiken kann verheerende Folgen für eine Bank haben, da Risiken zu teuer eingekauft beziehungsweise zu billig verkauft werden. Basiert eine Absicherungsstrategie der Bank auf aus einem fehlerhaften Modell abgeleiteten Sensitivitäten, wird die Absicherung Risiken nicht im beabsichtigen Ausmaß eliminieren. Die Risikosituation der Bank wird falsch dargestellt.

Dass ein Modell die Realität nur unzureichend beschreibt, kann vielfältige Ursachen haben. Prinzipiell können Fehler auf drei Ebenen bei der Modellentwicklung auftreten (vergleiche Abbildung 1). Das Modell kann konzeptionelle oder logische Fehler enthalten, zum Beispiel in Form mathematischer Annahmen, die in der Realität nicht erfüllt sind, oder in Form fehlerhafter Expertenschätzungen aufgrund einer unzureichenden Datengrundlage. Ein an sich richtiges Modell kann falsch implementiert werden. Und schließlich kann eine falsche Modellanwendung oder eine falsche Modellkalibrierung dafür verantwortlich sein, dass die Modellergebnisse stark von der Realität abweichen. Auch eine Kombination der Fehler der verschiedenen Ebenen ist möglich.

Hinweise auf Modellprobleme

Obwohl es keinen Lackmustest für Modellfehler gibt, können folgende Beobachtungen Hinweise auf Modellprobleme liefern:

- große Gewinne durch einfache Handelsstrategien,

- überproportional viel oder kaum Geschäft in einem Bereich,

- starke Schwankungen der Modellergebnisse bei geringen Parameteränderungen,

- eine hohe Anzahl manueller Korrekturen der Modellergebnisse,

- viele Backtesting Ausreißer oder große Modellreserven.

Aufsichtsrechtliche Anforderungen

Zunächst soll folgendes einfaches Beispiel verdeutlichen, dass Banken unabhängig von aufsichtsrechtlichen Anforderungen ein Eigeninteresse an der Minimierung von Modellrisiken haben.

Verwendet die Bank ein internes Kreditrisikomodell zur Bestimmung des regulatorischen Risikokapitals, so hat sie als einen wichtigen Parameter die Ausfallwahrscheinlichkeit des Schuldners zu bestimmen. Abbildung 2 veranschaulicht die Höhe des regulatorischen Kapitals in Abhängigkeit der Ausfallwahrscheinlichkeit für ein Kreditportfolio mit einem Nominalwert von 100 Millionen Euro und einer Fälligkeit der Kredite in vier Jahren. Der Loss Given Default wird auf 40 Prozent geschätzt, die korrekte Ausfallwahrscheinlichkeit des Portfolios liege bei vier Prozent.

Aufgrund zum Beispiel einer falschen Modellkalibrierung ermittelt das Ratingmodell der Bank jedoch eine Ausfallwahrscheinlichkeit von nur drei Prozent. Die Unterschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit durch das Modell führt dazu, dass die Kapitalunterlegung von Kreditrisiken mit 10,5 Millionen Euro statt der korrekten 11,2 Millionen Euro um 700000 Euro zu gering ausfällt. Das heißt ein Fehler beim Schätzen der Ausfallwahrscheinlichkeit in Höhe von einem Prozent hat in diesem Fall ein um 6,25 Prozent zu niedriges Risikokapital zur Folge. Es werden Geschäfte abgeschlossen, die nicht im Einklang mit der Strategie der Bank stehen, da bei Geschäftsabschluss ein zu geringer Risikoaufschlag für die Kredite gefordert wird.

Regelmäßige Überprüfung erforderlich

Neben dem Eigeninteresse der Bank sicherzustellen, dass nur korrekte Modelle zum Einsatz kommen, um Verluste durch fehlerhafte oder unzeitgemäße Modelle zu vermeiden, ergibt sich die Notwendigkeit der Überprüfung von Modellen aus aufsichtsrechtlicher Sicht aus Basel II beziehungsweise dem Kreditwesengesetz (KWG), der Solvabilitäts- (SolvV) und Liquiditätsverordnung (LiqV) sowie den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk). Gemäß § 10 KWG dürfen Kreditinstitute interne Risikomessverfahren, insbesondere interne Ratingsysteme für die Schätzung von Risikoparametern des Adressenausfallrisikos, interne Marktrisikomodelle sowie interne Schätzverfahren zur Bestimmung des operationellen Risikos, zur Beurteilung der Angemessenheit ihrer Eigenmittelausstattung verwenden.

Die SolvV konkretisiert die Anforderungen §10 KWG und bestimmt, dass Markt-, Kredit- und Operationelle Risiken zu quantifizieren und mit Eigenmitteln zu hinterlegen sind. Zur Quantifizierung werden neben Standardansätzen auch interne Modelle zugelassen. Dass diese Modelle zur Risikoquantifizierung regelmäßig (mindestens einmal jährlich) durch die Revision zu überprüfen sind, geht für Kreditrisiken insbesondere aus § 153 und § 224, für Operationelle Risiken aus § 276 und § 283 sowie für Marktpreisrisiken aus § 317 hervor.

In Bezug auf Liquiditätsrisiken erlaubt §10 LiqV die Verwendung institutseigener Liquiditätsrisikomessverfahren und fordert deren regelmäßige Überprüfung.

In den MaRisk bestimmt Abschnitt BT 2.1, dass sich die Prüfungstätigkeit der Revision auf Grundlage eines risikoorientierten Prüfungsansatzes auf alle Aktivitäten und Prozesse der Bank zu erstrecken hat. Dies schließt insbesondere den Modellentwicklungs- und -validierungsprozess ein. Als Prüfungszyklus werden in BT 2.3 grundsätzlich drei Jahre, beim Bestehen besonderer Risiken, ein Jahr gefordert.

Das englische FSA Handbook bestimmt in mehreren Abschnitten (zum Beispiel in BIRPU 4.3.38 für Kreditrisiko-Modelle, in BIRPU 7.10.15 für Marktrisiko-VaR-Modelle und in BIRPU 13.6.50 für Kontrahenten-risiko-Modelle), dass die Bank mindestens jährlich im Rahmen ihres regelmäßigen Prüfungszyklus den Risikomanagementprozess zu prüfen hat. Als "Mindestbestandteile" der Prüfung werden explizit der Validierungsprozess für die im Front und Back Office eingesetzten Risikobewertungsmodelle und Bewertungssysteme genannt.

Außerdem sollen unter anderem die Genauigkeit und Angemessenheit von Volatilitäts- und Korrelationsannahmen sowie die Korrektheit der Berechnung der Risikosensitivitäten und Modellreserven überprüft werden. Abschließend sei ein Bulletin2) des amerikanischen Office of the Comptroller of the Currency (OCC) genannt, das die zu beachtenden grundlegenden Prinzipien einer Modellvalidierung und die Erwartungen der Aufsicht an den Modellvalidierungsprozess darlegt.

Modellentwicklungs- und -validierungsprozess

Der idealtypische Modellentwicklungs- und -validierungsprozess lässt sich in vier Teilprozesse zerlegen: Modellentwicklung, Modellvalidierung, Modellimplementation und Modellkontrolle.

Im Rahmen der Modellentwicklung wird zunächst ein Modell anhand verschiedener vorab definierter Qualitätsmerkmale aus allen in Frage kommenden Modellalternativen ausgewählt. Nach der Entscheidung für ein bestimmtes Modell erfolgt dessen Kalibrierung auf aktuelle (Markt-)Daten. Im Teilprozess Modellvalidierung erfolgt die Überprüfung des Modells durch eine vom Marktbereich (Front Office) unabhängige Validierungsgruppe, welche die alleinige Verantwortung für die Freizeichnung des Modells trägt. Eine einheitliche, für alle Modelle gültige Vorgehensweise bei der Validierung gibt es nicht.

Prinzipiell kann zwischen einer qualitativen Validierung (zum Beispiel Plausibilitätsprüfung durch Experten) und einer quantitativen Validierung (zum Beispiel Überprüfung mittels mathematisch statistischer Testverfahren) unterschieden werden. In der Praxis wird häufig in Abhängigkeit des Modells ein gemischter Prüfungsansatz gewählt. Hauptelement einer quantitativen Validierung ist die Überprüfung des Modells mittels eines Benchmarkmodells anhand repräsentativer Testfälle. Weichen Modell- und Benchmarkwerte stark voneinander ab, wird das Modell nicht zur Anwendung freigegeben. Sind die Abweichungen akzeptabel, wird die Nutzung des Modells ohne Einschränkung erlaubt.

Oft schlagen die Validierer jedoch noch Modellverbesserungen vor. Darüber hinaus werden gegebenenfalls Restriktionen für die Modellanwendung oder Modellreserven3) definiert. Die Häufigkeit einer Validierung schwankt zwischen einer einmaligen Durchführung, wenn das Modell auf rein mathematischen Annahmen beruht, die sich im Laufe der Zeit nicht ändern, bis hin zu einer regelmäßigen - teilweise täglichen - Überprüfung sollte das Modell auf Basis von Expertenschätzungen oder einer spezifischen Stichprobe wie bei Ratingmodellen kalibriert worden sein.

Im Rahmen der Modellimplementation wird das Modell in eine geeignete IT- und Geschäftsumgebung eingebettet und getestet. Die Modellkontrolle als letzter Teilprozess beinhaltet die laufende Überwachung der von der Validierungsgruppe definierten Modellrestriktionen und die Berechnung der Modellreserven. Bei bekannten Modellschwächen werden Positionslimite gesetzt, deren Einhaltung von der Modellkontrolle zu überwachen ist. Ferner sollten neben einem regelmäßigen Backtesting bei der Einführung eines neuen oder veränderten Modells Regressionstests durchgeführt werden, um die Konsistenz der Bewertungsergebnisse sicherzustellen.

Prüfungsansätze

Im Rahmen ihrer Prüfungstätigkeit hat die Revision die in der Bank eingesetzten Modelle zu prüfen. Das stellt aufgrund der Kombination von komplexer Prüfungsmaterie und begrenzter Prüfungszeit hohe Anforderungen an Prüfer und Geprüfte. Modellprüfungen können auf Basis der folgenden Prüfungsansätze, die sich hinsichtlich Prüfungstiefe und Prüfungskomplexität unterscheiden, konzipiert sein:

- Modell- versus Prozessprüfung: Bei einer Modellprüfung findet ein expliziter Test des Modells durch die Revision anhand eines eigenen Benchmarkmodells und eigener Testfälle und Berechnungen statt. Eine solch detaillierte Prüfung ist als Ideal anzusehen, da durch die Revision quasi eine zweite unabhängige Validierung des Modells erfolgt. Offensichtliche Nachteile eines solchen Prüfungsansatzes sind der erhebliche Zeitaufwand und die hohen fachlichen Anforderungen an die Prüfer. Für eine Modellprüfung kommen nur Spezialisten in Frage.

Prozessprüfung

Bei einer Prozessprüfung hingegen steht der Modellentwicklungs- und -validierungsprozess im Vordergrund der Prüfung. Das dem Prozess zugrunde liegende Modell wird bei einer Prozessprüfung von der Revision nicht noch einmal explizit getestet. Stattdessen prüft die Revision, wie das Modell entwickelt, validiert und implementiert wurde und ob die an dem Prozess beteiligten Parteien ihren Verpflichtungen tatsächlich nachgekommen sind. Die Anforderungen an die Prüfungsressourcen sind bei einer Prozessprüfung geringer. Prozessschwächen können aufgedeckt werden, allerdings ist es schwieriger durch diese indirekte Prüfung des Modells tatsächliche Modellfehler zu erkennen.

- Qualitative versus quantitative Prüfung: Bei einem qualitativen Prüfungsansatz wird das Modell auf Basis der Modelldokumentation in Bezug auf Annahmen, Korrektheit und Effizienz überprüft. Die konzeptionelle Angemessenheit des Modells wird durch Plausibilitätsprüfungen oder mittels eines Vergleichs mit Best-Practice- Modellen durch Experten beurteilt. Eine quantitativ ausgelegte Prüfung hingegen überprüft Modell und implementierten Code auf Basis konkreter Berechnungen. Die Revision kann zum Beispiel das entsprechende Modell nachimplementieren und die Modellergebnisse des zu überprüfenden Modells mit ihren eigenen Berechnungen vergleichen. Eine quantitative Prüfung ist aufgrund ihres Detaillierungsgrades wesentlich ressourcenintensiver als eine qualitative Prüfung.

- Modellkern- versus Modellumfeldprüfung: Bei einer Modellkernprüfung beschränkt sich die Revision auf die Überprüfung der Algorithmen und Prozesse des eigentlichen Modells. Bei einer Modellumfeldprüfung wird das Prüfungsgebiet weiter abgesteckt. Der Prüfungsumfang wird über den Modellkern hinaus auf alle Interfaces des Modells, das heißt alle Eingangs- und Ausgangsparameter, ausgedehnt. Es kann überprüft werden, ob zum Beispiel der Modellparameter "Volatilität der Aktie X" tatsächlich von den vorgeschalteten Systemen als derselbe Parameter "Volatilität der Aktie X" geliefert wird. Umgekehrt kann bei einem Ausgabeparameter überprüft werden, ob zum Beispiel eine vom Modell berechnete Sensitivität in den Nachfolgesystemen als Sensitivität verarbeitet wird.

- Ex ante versus ex post Prüfung: Bei einer ex ante Prüfung prüft die Revision ein Modell, bevor dieses in der Bank genutzt wird. Ex post Prüfungen sind Prüfungen von Modellen, die bereits aktiv in der Bank genutzt werden.

- Separate versus integrierte Prüfung: Von einer separaten Modellprüfung spricht man, wenn eine Modellprüfung isoliert stattfindet, ohne dass sie in eine größere, zum Beispiel Handels- oder Kreditprüfung, eingebunden ist. Bei einer integrierten Prüfung (Joint Audit) ist die Modellprüfung Teil einer umfassenderen, größeren Fachprüfung.

Die beschriebenen Prüfungsansätze stehen sich nicht komplementär gegenüber. Vielmehr werden in der Praxis einzelne Prüfungsansätze miteinander kombiniert. So kann sich die Revision im Rahmen einer Prozessprüfung ein bestimmtes Modell oder einen Teilaspekt eines Modells als Modellprüfung genauer ansehen. Die Abbildung 3 veranschaulicht den Trade-off zwischen Prüfungsumfang und -tiefe.

Konkrete Prüfungsaspekte

Trotz der Vielzahl unterschiedlicher Modelle gibt es einige Prüfungsaspekte beziehungsweise Prüfungsfelder, die in allen Modellprüfungen zu berücksichtigen sind. Die im Folgenden angesprochenen wichtigsten Problemfelder bilden den Rahmen für ein generisches Prüfungsprogramm. Wegen der Heterogenität der Modelle kann es sich hierbei nur um eine unvollständige Aufzählung von Prüfungsaspekten handeln.

Im Teilprozess Modellentwicklung sollte die Revision die Qualität des Modells bewerten und insbesondere überprüfen, ob das Modell alle relevanten Risikotreiber berücksichtigt. Die Zulässigkeit von Modellprämissen und vereinfachenden Annahmen muss überprüft werden. Hierzu können Experten befragt, in der Literatur nach Alternativmodellen geforscht oder, falls bekannt, ein Vergleich mit Best-Practice-Modellen angestellt werden. Zusätzlich kann ein Alternativmodell implementiert und ein eigenes Benchmarking durchgeführt werden. Ferner ist die Kalibrierungsmethodik zu überprüfen. Insbesondere sollte die bei der Kalibrierung des Modells verwendete Datengrundlage für statistische Aussagen beurteilt werden.

Angemessene Dokumentation sicherstellen

Sofern bei der Modellentwicklung Expertenschätzungen vorgenommen wurden, ist deren Angemessenheit zu überprüfen. Schließlich ist sicherzustellen, dass das Modell von den Entwicklern angemessen dokumentiert ist. Die Modelldokumentation muss sowohl die mathematische Methodik als auch eventuell getroffene Annahmen beziehungsweise Expertenschätzungen umfassen. Ein sachverständiger Dritter sollte das Modell auf Basis der Dokumentation verstehen können. Eine angemessene aktuelle Dokumentation des Modells verhindert, dass Wissen der Bank verloren geht, falls Modellentwickler die Bank verlassen (corporate memory).

Durch eine Modellvalidierung wird das Modell überprüft. Die Freizeichnung der Validierer darf allein auf den Validierungsergebnissen basieren. Um sicherzustellen, dass keine anderen Interessen die Freizeichnung eines Modells beeinflussen, muss die vom Markt unabhängige Validierungsgruppe die finale Entscheidungsgewalt hinsichtlich der Freizeichnung besitzen.

Ein Kernpunkt bei der Modellprüfung stellt das Überprüfen der bei der Validierung verwendeten Testfälle dar. Die Revision sollte hinterfragen, inwiefern die Testfälle repräsentativ gewählt sind und möglichst vollständig alle Marktsituationen abdecken. Neben der Überprüfung des Modellverhaltens in normalen Marktsituationen sollten die Validierer auch Konsistenz-, Stabilitäts- und Konvergenztests4) durchgeführt haben. Wurden im Rahmen der Validierung Restriktionen in Bezug auf die Modellanwendung oder Modellreserven definiert, so ist deren Plausibilität beziehungsweise Grundlage zu überprüfen.

Schließlich müssen die bei der Validierung eingesetzten mathematischen Methoden, die getroffenen Annahmen sowie die Validierungsergebnisse der durchgeführten Tests ausreichend dokumentiert sein. Die wesentlichen Ergebnisse der Modellvalidierung sind in einem abschließenden zusammenfassenden Validierungs- beziehungsweise Abnahmedokument festzuhalten.

Modellkontrolle mit Durchführung von Regressionstests

Im Rahmen der Modellimplementierung beurteilt die Revision, ob die technische Abnahme der Implementation innerhalb eines standardisierten Release- und Abnahmeprozesses durchgeführt wird. Entwicklungs-, Test- und Produktionsumgebung sollten sauber voneinander getrennt sein. Es sollte sichergestellt sein, dass nur ein validierter Code in die Produktionsumgebung gelangt. Abnahmetests sind zu dokumentieren. Vor Freigabe der Software müssen alle relevanten Parteien der Freigabe zugestimmt haben.

Zu den Aufgaben der Modellkontrolle bei der Einführung eines neuen beziehungsweise veränderten Modells gehört die Durchführung von Regressionstests. Diese gewährleisten die Konsistenz der Bewertungsergebnisse und stellen sicher, dass die Implementation des Modells nicht unerwünschte Auswirkungen auf die Ergebnisse anderer Modelle hat.

Neben den Ergebnissen der Regressionstests sollte die Revision auch Back- und Stress-testing-Ergebnisse begutachten, da diese Hinweise auf Modellfehler liefern können. Die Revision überprüft zudem die Berechnung der Modellreserven auf Vollständigkeit und Korrektheit sowie das Monitoring von Positionslimiten und stellt sicher, dass die von den Modellvalidierern definierten Modellrestriktionen regelmäßig von der Kontrollabteilung überwacht werden.

Modellprüfungen als Engpass

Die Prüfung des Modellentwicklungs- und Validierungsprozesses stellt an die Revision besondere Anforderungen. Regulatorische Vorgaben erlauben in immer größerem Ausmaß die Verwendung interner Modelle zur Risikoquantifizierung beziehungsweise zur Berechnung des regulatorischen Eigenkapitals.

Interne Modelle sind jedoch um ein Vielfaches komplexer als die als Alternative vorgegebenen regulatorischen Standardverfahren. Zudem führen veränderte Marktbedingungen wie zum Beispiel die aktuelle Kredit- und Liquiditätskrise zur Anpassung beziehungsweise Weiterentwicklung existierender Modelle. Es ist abzusehen, dass Anzahl und Bedeutung von Modellen in Banken eher wachsen als schrumpfen werden. Die Revision wird sich im Rahmen ihres regulären Prüfungszyklus verstärkt mit Modellen beschäftigen müssen.

Modellprüfungen sind durch die Kombination von komplexer Prüfungsmaterie und beschränkter Prüfungszeit charakterisiert. Revisoren müssen sich innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne nicht nur mathe-matisch-technisch, sondern auch fachlich in ein Thema einarbeiten. Daher empfiehlt es sich, bei einer Modellprüfung Spezialisten einzusetzen, die neben mathematischen Fachkenntnissen auch betriebswirtschaftliches Know-how besitzen. Damit steht die Revision am Arbeitsmarkt in Konkurrenz zu Geschäftseinheiten, die entsprechende Anwärter für die Modellentwicklung oder -validierung suchen.

Hinsichtlich der Prüfungsplanung können durch die Integration von Modellprüfungen Probleme entstehen. Da die Modellexpertise in der Regel auf einen kleinen Mitarbeiterkreis beschränkt ist, werden Modellprüfungen immer einen Engpass darstellen, sodass sich andere (größere) Prüfungen an diesem Engpass auszurichten haben.

Gemeinsame Prüfung wirkungsvoller

Zwar kann der Abstimmungsaufwand durch eine konsequente Trennung von Modell- und Fachprüfung minimiert werden, doch erweist sich in der Praxis eine gemeinsame, integrierte Durchführung von Modell- und Fachprüfung als wirkungsvoller. Die Planung von Joint Audits ist jedoch aufwendiger, da die Belange von mehreren Parteien sowohl auf Revisionsseite als auch auf Seite der zu prüfenden Einheiten zu berücksichtigen sind. Trotz einer guten Abstimmung kann oft nicht verhindert werden, dass die Flexibilität der Prüfungsplanung eingeschränkt wird. Gelingt trotz dieser Problematik die Organisation einer gemeinsamen Prüfung, so können durch die Zusammenarbeit von Fach- und Modellprüfern beide Seiten von den jeweiligen Stärken der anderen Seite profitieren, was insgesamt das Leistungsniveau in der Revision anhebt.

Größere Institute haben schon Modellspezialisten beziehungsweise ein eigenes Revisionsreferat, das sich auf die Prüfung von Modellen konzentriert. Für kleinere Banken stellt sich jedoch die Frage, ob es sinnvoll ist, Modellexperten einzustellen, die eventuell nicht mit Modellprüfungen ausgelastet werden können. Zwei Lösungen bieten sich an: Einerseits kann die Revision ganz auf eigene Modellspezialisten verzichten und Modellprüfungen von externen Prüfern durchführen lassen. Entscheidet sich die Revision für einen eigenen Modellprüfer, so kann dieser auch bei normalen Fachprüfungen eingesetzt werden. Dies hat für den Modellprüfer sogar den Vorteil, dass er gelegentlich über den Tellerrand seiner Modellwelt hinausschauen kann und auch modellferne Bankprozesse kennenlernt.

Gegenüber dem Outsourcing von Modellprüfungen hat ein bankinternes Modellteam den Vorteil, dass eine einheitliche Vorgehensweise bei Modellprüfungen gesichert ist und Ressourcen immer zur Hand sind. Durch die Vergabe der Modellprüfung an externe Berater geht der Revision Expertise verloren. Sie wird von externen Prüfern abhängig. Zudem besteht die Gefahr, dass innerbetriebliche Optimierungspotenziale unerkannt bleiben.

Als Fazit ist festzuhalten: Modelle werden in Banken weiterhin eine große Rolle spielen. Schon die regulatorischen Anforderungen sorgen dafür, dass sich die Revision mit dem Thema der Planung und Durchführung von Modellprüfungen beschäftigen muss.

Quellen

Comptroller of the Currency (2000): OCC 2000-16: Risk Modeling http://www.ffiec.gov/ffiecinfobase/resources/retail/occ-bl2000-16_risk_model_validation.pdf

FSA Handbook, http://fsahandbook.info/FSA/html/handbook/

Hull, J. C.: (2010): Risk Management and Financial Institutions. 2. Auflage, Pearson, Boston

Kato, T.; T. Yoshiba (2000): Model Risk and Its Control. Monetary and Economic Studies, December

Kreditwesengesetz, Fassung vom 30. Juli 2009, http://bundesrecht.juris.de/kredwg/index.html

Liquiditätsverordnung, Fassung vom 26. Dezember 2006, http://bundesrecht.juris.de/liqv/index.html

Rundschreiben 15/2009 (BA) vom 14. August 2009, Geschäftszeichen BA 54-FR 2210-2008/0001, http://www.bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_risiko_marisk.php

Solvabilitätsverordnung, Fassung vom 23. Dezember 2009, http://bundesrecht.juris.de/solvv/index.html

Fußnoten

1)Da die Modellbildung auf Abstraktion und Komplexitätsreduktion basiert, wird ein Modell immer nur eine Approximation der Realität darstellen und nie äquivalent zur Realität sein.

2)OCC 2000-16 vom 30. Mai 2000.

3)Modellreserven werden gebildet, wenn die Modellergebnisse von den Benchmarkergebnissen abweichen, das Modell aber trotzdem genutzt wird. Sie stellen einen Puffer für eventuelle Verluste dar, die auf Modellungenauigkeiten basieren.

4)Konsistenztests überprüfen, ob die Modellergebnisse bei einer speziellen Parameterwahl konsistent mit von einem anderen Modell gelieferten Ergebnissen sind. Stabilitätstests testen das Verhalten des Modells bei ungültigen oder extremen (Markt-)Daten. Kovergenztests geben in Abhängigkeit von den Modellparametern Aufschluss über das Konvergenzverhalten des Modells.

Prof. Dr. Jochen Beißer , Professor für Finanzwirtschaft, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
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