Aufsätze

Wie reagieren die Versicherungen auf die neue Qualität von Bankrisiken?

Auf der ganzen Welt arbeiten Regierungen momentan an einer Verbesserung der Regularien für die Finanzdienstleistungsbranche im Hinblick auf die letzte Finanzkrise. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat einheitliche Richtlinien, gemeinhin als Basel III bezeichnet, angekündigt, um Banken international zu regulieren. Ähnliche Vorschriften entwirft die Europäische Union momentan für die europäische Versicherungsbranche, gemeinhin als Solvency II bezeichnet. Im Allgemeinen haben alle Richtlinien gemein, dass sie nun eher einen Ansatz der Risikokapitalverteilung verfolgen, der auf Marktrisiken basiert.

Die früheren Regularien fokussierten sich eher auf dem Bilanzausweis und waren formalistisch. Banken unter Basel II unterstehen bereits Regularien, die in Richtung des neuen Ansatzes gehen. Basel III wird dieses Konzept jedoch weiter vertiefen und sowohl Liquidität als auch solvenzbezogenes Risikokapital mit einschließen. Das Gesamtergebnis dieser neuen Regularien wird vermutlich eine Verschiebung der relativen Attraktivität der verschiedenen Anlageklassen und Formate und eine Veränderung der Marktstrukturen und-dynamiken sein, da die neuen Rahmenbedingungen die Kosten für verschiedene Geschäfte verändern.

Bestehende Regularien

Bestehende Bankenregularien haben sich vor allem auf die Volatilität des Marktwertes der verschiedenen Anlageklassen konzentriert und Banken vorgeschrieben, genügend Kapital zu halten, um extreme Stresssituationen hinsichtlich des Marktwertes dieser Anlageklassen zu überstehen. Jedoch sah man in der letzten Krise, dass den Banken vor allem ihre Passivseite Schwierigkeiten bereitete. Es bestand die Gefahr, dass sie sich aufgrund des Ungleichgewichts der Aktiv- und Passivseite ihrer Bilanz hinsichtlich der Laufzeiten nicht mehr selbst finanzieren könnten. Die neuen Regeln hingegen fokussieren sich sowohl auf die Liquidität als auch auf die Volatilität der Marktwerte und erhöhen insgesamt die Kapitalanforderungen.

Für Versicherer sind die bestehenden Regularien eher formalistisch und bilanztechnisch als risikobasiert. In vielen Ländern fokussieren sich die Richtlinien eher darauf den Betrag einzuschränken, der in bestimmte Anlageklassen investiert werden darf, und das juristische Format der Anlagen zu limitieren. Das relative Risiko der verschiedenen Anlageklassen wird oft nur indirekt berücksichtigt, indem Versicherungen dazu aufgefordert werden, ihre Bilanzen verschiedenen Stresstests zu unterziehen und hierbei zu beweisen, dass sie auch noch unter diesen Szenarien solvent sind. In vielen Ländern gibt es relative arbiträre Regeln, welche Art von Anlage als Sicherungsvermögen gilt.

Eines der unlogischen Beispiele eines solchen Widerspruchs stellen die aktuellen Regeln in Deutschland dar. Vorrangige besicherte Kredite mit genügend hoher Besicherung, Nachrangdarlehen und Eigenkapital (obgleich in verschiedenen Kategorien) zählen zum Sicherungsvermögen. Vorrangige unbesicherte Kredite (soweit sie nicht mündelsicher oder gar ohne Rating sind) zählen nicht hinzu, obwohl sie aufgrund ihrer Struktur Seniorität gegenüber Nachrangdarlehen und Eigenkapital genießen.

Orientierung am Risiko

Als Antwort richten die Regulierungsbehörden diese nun marktorientierter aus und beseitigen manche Schwachstellen, die zu den Turbulenzen an den Finanzmärkten geführt haben. Auf der Bankenseite wurde offensichtlich, dass Banken verschiedene Schlupflöcher in den bestehenden Regularien ausnutzten, um ihren effektiven Verschuldungsgrad massiv zu erhöhen. Dies führte zu einer starken Abhängigkeit der Banken von kurzfristiger Finanzierung, um ihre längerfristigen illiquiden Forderungen gegenzufinanzieren.

Basel III versucht dies zu verhindern, indem es fortgeschrittenere Messmethoden für Risikokapital einführt, die die effektive Verschuldung von Banken besser erfassen, und spezielle Kapitalgebühren erhebt, wenn eine Fristentransformation in der Finanzierung auftritt. Für Banken wird es zunehmend zwingender werden, langfristige Finanzierungsmöglichkeiten für ihre langfristigen Forderungen zu finden, ihre Bilanzsumme zu verringern und die Anzahl von langfristigen Darlehen zu reduzieren, da deren passende Finanzierung schwieriger wird.

Die neuen Eigenkapitalregeln der BIZ verändern ebenso den Umfang als auch die Qualität des Kapitals, das Banken in Gesamtsumme halten müssen. Dies bedingt eine höhere Summe an "echtem" Eigenkapital und fordert ebenso, dass auch andere Kapitalformen Risiko tragen, indem sie an einem Verlust der Bank beteiligt werden. Unter den bestehenden Regularien war zu Beginn der Krise eine tatsächliche Verlustbeteiligung des meisten Tier-[2]- und manchem Tier-[1]-Kapitals nicht vorgesehen.

Bei Versicherungsunternehmen versucht Solvency II einen risikokapitalorientierten Vorschriftenrahmen einzuführen, indem marktorientierte Risikokapitalgebühren für verschiedene Anlageklassen erhoben werden. Die unterschiedlichen Marktrisiken, wie Zinsrisiko, Aktienrisiko, Credit-Spread-Risiko und Immobilienpreisrisiko wurden bestimmt und ihnen muss jeweils unterschiedlich viel Kapital entgegengehalten werden. Ebenso wie in den Regularien für Banken, gibt ist hierfür ein Standardmodell für kleinere Unternehmen.

Des Weiteren gibt es jedoch auch die Möglichkeit ein internes Risikomodell anzuwenden, falls die Regulierungsbehörde davon überzeugt werden kann, dass dieses technisch ausgereift ist und vorsichtig genug kalkuliert. In der Theorie soll Solvency II die bestehenden Regulierungen ersetzen und zu einer Harmonisierung der Regeln auf EU-Ebene für Versicherer führen.

Widersprüche zwischen Basel III und Solvency II

Obwohl alle oben genannten Veränderungen eindeutig gut beabsichtigt sind und manche Fehler der bestehenden Regularien ausbessern, führen sie zusammengenommen jedoch zu einigen Widersprüchen. Erstens werden Banken absolut gesehen mehr Kapital benötigen und manche Kapitalformen wie Lower Tier 2, Upper Tier 2 und Tier-[1]-Anleihen werden mehr an potenziellen Verlusten teilhaben müssen. Versicherer waren mit die größten Investoren in Hybridkapital, weil dieses bisher wie eine normale Anleihe mit gleichem Rating behandelt wurde.

Unter den neuen Regularien ist es wahrscheinlich, dass viel von diesem alternativen Kapital bei Versicherern wie Eigenkapital in ihren Risikokapitalmodellen behandelt wird, weil eine potenzielle Verlustbeteiligung gegeben sein muss. Daher werden Versicherer künftig höhere Renditen für solche Papiere als bisher verlangen. Banken werden hierdurch nicht nur mehr Kapital, sondern wahrscheinlich auch teureres Kapital in ihren Bilanzen halten müssen.

Kapitalgebühren der Versicherer steigen Ein weiterer Widerspruch besteht darin, dass während Basel III Banken animiert sich langfristiger zu finanzieren, die Kapitalgebühren - mit dem Credit-Spread-Modell berechnet - für längere Laufzeiten für Versicherer dramatisch steigen werden. Das bedeutet, dass Versicherungsunternehmen weniger gewillt sein werden, Banken langfristig zu finanzieren, während Letztere zur selben Zeit einen steigenden Bedarf an solchen Finanzierungen haben. Schlussendlich könnte der Preis für eine solche Finanzierung auch einfach nur steigen.

Da unter Solvency II Pfandbriefe und andere Covered Bonds mit AAA Rating im Vergleich mit unbesicherten Anleihen bevorzugt behandelt werden, wird dies vermutlich dazu führen, dass Versicherer weiterhin Covered Bonds anderen Arten von Unternehmensanleihen und Finanzschulden vorziehen werden. Zusätzlich werden Hypotheken (insbesondere mit einem Beleihungsauslauf unter 75 Prozent) unter Solvency II bevorzugt behandelt. Dies wird es für Versicherer attraktiver machen, direkt Hypothekendarlehen zu vergeben anstatt Banken als Intermediäre in diesen Geschäften zu verpflichten.

Voraussichtliche Auswirkungen auf den Markt

Schließlich werden die Veränderung durch Basel III und Solvency II die relative Attraktivität von verschiedenen Anlageklassen für Banken als auch für Versicherer verändern. Ebenso werden die Kapitalanforderungen im System steigen. Für Versicherer werden Staatsanleihen attraktiver, hierbei insbesondere AA und AAA geratete Anleihen und EEA-Staatsanleihen. AAA Covered Bonds werden ihre Bedeutung in den Portfolios von Versicherern beibehalten.

Kurzlaufende Unternehmensanleihen werden wenig Risikokapital binden, während langlaufenden Unternehmensanleihen hohe Risikokapitalanforderungen unterstellt werden. Im Allgemeinen wird nachrangiges Fremdkapital mit Verlustbeteiligung voraussichtlich wie Eigenkapital behandelt und wird somit weniger interessant für Versicherer werden. ABS, die die Solvency-II-Regel hinsichtlich Verlustbeteiligung und Transparenz erfüllen, werden attraktiver, während das Halten von ABS, die diese Regeln nicht erfüllen, momentan fast unmöglich ist angesichts der extrem hohen Kapitalgebühren. Gleichwohl werden Versicherer weiterhin äußerst vorsichtig gegenüber ABS agieren, solange die bis jetzt unklaren Regeln nicht besser spezifiziert werden, weil das Risiko nicht qualifizierende Wertpapiere zu halten einfach zu hoch ist.

Banken werden voraussichtlich weniger gewillt sein ihr Angebot an langlaufenden Darlehen auszuweiten, da sowohl höhere Liquiditätsgebühren anfallen als auch die Credit Spreads ihrer eigenen langlaufenden Anleihen wahrscheinlich höher ausfallen werden. Versicherer werden parallel in einige traditionelle Geschäftsbereiche von Banken - wie das Hypothekengeschäft und das Geschäft mit langfristigen Krediten - eindringen, da dort die Miteinbeziehung von Banken als Intermediär zu teuer wird. Solange regional geltende Regeln dies erlauben, werden Versicherer ihre direkten Verleihaktivitäten vermutlich erhöhen, falls sie geringere WACC für Kredite aufweisen als Banken.

Insgesamt werden unter den neuen Regeln Credit Spreads wahrscheinlich höher und Kreditkurven steiler. Zusammengefasst wird die also Verfügbarkeit von Krediten im System geringer werden, da höhere Kapitalanforderungen an Banken gestellt werden und weniger Spielraum für Aufsichtsarbitrage durch Off-Balance-Sheet-Verleihungen zur Verfügung steht. Dies könnte unter den neuen Regeln zu einem verringerten Wirtschaftswachstum und zu geringeren Erträgen für das Eigenkapital von Finanzinstituten führen.

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