XIX. Bankentag - Interview

Redaktionsgespräch mit Andreas Schmitz - "Die Banken haben lernen müssen, dass der Markt nicht immer recht hat."

Welche Bedeutung hat der XIX. Deutsche Bankentag für die privaten Banken?

Der Bankentag ist eine herausragende Veranstaltung - für unsere Mitgliedsunternehmen und auch für das politische Berlin. Er findet nur alle fünf Jahre statt und ist mit seinen vielen hochkarätigen Referenten und Teilnehmern aus allen Bereichen der Gesellschaft etwas Besonderes. Wir freuen uns auf den Bundespräsidenten ebenso wie auf die Bundeskanzlerin. Gerade in diesem Jahr ist das Treffen besonders wichtig, weil es nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ein deutliches Zeichen setzen soll. Wir wollen nachdrücklich dafür werben, dass Politik, Banken und Wirtschaft gemeinsame Sorge für den Finanzplatz Deutschland tragen. Jeder trägt besondere Verantwortung auf seinem Gebiet. Ziel muss sein, dass die deutsche Wirtschaft so stark bleibt wie sie ist, und die deutschen Banken so stark werden wie sie sein könnten.

Woran fehlt es dazu aus Ihrer Sicht?

Wir müssen unsere Interessen und Positionen in den zunehmend internationalen Fragestellungen künftig viel besser gemeinsam vertreten - Politik und Banken. Die Franzosen zeigen uns, wie es geht. Gerade in Brüssel oder den internationalen Gremien wie G20 ist es sehr wichtig, dass wir geschlossen auftreten und gemeinsam die Positionen vertreten. Dass in dieser Hinsicht noch viel zu tun ist, darin sind wir uns alle einig.

Anders als in beiden Verbundorganisationen kann man unter Wettbewerbern im Tagesgeschäft kaum Gemeinsamkeiten beschwören? Was also sollen die Vertreter der BdB-Banken aus der Großveranstaltung Bankentag mitnehmen?

Der Bankentag ist traditionell ein Treffen der Bankencommunity mit der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Politik. Er ist keine Nabelshow der Verbandsspitze, sondern eine Plattform des Dialogs und des Austauschs der gesellschaftlichen Gruppen. Und natürlich dient er auch dazu, die Positionen der privaten Banken kenntlich zu machen. Der Bankentag 2011 ist zudem der erste Bankentag nach Beginn der Finanzkrise. Beim letzten Bankentag vor fünf Jahren sah die Welt noch ganz anders aus - deshalb dürfen die Teilnehmer der Veranstaltung eine rückblickende Bewertung, eine Einschätzung zum Status quo und einen Blick nach vorn erwarten. Wir können deutlich machen, dass die privaten Banken verstanden haben, ihre Lektion gelernt haben und viele ihrer Erkenntnisse und Einsichten schon umgesetzt sind.

Nicht zuletzt wird die Veranstaltung den Blick dafür schärfen, wie sehr sich die internationale Bedeutung des Bankensektors in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten geändert hat. Die deutsche Kreditwirtschaft bietet ihren Kunden heute zweifellos eine sehr hohe Dienstleistungs- und Servicequalität an. Aber angesichts des Drucks auf Preise und Konditionen entwickelt sich dieser Sektor, der in allen anderen Staaten Europas zu den erfolgreichsten und profitabelsten Wirtschaftsbereichen gehört, in Deutschland immer mehr zu einem Nullsummenspiel. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt lässt ihren Banken beispielsweise so viel an Ertrag, wie etwa die türkische ihren Banken, obwohl deren BIP nur ein Fünftel von dem Deutschlands ist.

Welche Botschaften soll der diesjährige Bankentag senden?

Die Kernbotschaft ist ganz klar: Wir stehen alle gemeinsam in der Verantwortung. Banken, Politik und Wirtschaft können die anstehenden Aufgaben nur gemeinsam lösen. Banken sind ein wichtiger Teil von Wirtschaft und Gesellschaft und stellen quasi deren Blutkreislauf dar. Die privaten Banken müssen deshalb ihrer hohen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Verantwortung für das Gedeihen dieses Landes gerecht werden. Es gilt klar zu sagen, dass es - oftmals durch die Branche selbst ausgelöst - gefährliche Tendenzen gab. Einzelne Banker in den USA haben sich offenbar als Alchemisten alter Prägung herausgefordert gefühlt und geglaubt, aus Dreck Gold machen zu können. Sie wollten mit mathematischen Modellen fragwürdige Assets zu wertvollen Wertpapieren umwandeln. Dieses Geschäftsmodell hat sich eindeutig als nicht haltbar herausgestellt. An dieser Selbsterkenntnis müssen wir ansetzen. Die Banken müssen sich wieder mehr als Teil der Realwirtschaft verstehen, sonst schwindet die gesellschaftliche Akzeptanz.

Mit Blick auf die Vergütungsstrukturen müssen wir darüber hinaus deutlich dokumentieren, dass wir nicht auf den kurzfristigen Erfolg ausgerichtet sind. Wir suchen den langfristigen Erfolg. Denn Kurzfristdenken - gerade bei Banken - kann zu Fehlentwicklungen führen, die auch andere Teile der Wirtschaft mitreißen. Der Vorstand einer Bank ist nicht nur seiner Gewinn- und Verlustrechnung verpflichtet, sondern auch der Gesellschaft. Er muss das magische Viereck austarieren: seine Aktionäre befriedigen, die Kunden zufriedenstellen, die Mitarbeiter zu einer Kultur der Nachhaltigkeit anhalten und der Gesellschaft zurückgeben, was sie für ihn leistet, um ihm und seinem Unternehmen Verdienstmöglichkeiten zu eröffnen.

Ist der Veranstaltungsort Berlin gesetzt?

Berlin steht als Veranstaltungsort fest, dort ist die Politik zu Hause, und dort finden auch die gesellschaftlichen Diskussionen statt, die wir fördern wollen. Daneben ist es uns als Bankenverband aber schon klar, dass wir auch an anderen Orten präsent sein müssen - insbesondere natürlich am Finanzplatz Frankfurt und verstärkt auch in Brüssel. In Frankfurt sind große Teile unserer Mitglieder aktiv, und Brüssel verantwortet für unsere Branche 85 Prozent der Regulierungsvorhaben. Wir müssen in allen drei Zentren sehr präsent sein.

Wie viele Mitarbeiter des BdB sitzen in Brüssel? Und was bedeutet die Stärkung dieser Pole außerhalb Berlins für die Strukturen des BdB?

In Brüssel sind wir mit einer kleinen, aber schlagkräftigen Repräsentanz vertreten, die die anstehenden Themen politisch begleitet. Mehr und mehr Themen werden in Brüssel entschieden, sodass wir dort immer stärker präsent sind.

Noch wichtiger als eine zunehmende Ban-kenverbands-Präsenz ist in Brüssel aber eine gemeinsame Verantwortung der deutschen Kreditwirtschaft. Wenn alle Präsidenten der großen deutschen Bankenverbände nach Brüssel fliegen und jeder für sich dort seine Anliegen vorträgt, ruft das zu Recht Verwirrung und teils auch Missmut hervor. Die Franzosen und andere sprechen mit einer Stimme. Ihre Anliegen werden von Zentralbank, Politik und Banken getragen und haben damit eine ganz andere Durchschlagskraft. Wir müssen deswegen in den wirklich zentralen Fragen erst einmal in der deutschen Kreditwirtschaft eine einheitliche Position beziehen und dann auf EU-Ebene möglichst mit Politik und Zentralbanken gemeinsam vorstellig werden.

Wer soll das leisten?

Dafür haben wir ja übergreifende Zusammenschlüsse wie den ZKA und das Dialogforum IFD. Wo immer es geht sollen die High-Level-Themen in einen handhabbaren Kompromiss münden, hinter dem dann auch alle stehen: Den kann man dann mit einer Stimme in Brüssel vortragen.

Allem Eindruck nach gibt es unter den großen Verbänden Einigkeit, die Arbeitsteilung zwischen IFD und ZKA zu überdenken ...

Das stimmt, es sind Prozesse aufgesetzt worden, die überlappenden Tätigkeitsfelder zu identifizieren und neu zu ordnen. Eine kleine Projekt-Gruppe wird dazu in absehbarer Zeit ein Ergebnis vorlegen. Das operative Geschäft muss der ZKA machen, die High-Level-Fragen, die für den Finanzstandort wichtig sind, müssen bei der IFD angesiedelt werden. Das gilt übrigens auch für die wichtigen Fragen der Versicherungswirtschaft, beispielsweise das wichtige Thema Solvency II. Es wird in der IFD bisher nur unzureichend aufgegriffen, obwohl es über die Praxis der Refinanzierung in hohem Maße auch die Banken tangiert.

Wie beurteilen Sie die Frage der künftigen Refinanzierung der deutschen Banken?

Das Funding der Banken ist in den beiden kommenden Dekaden die Kernfrage schlechthin. Woher erhalten die Banken zukünftig ihr Geld, das sie zu welchen Margen und in welcher Form an ihre Kunden weiterleiten? Das wird zunehmend die Frage nach der Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen stellen.

Noch einmal zurück zum Bankenverband und seinem Präsidenten: Ist das Ehrenamt, wie Sie es ausüben, im Vergleich zu den beiden großen Verbünden angesichts der Zusatzbelastung noch zeitgemäß?

Jeder ist nur so gut wie der Apparat hinter ihm. Und der ist beim Bankenverband zweifellos sehr gut. Wenn der Bankenverbands-Präsident etwas braucht, kann er sich voll auf die Vorbereitungen verlassen und muss nicht selbst Studien betreiben. Und andererseits kann ich mich in meiner eigenen Bank auf ein sehr gutes Team stützen, das die zwangsläufig vorhandenen Fehlzeiten auch erträgt und abfedern kann. Im Übrigen bleibt immer festzuhalten, dass der Präsident zwar nach außen das Aushängeschild ist, die eigentliche Arbeit aber von der Geschäftsführung und den Mitarbeitern geleistet wird.

Woraus zieht der Präsident des Bankenverbands, Andreas Schmitz, sein Erfolgserlebnis? Woran spüren Sie eine erfolgreiche Arbeit?

Man führt sein Amt nach bestem Wissen und Gewissen. Die Parameter für Erfolg im Amt haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert - einfacher ist es nicht geworden. Die Entwicklung der Medienlandschaft hat riesige Veränderungen mit sich gebracht. Wenn morgens etwas passiert, wird oft im Laufe des Tages eine abgestimmte Kommentierung erwartet.

Das bedeutet für uns alle einen Lernprozess. Wir können häufig nicht warten, bis ein Arbeitsausschuss zu einer abgestimmten Erklärung findet, sondern müssen oft sehr schnell Stellung beziehen. Zudem ist die Frequenz, mit der der Bankenverband im Zuge der Finanzkrise Position beziehen muss, viel höher geworden. Früher gab es den turnusmäßigen Austausch mit dem Finanzministerium und den Vorstandskollegen. Heute haben wir viele Gespräche auf den unterschiedlichsten Ebenen, und unsere Themen stehen viel mehr im Fokus.

Beifallsbekundungen gibt es dabei vermutlich selten. Herrscht nicht gerade in Berlin ein abgrundtiefes Misstrauen gegen Banker? Wie schätzen Sie das Verhältnis des Bankenverbandes zur Politik ein? Fühlen Sie sich nur als Prügelknabe?

In der Tat ist ein gewisses Misstrauen gegenüber der Bankenbranche festzustellen, auch wenn die gegenseitige Wertschätzung wieder etwas zugenommen zu haben scheint. Mein Respekt für die Politik ist in den zwei Jahren im Amt des Bankenver-bands-Präsidenten deutlich gewachsen. Als jemand, der vorher nicht so intensiv persönlich mit Politikern auf Bundesebene zu tun hatte, ist mir aufgefallen, wie sehr sich die Politiker mit den Themen auseinander setzen und wie sehr sie um die aus ihrer Sicht besten Lösungen ringen. Da wird schon enorm viel geleistet.

Das ist eine Botschaft, die so nicht unbedingt zu erwarten ist und sich sicherlich nicht mit allen Spitzenbankern deckt ...

Das mag jeder selbst einschätzen, aber die Finanzwirtschaft akzeptiert heute, dass eine reine Selbstregulierung nicht funktioniert und Exzesse nicht verhindern konnte. Der frühere Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mir einmal gesagt, die Politik bestimmt nur den Rahmen des Bildes, und die Leinwand kann die Industrie und die Wirtschaft nach Belieben ausmalen. Die Politik hatte es nicht in jedem Fall geschafft, Rahmen beziehungsweise den richtigen Rahmen zu setzen und die Banken waren zufrieden damit.

Auch dieses Eingeständnis hätte es vor dem letzten Bankentag so wohl nicht gegeben ...

Genau das ist die zentrale Erkenntnis. Die Banken haben lernen müssen, dass der Markt nicht immer recht hat, er hat diese Krise jedenfalls nicht selbst reguliert. Nur weil sich alle rational verhalten, muss für die Gesellschaft noch lange kein wünschenswertes Ergebnis herauskommen. Dieser weiteren Einsicht aus der Krise muss man Rechnung tragen. Deshalb orientiere ich mich an den alten Prinzipien von Wilhelm Röpke, der den Staat immer als Ordnungsgeber gesehen hat, der auch die Einhaltung dieser Ordnung kontrolliert, aber nicht in jede Einzelheit des Wirtschaftslebens eingreift. Diese Balance muss im Verhältnis zwischen Banken und Staat wieder gefunden werden.

Ist das für einen Lobbyisten nicht zu viel Verständnis für die Politik?

Nein, ich trete ja dafür ein, bei der Regulierung das Augenmaß zu behalten, aber ich kann andererseits die Situation der Politiker sehr gut nachvollziehen: Er zeichnet am Donnerstag ein Gesetz über ein Bankenrettungspaket von 480 Milliarden Euro ab und muss am Samstag in seinem Wahlkreis erklären, dass für Harz IV eine Aufstockung um 1,5 Milliarden Euro nicht möglich ist. Das ist kaum zu vermitteln. Wir müssen unbedingt wieder die Mitte finden.

Wie wirkt sich die heterogene Struktur der Mitgliedsbanken auf die Arbeit im Bankenverband aus? Kann der Präsident überhaupt noch für alle Banken sprechen oder ist er eher ein Sprachrohr der großen Institute mit der Deutschen Bank an der Spitze?

Alle privaten Banken müssen sich gegenüber der Politik und der Gesellschaft artikulieren. Josef Ackermann, um Ihr Beispiel aufzugreifen, ist dabei besonders exponiert, weil er nicht nur die größte Bank Deutschlands führt, sondern er darüber hinaus Chairman des Institute of International Finance (IIF) ist. Nicht zuletzt aus dieser Position heraus ist er weltweit im Gespräch mit hochrangigen Politikern und Vertretern internationaler Gremien. Aber daneben pflegt die Deutsche Bank auch intensiv den Austausch mit den Banken-verbands-Mitgliedern und hält es für wichtig, ihre Position in einer Gemeinschaft vorzutragen. Die Bank arbeitet in allen Fragen des Bankenverbandes konstruktiv und mit ihrem ganzen Gewicht an Manpower mit, wie die beiden anderen Großbanken Commerzbank und die Unicredit/Hypovereinsbank übrigens auch.

Finden die kleineren Häuser im Bankenverband genug Gehör?

Selbstverständlich. Sie sind nicht nur im Vorstand bestens vertreten, sondern arbeiten in den verschiedenen Gremien sehr aktiv mit und bringen sich ein. Außerdem erbringt der Verband viele Dienstleistungen, die kleinere Häuser schon deshalb brauchen, weil ihnen einfach die Mitarbeiter fehlen, um zum Beispiel gesetzliche Vorgaben bei Beratungsprotokollen in der täglichen Arbeit umzusetzen.

Welche dringlichen Anliegen hat der Bankenverband derzeit an die deutsche und europäische Politik?

Auf nationaler Ebene ist uns eine Regulierung mit Augenmaß ganz wichtig. Die Politik sollte darauf achten, dass die Auswirkungen finanzieller oder administrativer Natur die Banken nicht völlig in ihrem ursächlichen Zweck beschneiden, nämlich Geschäft mit Kunden zu machen. Das Pendel der Regulierung darf nicht zu weit ausschlagen. Es ist beispielsweise nicht zielführend Banken in der Anlageberatung in die Rolle eines Notars zu drücken, der mehr oder weniger altruistisch agiert. Jeder, der in ein Autohaus geht, weiß auch ganz genau, welche Automarke man ihm dort verkaufen will.

Ein zweiter wichtiger Punkt betrifft die Gesamtbetrachtung aller Regularien: Alle angedachten Maßnahmen, künftigen Krisen zu begegnen, mögen isoliert gesehen ihre Berechtigung haben. Wenn sie von der Bankenabgabe über die Finanztransaktionssteuer bis hin zu den Eigenkapitalregelungen, der Reform der Einlagensicherung und der angesprochenen Anlegerberatung aufaddiert werden, dann nehmen sie aber der Kreditwirtschaft die Luft zum Atmen. Deshalb haben die privaten Banken in Brüssel den Wunsch nach einer Analyse der kumulativen Wirkungen artikuliert. Natürlich ist eine Bankenabgabe mit Anstrengungen bezahlbar. Aber es steht eben nicht nur dieses Thema an, sondern noch all die anderen. Auch die Abgeltungssteuer hat übrigens bei den Banken zu enormen Kosten geführt. Es ist ein passendes Beispiel dafür, dass Politik etwas ändert und die Kreditwirtschaft dafür die Systeme dafür schaffen muss.

Mit Blick auf die deutsche Politik muss zudem angemahnt werden, die nationalen Regeln gegenüber anderen Ländern nicht noch zusätzlich zu verschärfen. Es ist eben typisch deutsch, die Schraube noch ein wenig weiterzudrehen und alle Vorgaben schon umzusetzen, bevor andere Nationen sie überhaupt gelesen haben.

Was ist in diesem Zusammenhang eigentlich aus dem Prinzip der Folgenabschätzung geworden, auf das sich die deutsche Politik verständigt hat?

Im Prinzip gibt es das noch, aber man muss an diesem Punkt fairerweise ein wenig Verständnis für die Politik haben. Sie will das "Window of Opportunity" zu Veränderungen nutzen. Je länger eine akute Krise vorbei ist, umso mehr nimmt bei allen guten Vorsätzen die Bereitschaft ab, etwas zu ändern.

Stichwort Finanztransaktionssteuer: Ist das nicht ein Instrumentarium, das von der Politik auf nationaler und internationaler Ebene in die öffentliche Debatte eingeführt worden ist und nun von der Finanzindustrie als Drohkulisse genutzt wird, um besser über die zusätzlichen Belastungen des Finanzsektors stöhnen zu können? Oder ist das ernsthaft noch auf dem Tisch?

Die Finanztransaktionssteuer ist sehr wohl ein sehr konkretes Thema. Sie ist beispielsweise im Sparpaket des Bundesfinanzministers zur Sanierung des Bundeshaushalts ab 2012 eingestellt mit erhofften Steuermehreinnahmen von rund zwei Milliarden Euro. Darüber hinaus ist sie gerade erst jüngst noch einmal ausdrücklich vom EU-Parlament eingefordert worden, und zwar notfalls im europäischen Alleingang. Im Grundsatz sollte allerdings jeder wissen, dass eine Insellösung in Europa nicht funktionieren kann. Und selbst in Europa gibt es keine Einigkeit: Großbritannien als größter Finanzplatz Europas hat schon seine Ablehnung signalisiert. Viele Geschäfte lassen sich heute mühelos über internationale Finanzplätze außerhalb Europas abwickeln. Ausweichreaktionen zulasten der Finanzplätze in Europa und vor allem auch des Finanzstandorts Deutschland sind damit vorprogrammiert.

Und was mindestens ebenso zu bedenken ist: Weil alle Over-the-Counter-Geschäfte von einer solchen Transaktionssteuer wohl kaum wirksam erfasst werden können, erhöht das die Gefahr einer Abwanderung in Schattenbankensysteme. Sollte die europäische Politik sich tatsächlich für eine Finanztransaktionssteuer entscheiden, muss sie sich neben den vorgenannten Ausweichreaktionen über die weiteren negativen Folgen im Klaren sein. Verteuert würde nicht zuletzt auch die Kreditversorgung der Wirtschaft, ebenso würden alle anderen Investoren und Anleger belastet - also auch Kleinanleger im Rahmen ihrer privaten Altersvorsorge beispielsweise über Investmentfonds.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir es ausdrücklich, dass die EU-Kommission vor einer Entscheidung in dieser Sache erst einmal eine öffentliche Konsultation durchführen wird und zudem beabsichtigt, eine EU-weite Abschätzung der Folgen einer Belastung des Finanzsektors mit zusätzlichen Steuern beziehungsweise Abgaben durchzuführen.

Das Problem der Abwanderung in unregulierte Bereiche wird von der BaFin wie der Bundesbank klar gesehen und artikuliert. Aber gibt es einen konkreten Ansatz, es auch tatsächlich anzugehen?

Es gab dazu zumindest eine konkrete Absichtserklärung auf dem G20-Gipfel in Pittsburgh. Die Staatengemeinschaft hat dort klar gesagt: kein Markt, kein Produkt und kein Marktteilnehmer dürfe ohne angemessene Aufsicht und Regulierung agieren. Wenn man diesen Anspruch hat, muss das natürlich in erster Linie am größten Kapitalmarkt der Welt, nämlich den USA, umgesetzt werden. Denn dort ist sicherlich besonders ausgeprägt, was in dieser Richtung passiert. Aber wir Banken sind nicht der Regulierer, das ist die Aufgabe der Politik.

Stichwort Basel III: Wie positioniert sich der Bankenverband mit Blick auf die geplanten EK-Zuschläge für systemrelevante Banken?

Dass Banken mehr Eigenkapital brauchen, ist eine der zentralen Lehren aus der Krise. Eigenkapital hat das Potenzial Verluste auszugleichen, insofern ist eine hohe Eigenkapitalquote zunächst einmal nicht verwerflich, sondern ein zusätzlicher Schutz. Auf der anderen Seite haben wir in der Finanzkrise in Instituten mit vergleichsweise hoher Eigenkapitalquote Schwierigkeiten gesehen, weil das Geschäftsmodell einfach nicht stimmte beziehungsweise zu aggressiv war. Eine hohe Eigenkapitalquote allein schützt also nicht vor Liquiditätsengpässen und Verlusten. Auch ein anderer Punkt wird in diesem Zusammenhang viel zu wenig bedacht: Wie immer diese Zuordnung in die Kategorie der Global Systemically Important Financial Institutions, den SIFIs, ausgehen wird, könnte sie leicht dazu führen, dass die Ratingagenturen diese Werte quasi als Standard definieren, den alle erreichen müssen.

Muss der BdB aktiv werden, um Wettbewerbsverzerrungen bei der Festlegung der G-SIFIs und domestic SIFIs sowie möglicher Eigenkapitalzuschläge zu verhindern?

Wir dürfen in der Tat nicht zulassen, dass andere Banken oder Bankengruppen in Europa oder anderen Ländern anders behandelt werden als wir. Auf der anderen Seite darf nicht so einfach über nationale Gegebenheiten hinweggegangen werden. Insbesondere müssen mit Rücksicht auf die heutigen Gegebenheiten vernünftige Übergangsfristen festgelegt werden. Wenn der Regulierer nur sagt, dass es nationale Besonderheiten gibt und er die nicht will, reicht das nicht aus. Es muss vielmehr ein gangbarer Weg aufgezeigt werden, wie man dort hinkommen kann, ohne die Banken in den einzelnen Ländern zu einer Gefährdung für die übrige Wirtschaft werden zu lassen.

Stichwort Einlagensicherung: Wie beurteilen Sie den Stand in Brüssel und wie ist die Position des BdB?

Das Europaparlament berät darüber, wie die gesetzliche Einlagensicherung zukünftig gestaltet werden soll. Was derzeit auf dem Tisch liegt, geht ohne Zweifel in die richtige Richtung. Zu begrüßen ist insbesondere, dass nun die tatsächlich gedeckten Einlagen und nicht mehr alle Einlagen als Bemessungsgrundlage dienen sollen. Was aber bleibt, ist ein viel zu hohes Finanzierungsvolumen. Die deutschen Banken, die erst 2009 eine Verdopplung ihrer Beiträge verkraften mussten, werden nach diesem Vorschlag mit Beitragserhöhungen von in Summe mehreren hundert Millionen Euro konfrontiert. Das ist im Zusammenhang mit anderen neuen Anforderungen nicht zumutbar.

Eine Abschlussfrage zum Gruppenwettbewerb darf eigentlich nicht fehlen: Gibt es für den Bankenverband mit Blick auf den Wettbewerb innerhalb der deutschen Bankengruppen überhaupt noch die richtigen Feindbilder? Selbst gegenüber dem Sparkassensektor hört man von Ihnen und dem BdB nur mäßige Attacken.

Wenn man in Zeiten wie diesen nicht zusammensteht, wird man das nie schaffen. Nicht das Dreisäulenmodell ist das Problem dieses Landes, sondern das Zweisäulenmodell, nämlich die Banken mit und die ohne Geschäftsmodell.

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