Aufsätze

Senior Loans als Alternative im Niedrigzinsumfeld

Die Lage ist bekannt: Historisch niedrige Zinsen und der Verlust sicherer Häfen sowie zunehmende Durations- und Inflationsrisiken bei einem enger werdenden regulatorischen Korsett stellen die rentendominierte Kapitalanlage institutioneller Investoren vor große Herausforderungen. Wie lassen sich in einem solchen Umfeld die notwendigen Kapitalerträge risikokontrolliert erzielen? Einige Großanleger sind bei der Beantwortung dieser Frage bereits einen Schritt weiter. Auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten haben vor allem Versicherer das Kreditgeschäft für sich entdeckt. Neben der Finanzierung von großen Infrastruktur- und Energieprojekten setzen sie auch auf das Geschäft mit Unternehmenskrediten. Mit soliden Sicherheiten unterlegte Darlehen werden zu einem immer sinnvolleren Ansatz, hieß es dazu beispielsweise aus dem Münchener Allianz-Konzern. Schon heute haben die deutschen Erstversicherer zusammen rund zehn Milliarden Euro an Unternehmen verliehen, berichtete unlängst das Handelsblatt.

Senior Loans als Investmentvehikel

Im Gegensatz zu großen Versicherungskonzernen fehlen vor allem kleineren und mittelgroßen Investoren sowohl die Kapazitäten als auch das Know-how, um Kreditgeschäfte für ihre Kapitalanlage nutzbar zu machen. Mit Senior Loans Investments lässt sich dieser Nachteil allerdings ausgleichen. Mit Inkrafttreten des Investmentänderungsgesetzes per 28. Dezember 2007 sind sie in Deutschland investmentrechtlich als Anlageinstrument für Spezialfonds und sogenannte sonstige Sondervermögen zugelassen. Der Anteil am Spezialfonds einer Versicherung darf nach dem Kapitalanlagerundschreiben der BaFin vom 15. April 2011 bis zu 30 Prozent betragen. Die restlichen 70 Prozent werden im Regelfall durch ein Basisportfolio bestehend aus festverzinslichen Wertpapieren abgedeckt.

Grundlage eines Senior Loans Investments sind vorrangig besicherte Bankdarlehen an große Unternehmen, die zumeist über ein ausgereiftes Geschäftsmodell und klare Strategien verfügen. Senior Loans, häufig auch als Bank Loans, Commercial oder Leveraged Loans bezeichnet, dienen nicht der Finanzierung des laufenden Betriebs, sondern sind stark zweckgebunden. Mit ihrer Hilfe werden klassischerweise Akquisitionen oder größere Projektvorhaben finanziert. Sie zeichnen sich daher durch verhältnismäßig hohe Kreditsummen von 50 Millionen bis über zehn Milliarden Euro aus. Ähnlich wie Hochzinsanleihen (High Yield Bonds) sind Senior Loans ein Finanzierungsinstrument für Unternehmen mit Bonitätsratings im Non-Investment-Grade-Bereich (Abbildung 1).

Für Anleger unterscheiden sie sich jedoch durch zwei wesentliche Komponenten. Erstens: Im Fall eines Konkurses genießen Senior Loans Vorrangigkeit und sind zudem über die Vermögenswerte des Unternehmens besichert. Zweitens: Im Gegensatz zu Hochzinsanleihen sind Senior Loans an besondere Transparenzrechte geknüpft, die den Gläubigern eine tiefgehende Einsicht in die Geschäftsentwicklung und die Bücher des Unternehmens sowie in bestimmtem Umfang Eingriffsmöglichkeiten ermöglichen. Wie bedeutsam diese Qualitätsunterschiede sind, zeigt ein Blick auf die einschlägigen, von Moody's und Credit Suisse veröffentlichten Marktstatistiken. Danach lag die durchschnittliche Ausfallrate bei High-Yield-Anleihen Ende 2011 bei 1,8 Prozent, die von Senior Loans hingegen nur bei 0,32 Prozent. Noch deutlicher wird der Unterschied bei einem Blick auf die Erlösquote im Schadenfall, die sogenannte Recovery Rate. Für Bankkredite mit höchster Seniorität stieg diese von 56,3 Prozent im Jahre 2009 auf 72,3 Prozent im darauffolgenden Jahr. Dieser Satz liegt signifikant über dem historischen Durchschnitt der letzten 30 Jahre von rund 59 Prozent. Im Gegensatz dazu betrug die Recovery Rate für nachrangige, unbesicherte Anleihen im gleichen Zeitraum gerade einmal gut 24 Prozent.

Kontrolliertes Durationsrisiko und solide Renditen

Den aktuellen Bedürfnissen institutioneller Investoren entsprechen Senior Loans in mehrfacher Hinsicht. Sie bieten Schutz vor Zinsrisiken, erhöhen die Diversifikation des Renten-Portfolios und liefern eine gute Performance sowie solide laufende Erträge. Gerade vor dem Hintergrund historisch tiefer Zinsen und den damit verbundenen Risiken einer Zinswende können Senior Loans die Portfolios der Anleger stabilisieren helfen. Dies ist vor allem ihrer Konstruktion geschuldet. Denn die Verzinsung erfolgt über zwei Komponenten. Zum einen über einen fixen Zinsbetrag, der das jeweilige Kreditrisiko widerspiegelt. Zum andern über eine variabel ausgestaltete Basisverzinsung, die sich an den Geldmarktzinsen orientiert. In der Regel werden die variablen Zinssätze monatlich, teilweise quartalsweise an die sich verändernden Zinssätze des Libor oder des Euribor angepasst. Auf diese Weise verfügen Senior Loans über eine relativ kurze Duration. Die Risiken einer Zinswende können so reduziert werden.

Darüber hinaus leisten Senior Loans einen nützlichen Beitrag zur Optimierung des Risiko-Rendite-Profils über den Weg der Diversifikation. Historisch betrachtet weisen sie nicht nur gegenüber anderen Assetklassen, sondern auch mit Blick auf weitere Fixed-Income-Produkte eine geringe bis negative Korrelation auf. Gerade im aktuellen Umfeld, in dem Investoren verstärkt über neue Renditemöglichkeiten und eine Verbreiterung ihres Anlageuniversums nachdenken müssen, eignen sich Senior Loans als Beimischung zu traditionell strukturierten Rentenportfolios. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie in der Lage sind, solide, risikoadjustierte Renditen zu erwirtschaften.

Ein vergleichender Blick auf die Entwicklung US-amerikanischer Aktien und den Renditeverlauf von Senior Loans im Zeitraum von März 1997 bis März 2012 macht dies deutlich. Während der S&P 500 Index in diesem Zeitraum um durchschnittlich 6,1 Prozent pro Jahr stieg, erreichte der Credit Suisse Leveraged Loan Index ein jährliches Plus von durchschnittlich 4,9 Prozent. Für den Renditeaufschlag von 1,2 Prozentpunkten mussten Investoren allerdings ein doppelt so hohes Risiko eingehen. Während der S&P Index eine jährliche Standardabweichung (Volatilität) von 18,7 Prozent aufwies, betrug diese beim Leveraged Loans Index lediglich neun Prozent. Insgesamt konnten Senior Loans von 1997 bis heute jedes Jahr positive Erträge generieren - und das sogar in den turbulenten Marktphasen der Jahre 1998, 2001 und 2002. Einzige Ausnahme ist das Krisenjahr 2008. Nach einem deutlichen Einbruch von gut 29 Prozent im Zuge der Finanzkrise konnte der Markt die Verluste bereits im nächsten Jahr mit einer Performancesteigerung von 51,6 Prozent aber schnell wieder überkompensieren.

Strukturierte Senior-Loans-Produkte auf dem Rückzug

Ihren Weg in die Portfolios der Anleger fanden Senior Loans lange Zeit vor allem über das Finanzinstrument der Verbriefung. Collateralized Loan Obligations (CLO) waren bis zur Lehman-Pleite im Jahre 2008 das präferierte Vehikel für Senior Loans Investments. Dabei beauftragt das kreditnehmende Unternehmen eine oder mehrere Banken (Agents) mit der Bereitstellung erstrangig besicherter Kredite. Die Agent Banks refinanzieren sich über den Kapitalmarkt, indem sie zumeist über das Konstrukt von CLOs künftige, regelmäßige Zahlungsströme des Unternehmens in Form von Zinszahlungen an Investoren verkaufen. Diese verbrieften Rechte lassen sich nach Risikokriterien aufgliedern und handeln. Mit der Finanzkrise ging jedoch auch der Markt für strukturierte Anlageprodukte in die Knie und führte zu einem dramatischen Einbruch beim Handelsvolumen von CLO-Emissionen.

Heute wird ein Großteil der Senior Loans über den direkten Verkauf von Anteilen am Kreditvertrag zwischen Unternehmen und Bank finanziert. Die Agent Banks bereiten ein Offering Memorandum mit allen notwendigen Informationen vor und bieten es potenziellen Investoren an. Diese können nach entsprechender Prüfung Anteile am Kreditvertrag (Loan Facility) erwerben. Diese Möglichkeit wird seit einiger Zeit verstärkt von institutionellen US-Investoren wie Pensionskassen, Versorgungswerken, Family Offices oder Versicherungen genutzt. In Europa haben vor allem Fondsgesellschaften - wenn bisher auch nur sehr wenige - Senior Loans als Ergänzung ihrer Produktpalette entdeckt. Sie analysieren den Senior-Loans-Markt und nehmen ausgewählte Kredite in ihr Portfolio auf. Dies erfordert ein spezielles Knowhow, das sich institutionelle Anleger, für die ein eigenes Direktinvestment nicht infrage kommt, zunutze machen können.

Neben dem Primärmarkt für Senior Loans existiert ein Sekundärmarkt, an dem bereits erfolgte Emissionen von einem Investor an den nächsten weitergegeben werden können. Der Handel erfolgt außerbörslich (OTC) und wird über spezialisierte Broker abgewickelt. Nach Angaben von ING Investment Management betrug das Handelsvolumen auf diesem Markt in den vergangenen Jahren durchschnittlich 440 Milliarden US-Dollar per annum. Eine Orientierung über die Marktverfassung bieten spezielle Indizes wie etwa der von der Ratingagentur S&P täglich berechnete LSTA Leveraged Loan Index. Darüber hinaus bietet der Finanzdaten Provider Markit Informationen und Analysen zur Preisentwicklung von Senior Loans Investments.

Komplexe Aufgabenverteilung im Administrationsprozess

In Deutschland legte Bayern-Invest im vergangenen Jahr einen Spezialfonds für einen institutionellen Investor unter Berücksichtigung von Senior Loans auf (Abbildung 2). Die Beimischung der Senior Loans von bis zu 30 Prozent erfolgt über einen Multi-Manager-Ansatz: Verschiedene externe Asset Manager betreuen dabei jeweils einzelne Senior-Loans-Segmente. Im Vergleich zu klassischen Wertpapier-Spezialfonds bestanden neue Herausforderungen damit weniger im Bereich des Port foliomanagements an sich als vielmehr mit Blick auf die Aufgaben der Fondsbuchhaltung, des Fondscontrollings sowie der Risikomessung.

Aus Sicht der Investoren nimmt vor allem das Reporting einen besonderen Stellenwert ein. Denn im Gegensatz etwa zu börsennotierten Wertpapieren oder solchen mit markttransparenten Handelsprozessen gestaltet sich der Informationszugang der Investoren zum Senior-Loans-Segment weniger einfach beziehungsweise aufwendiger. Die Vermögensverwalter, die Kreditpakete für ihre Fonds zusammenstellen, haben direkten Kontakt zu den Kreditnehmern und erhalten so Zugang zu nicht öffentlichen Informationen. Investoren haben diese Möglichkeit nicht und bedürfen daher in besonderem Maße fortlaufender und transparenter Informationen über den aktuellen Stand ihrer Investments.

Dies stellt zunächst besondere Anforderungen an das Schnittstellenmanagement. Denn der Administrationsprozess von Senior Loans auf Fondsebene ist ein komplexes Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure. Insgesamt gilt es, nicht weniger als sieben beteiligte Partner mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen in einen reibungslosen und effizienten Kommunikationsprozess zu integrieren. Neben der administrierenden KAG zählen dazu ein oder mehrere Asset Manager, die Depotbank, ein sogenannter Loan Servicer, die Agent Bank, ein Financial Data Provider zur Kursversorgung sowie einen spezialisierten Serviceanbieter zur Bewertungsanalyse komplexer Vermögensgegenstände. Die Kommunikation mit diesen Partnern muss so aufgesetzt sein, dass alle relevanten Informationen zum Senior Loans Investment sowohl für den Investor als auch für die Aufsicht zeitnah erhoben und mit entsprechenden Kennzahlen versehen übermittelt werden können.

Neue Anforderungen bei Bewertung

Auch die Fondsbuchhaltung hat es bei Senior Loan Investments mit neuen Problemstellungen zu tun. So besteht ein Senior-Loan-Kreditvertrag (Facility) in der Regel aus mehreren Kontrakten mit unterschiedlichen Zinssätzen und Kuponterminen. Dies erfordert eine genaue Abgrenzung der einzelnen Zinserträge sowie die Sicherstellung der Zinsberechnung je Einzelkreditvertrag.

Die Bewertung von Senior Loans stützt sich zunächst auf die Kursversorgung durch einen spezialisierten Datenanbieter. Die Investment-Rechnungslegungs- und Bewertungsverordnung (InvRBV) verpflichtet die KAG allerdings, diese Kurse zu verifizieren beziehungsweise zu plausibilisieren. Dies kann durch den Vergleich mit anderen Kursquellen oder aber über eigene Bewertungsmodelle erfolgen. Bayern-Invest nutzt hierbei unter anderem die Expertise eines externen Dienstleisters. Dieser plausibilisiert die Bewertung in einem zweistufigen Verfahren. Am Ende dieser Prozesse steht ein theoretischer Bewertungskurs, der dem tatsächlichen Kurs gegenübergestellt werden kann.

Marktumfeld für Senior Loans stabil

Die Risikomessung von Senior Loans erfordert eine Einbindung der Assetklasse in das bestehende Risikomodell des Fonds. Hier gilt es vor allem, Adress- und Ausfallrisiken, aber auch die Risiken potenzieller Marktpreisveränderungen zu quantifizieren und zu bewerten. Dies erfordert die Durchführung von Stresstests, bei denen Standard szenarien genauso berücksichtigt werden müssen wie die Auswirkungen extremer Marktentwicklungen. Neben den vom Regulator geforderten Anforderungen kommen dabei je nach Investor auch individuelle Vorgaben zum Tragen.

Der Markt für Senior Loans hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und bietet institutionellen Investoren eine solide Alternative insbesondere zu High-Yield-Anleihen. Die Mittelzuflüsse der letzten Monate zeigen, dass das Interesse der Anleger spürbar gestiegen ist, was zu einem Gutteil der aktuell schwierigen Lage im Niedrigzinsumfeld geschuldet sein dürfte. Ob die Erwartungen der Investoren erfüllt werden können, hängt nicht zuletzt von der künftigen Konjunktur- und Marktentwicklung ab. Trotz der jüngsten Marktturbulenzen sind die Perspektiven für den Kreditmarkt aufgrund der positiven Unternehmensbilanzen und der wachsenden Cash-Bestände allerdings weiterhin positiv. Senior Loans dürften damit weiterhin im Fokus der Investoren stehen.

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