Gespräch des Tages

Risikomanagement - Die dümmsten Schultern tragen die größten Risiken

Prof. Dr. Jürgen Singer, Universität Leipzig, schreibt der Redaktion:

"Die Risiken werden aus den Bankbilanzen durch die intelligenten Instrumente und das ausgefeilte Risikomanagement, abgesichert durch Stresstests, auf , stärkere Schultern' verlagert, die solche Risiken besser tragen können. Das war ein wichtiges Argument im Risikomanagement der letzten Jahre. Was sich nett und plau sibel anhört, ist in Wirklichkeit falsch. Nicht die stärksten Schultern tragen die größten Risiken, diese Aufgabe fällt wie so oft den dümmsten Schultern zu. Betrachtet man rückblickend den Absatz von Aktienanleihen in 1999/2000, die Börsengänge von , Business Plänen' am Neuen Markt, den Vertrieb von schwer verständlichen und überflüssigen, hochkomplexen Zins- und Währungsderivaten an Kommunen oder Mittelständler und jetzt den in den letzten Jahren erfolgten Verkauf von US-Subprime- Krediten entsteht zwangsläufig der Eindruck: Die Dümmsten haben wieder ein Päckchen zu tragen - diesmal sind es aber weniger Privatkunden und stattdessen in erster Linie (deutsche?) Kreditinstitute.

Das Ausland stufte in der Vergangenheit deutsche Kapitalgeber als , silly money' ein und machte sich darüber lustig. Gemeint waren damit Steuersparer, die Medienfonds oder Ölexplorationsfonds zeichneten. Inzwischen mokieren sich ausländische Banker und Wirtschaftszeitungen über die Institute: Deutsche Diplom-Ingenieure seien klasse, aber die deutschen Banker, die seien so schlecht! Die Rolle des , silly money' halten der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland nach bislang vornehmlich hiesige Institute, angefangen von IKB über Sachsen-LB bis hin zur WestLB. Ob englische Gazetten, die gierig ein Thema aufgreifen, sofern es gegen Krauts geht, sich nicht zu früh freuen? Englische Großbanken dürften wesentlich stärker in Subprime- und Akquisitionsfinanzierungen involviert sein als deutsche Institute. Dies kann man leicht an den Finanzzusagen englischer Banken erkennen, die vermutlich in die eigenen Bücher genommen werden müssen. Und was ist mit der UBS und einigen großen amerikanischen Häusern? Die Quartalszahlen werden weiteren Aufschluss geben.

In den siebziger Jahren , verzockten' sich US-Banken mit der Darlehensgewährung an lateinamerikanische Staaten. Inzwischen drücken solche Institute, die offenbar aus ihren früheren Problemen gelernt haben, Risiken gerne aus ihrer Bilanz und streuen sie weltweit, dafür brauchen sie , silly money'. In aller Welt war , naives' Geld offensichtlich reichlich vorhanden. Wenn als Entschuldigung auf die AAA-Ratings verwiesen wird, dann ist dies armselig. Welche sich abzeichnende Krise wurde von Ratingagenturen schon rechtzeitig durch Korrektur der Ratings berücksichtigt?

SPVs dienen grundsätzlich dem Ausplatzieren von Risiken. Wenn allerdings, wie geschehen, für solche SPVs eine Patronatserklärung (so beispielsweise Sachsen-LB im Geschäftsbericht) oder eine Liquiditätsgarantie (IKB) abgegeben worden ist, dann sind diese Verbindlichkeiten und Aktiva nicht , off balance', sondern faktisch in der Bilanz, selbst wenn Wirtschaftsprüfer beharrlich einen Risikozusammenhang negierten. Damit wird der Gedanke der SPVs sozusagen konterkariert. Weshalb die BaFin in solchen Fällen auch vor Anwendung von Basel II nicht die SPVs in ihre Analyse einbezogen hat, verursachte im Ausland große Irritation. Es wäre nicht überraschend, wenn US-Aktionäre der IKB in den USA eine Sammelklage gegen BaFin und Bundesregierung einreichen würden, um auf diese Weise ihren Schaden infolge des Kurssturzes der IKB-Aktien ersetzt zu erhalten. Zumindest lassen sich die Käufe der CDOs als verspäteter Dank für die Marshall-Plan-Hilfe interpretieren: Die Subprime-Kredite förderten die US-Konjunktur, das Risiko landete teilweise im Ausland. Ob sich der US-Finanzminister bei seinen Kollegen dafür bedankt?"

Noch keine Bewertungen vorhanden


X