Gespräch des Tages

Regulierung - Europäischer Weg?

Wenn man seine eigene Lösung nicht nur an den spezifischen Gegebenheiten ausrichten, sondern auch noch auf die Erfahrungen anderer zurückgreifen kann, sollte das das Ergebnis verbessern. Insofern erscheinen die Überlegungen und Vorschläge zur künftigen Bankenstruktur in Europa, die ein Expertenteam für die EU-Kommission ausgearbeitet und Anfang Oktober 2012 veröffentlicht hat, allein schon deshalb lohnend, weil sie die Ergebnisse und Umsetzungsmodalitäten der Volcker Rule in den USA und des Vickers Report in Großbritannien in ihrer Analyse mit berücksichtigen konnten. Anders als die beiden angelsächsischen Varianten sieht der Abschlussbericht der Gruppe unter Leitung des ehemaligen finnischen Notenbankgoverneurs Liikanen die (konzerninterne) organisatorische Abtrennung der Handelsgeschäfte vom Kredit- und Einlagengeschäft vor. Flankiert werden soll das Konzept von der Aufstellung wirksamer Abwicklungspläne für die betrof fenen Kreditinstitute sowie die Schaffung sogenannter Bail-in-Anleihen, mit denen die Gläubiger und das Management an Verlusten aufgrund einer Schieflage einer Bank beteiligt werden können. In all diesen Eckpunkten haben die europäischen Experten in ihrem rund 150 Seiten starken Report zwar einen Gestaltungsrahmen aufgezeigt, aber den politischen Entscheidungsgremien durchaus Handlungsspielraum eingeräumt. Und sie wollen diesen Weg ausdrücklich nicht als Abkehr vom gewachsenen Universalbankmodell europäischer Prägung gewertet wissen.

Ausgangspunkt ist sinngemäß die Erkenntnis, gute und schlechte Handelsgeschäfte in der Praxis nicht wirksam trennen zu können. Wie lassen sich etwa Derivate zur Absicherung von Krediten- oder Handelsgeschäften von hoch spekulativen Derivaten unterscheiden? Folglich sollen all diese Aktivitäten dem europäischen Ansatz nach in einer eigenen Einheit zusammengefasst werden, die sich um ihre eigene Kapitalausstattung und Refinanzierung kümmern muss. Höhere Eigenkapitalanforderungen und insbesondere eine teurere Refinanzierung dieses gesamten Handelsbereiches, so die Überlegungen, werden der Tendenz nach dessen Volumen insgesamt begrenzen. Aber die Expertengruppe gibt sich offen für ein konstruktives Zusammenwirken des Handelsbereiches mit den Einheiten für das Kredit- und Einlagengeschäft und vertraut dabei auf die Herausbildung von entsprechenden Mechanismen und einer Preisbildung am Markt. Das klingt gut, aber erst einmal reichlich abstrakt. Weiter hilft es nur, wenn sich der Vorschlag tatsächlich in der konkreten Umsetzung bewähren kann. Und damit es so weit überhaupt kommen kann, soll es nach dem Willen der EU-Kommission zunächst einmal eine Konsultation und 2013 dann gegebenenfalls die zugehörigen Gesetzesinitiativen geben.

Im hierzulande angelaufenden Meinungsbildungsprozess schlägt dem Vorschlag erst einmal eine gesunde Skepsis entgegen. Allem Eindruck nach fürchten viele um die kaum kalkulierbaren Auswirkungen der notwendigen Anpassungsprozesse. Genau das mag auch erklären, weshalb es die Deutsche Kreditwirtschaft bei allen üblichen Interessenunterschieden so eilig mit einem ersten Statement hatte. Noch am Tag der Veröffentlichung des Liikanen-Berichtes warteten die großen Bankengruppen mit einem knappen Plädoyer für das Universalbank- und der Ablehnung eines Trennbanksystems auf und warnten vor einer Schwächung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Dabei betrifft der Vorschlag nur wenige hiesige Kreditinstitute. Neben der Deutschen Bank und der Commerzbank werden allenfalls die DZ Bank sowie Landesbanken wie die LBBW unter die für die Maßnahme infrage kommenden Banken mit einem Anteil der Handelsgeschäfte an der Bilanzsumme von 15 bis 25 Prozent beziehungsweise Vermögenswerten von über 100 Milliarden Euro eingestuft.

Wenn durch die Abtrennung von Handelsaktivitäten die Möglichkeiten der bankinternen Risikostreuung unnötig eingeschränkt werden, wie die hiesige Kreditwirtschaft das befürchtet, muss das sicherlich diskutiert werden. Es darf die Branche auch zu Recht nerven, im Lichte der neuen Vorschläge gegebenenfalls die Umsetzung des laufenden Basel-III-Prozesses und der CRD IV noch einmal aufschnüren zu wollen. Und man darf nicht zuletzt die grundsätzliche Frage aufwerfen, ob die USA, Großbritannien und Resteuropa mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die künftige Bankenstruktur auf die Finanzkrise reagieren sollten? Aber wieso sollte man nicht auch den Liikanen-Vorschlag sorgfältig und vorbehaltlos prüfen? Auf diese Zeitverzögerung kommt es jetzt auch nicht mehr an - zumindest dann nicht, wenn alles noch einmal ernsthaft unter dem Aspekt der Konsistenz der Gesamtmaßnahmen betrachtet wird.

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