Leitartikel

Ohne Zukunft?

"Die Kreditwirtschaft wird in fröhlicher und spannender Bewegung bleiben, und der BdB muss vielleicht noch stärker bedenken, ob man nach wie vor alles für alle machen kann

- oder ob klein nicht manchmal wichtiger sein kann als groß." So schrieb es der Chronist zum XVIII. Bankentag vor fünf Jahren. Man könnte und kann es genauso heute zur XIX. Auflage wieder formulieren. Wenn sich am 30. und 31. März dieses Jahres die rund 220 verbliebenen Großbanken, Regionalbanken, Privatbankiers, Kreditinstitute mit Sonderaufgaben und Auslandsbanken neuerlich versammeln, um sich selbst und den Verband zu feiern, zeigen sich die alten Probleme - mitunter gar in verschärfter Form, was aber nicht zwangsläufig Schuld des Verbandes sein muss.

Die Aufgaben für diesen sind in den vergangenen fünf Jahren keinesfalls einfacher geworden. Es fängt schon mit dem Titel zur diesjährigen Veranstaltung an: "Gemeinsam in der Verantwortung! ". Wie viel Gemeinsamkeit gibt es in diesem Verband noch? Und warum sollten kleine Institute für die Sünden der Großen die Verantwortung übernehmen? Während die Konkurrenz aus dem stolzen Sparkassen- oder volksnahen Genossenschaftslager es sehr leicht hat, die Mitglieder auf den jeweiligen "Tagen" einzuschwören und neu auszurichten, gleicht Ähnliches für die privaten Banken häufig einem Eiertanz. Die Gründe dafür sind allesamt bekannt, und doch ist es unglaublich schwer, die Dinge zu ändern. Es beginnt damit, dass die Institute auch untereinander im weiß Gott nicht immer fröhlichen Wettbewerb um Marktanteile bei privaten, reichen, mittelständischen wie Industriekunden stehen. Eine Deutsche Bank ärgert sich genauso über eine Commerzbank, die ihr mit günstigen Konditionen ein Geschäft wegschnappt, wie beispielsweise HSBC Trinkaus oder die Sparkasse oder Volksbank vor Ort. Von einer Marktaufteilung, wie sie Ähnliches im Sparkassen- und Genossenschaftslager durch das jeweilige Regionalprinzip verhindert, fehlt jede Spur.

Daran ist nichts zu ändern. Zu groß sind schließlich die Unterschiede in den Interessenlagen zwischen weltweit operierenden und regionalen, universellen bis spezialisierten und großen und kleinen Instituten. Diese Schere ist in den vergangenen fünf Jahren zweifelsfrei größer geworden. Im 110. Jahr seines Bestehens ist es dem Verband nahezu unmöglich geworden, mit einer Stimme für alle Mitglieder zu sprechen. Der amtierende Präsident bemüht sich nach Kräften und im möglichen Rahmen durchaus auch erfolgreich. Aber die gesetzten Grenzen sind eng. Das hängt natürlich auch mit hausgemachten Problemen mancher Banken oder gar Bankengruppen zusammen. Maßgebliche Treiber für die Gründung des damaligen Centralverbandes des deutschen Bank- und Bankiersgewerbes waren einerseits die angesehenen Familien der Privatbankiers, andererseits die Groß- beziehungsweise Regionalbanken. Für die Interessen diesergleichermaßen bedeutenden Gruppen war der Verband die richtige Klammer.

Diese Ausgewogenheit gibt es im aktuellen Verbandsleben nicht mehr. Die zwei (! ) übrig gebliebenen Großbanken haben sich von rein deutschen Interessen genauso weit entfernt wie die Landesbanken von ihren Sparkassen. Die Deutsche Bank beispielsweise findet für die meisten ihrer Anliegen hier in Deutschland kaum mehr Verbündete. Gleichgesinnte sind andere internationale Banken aus dem Ausland, was aber natürlich auch die Argumentation gegenüber der Politik erschwert, sieht es doch schnell nach einer "Extrawurst" aus, bei aller Berechtigung der Wünsche. Gleichwohl beanspruchen sowohl Commerzbank als auch Deutsche Bank die Führung im Bankenverband, sind sie doch mit Abstand die größten Beitragszahler - die gelben vor den blauen.

Bei zahlreichen Privatbanken dagegen ist sehr viel von dem zusammengekommen, was Unternehmensschicksale besiegelt (auch hier sind natürlich wieder Parallelen zu den Landesbanken angebracht): Kräftige Selbstüberschätzung und damit schwerwiegende Managementfehler durch das übermäßige Streben nach Macht und Ruhm, die Häufung von unglücklichen Umständen und Krisen mit schrecklichen Konsequenzen bei ehedem beherrschbar erscheinenden Risiken, unlösbare Abhängigkeiten und Interessenkonflikte durch zu nahe stehende Kunden und aufgekündigte Solidarität in der groß und alt gewordenen Familie. Die Folgen sind deutlich weniger Institute, die noch schwerer einzuordnen und zu definieren sind, als die Mitglieder des Bankenverbandes insgesamt. Hinzu kommen die Interessen von Hypothekenbanken, Immobilienbanken, Auslandsbanken und Regionalinstitute, die sehr viel mehr mit Sparkassen denn mit anderen BdB-Mitgliedern gemein haben. Wo ist die Klammer?

Dass sich manche der Mitglieder keinen Deut um den Verband und die Belange des privaten Bankgewerbes scheren und sich andere mitunter in der Öffentlichkeit "kloppen wie die Kesselflicker" erschwert die Sache ebenso, wie die Tatsache, dass unabhängige Vorstände im Zeitalter der medialen Omnipräsenz immer und überall nach ihrer Meinung gefragt werden und diese pflichtschuldig auf Band oder zu Papier geben. Dabei haben sie natürlich die Belange des eigenen Hauses stets, die Interessen des Verbandes aber nur selten präsent. Das hat zur Folge, dass von Berlin aus zunehmend Irritationen zu beseitigen sind, immer dann nämlich, wenn die Äußerungen so gar nichts mit der (ordnungs-)politischen Meinung des Verbandes zu tun haben. Eine Disziplinierung scheint unerreichbar und alle Versuche erinnern lebhaft an das sprichwörtliche "Flöhe hüten". Es grummelt im privaten Bankgewerbe. Man kann die Spannungen vielleicht auch daran ablesen, dass Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, immerhin stellvertretender Präsident des BdB, im Programm dieses Bankentags keine Rolle spielt. Er überlässt den Part seinem Vorstandskollegen Hugo Bänziger, was man aber sicherlich nicht als vorzeitiges Signal für die Nachfolgespekulationen werten sollte. Martin Blessing dagegen stellt sich. Ob Herr Ackermann auch eine Versammlung der internationalen Bankenvereinigung IIF schwänzen würde, deren Vorsitzender er ist?

All das führt natürlich zu Sendungs- und Wahrnehmungsproblemen drinnen wie draußen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Wertschätzung für Lobbyisten in Politik und Öffentlichkeit merklich abgekühlt hat. Die Verantwortlichen des Verbandes müssen sich natürlich selbst hinterfragen, ob man auf dieser Basis die übertragenen Aufgaben erfüllen kann. Der Chronist meint Nein. Mit dieser

Vielfalt hat der BdB kaum eine Zukunft. Ohne die Großbanken und auch ohne die früheren Hypothekenbanken sieht das schon anders aus. Vielleicht wird es dann auch wieder einfacher, Kandidaten für das Präsidentenamt zu finden.

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