Aufsätze

Sollten sensible Schlüsselindustrien vor der Übernahme durch ausländische Staatsfonds geschützt werden?

Die Globalisierung bringt für die Menschen und Unternehmen im Alltag ständige Veränderungen. Globale Mediennetze transportieren innerhalb kürzester Zeit Informationen von einem Ort zum anderen. Güter, Dienstleistungen und Kapital werden dabei in ständig steigendem Umfang gehandelt. Dabei rücken aufstrebende Volkswirtschaften wie Brasilien, China und Indien zu wichtigen Wirtschaftsmächten auf.

Die auf immer neue Rekordhöhen steigenden Rohstoffpreise und die immer engere Integration in den Welthandel, auch mit industriellen Produkten, bescheren vielen sogenannten Schwellenländern seit Jahren erhebliche Exportüberschüsse und einen entsprechenden Anstieg ihrer Devisenreserven. Vor allem die Ankündigung der Volksrepublik China, einen Teil ihrer Devisenreserven einem Staatsfonds zu übertragen, hat in vielen Industrieländern und auch in Deutschland eine intensive Debatte über Schutzmaßnahmen vor strategischen Investitionen solcher Staatsfonds ausgelöst.

Ausländische Staatsfonds - Volumina und Strategien

Das Volumen solcher Staatsfonds wird heute auf zirka drei Billionen US-Dollar taxiert. Und Schätzungen gehen davon aus, dass es bis zum Jahr 2015 auf bis zu zwölf Billionen US-Dollar anwachsen dürfte. Damit schaffen es diese Staatsfonds innerhalb weniger Jahre, nahezu an das Volumen von Versicherungsunternehmen oder Pensionsfonds heranzureichen - und das, obwohl diese viel breiter aufgestellt sind. Das weltweite Vermögen von Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds oder Investmentfonds liegt heute bei zirka 15 Billionen US-Dollar, zirka 18 Billionen US-Dollar beziehungsweise zirka 21 Billionen US-Dollar. Staatsfonds haben teilweise einen beachtlichen Einfluss, stellen aber grundsätzlich kein neues Phänomen dar. Es gibt sie seit langem, wie etwa das Beispiel Norwegen deutlich macht. Hier werden seit Mitte der achtziger Jahre die Überschüsse aus dem Verkauf von Erdöl und Erdgas in staatlichen Pensionsfonds zur Alterssicherung weltweit angelegt.

Ursache der aktuellen politischen Diskussionen über den Umgang mit solchen Fonds ist allerdings der Trend, dass diese zunehmend und in beachtlicher Größenordnung insbesondere auch in solchen Ländern entstehen, die demokratischen Traditionen und marktwirtschaftlichen Prinzipien wenig verhaftet sind. Insbesondere ist die Anlagepolitik und Anlagestrategie solcher Fonds oft wenig transparent. Der Verdacht, dass Regierungen mit solchen Fonds weniger die Interessen einer rentierlichen Kapitalanlage als vielmehr politisch-strategisch motivierte Anlageentscheidungen verfolgen könnten, ist in manchen Fällen deshalb nur schwer auszuräumen.

Angst der Menschen ernst nehmen

Die Angst der Menschen vor einem Prozess der Globalisierung, der nur als Synonym für Lohnkürzungen, Verlust von Arbeitsplätzen und dem Abbau sozialer Standards wahrgenommen wird, muss daher ernst genommen werden. Nicht zuletzt auch deshalb wird immer mehr deutlich, dass in der Sozialen Marktwirtschaft Freiheit immer mit Verantwortung und Sicherung von Vertrauen verbunden ist. Das hierfür nationale und regionale Belange eine stets stärkere Rolle spielen, verwundert einen Repräsentanten einer weltweit agierenden und dezentral vernetzten Bankengruppe nicht: Denn das Leitmotiv: "Global denken, lokal handeln" beschreibt auch die Diskussionslinie der strategischen Antworten auf ausländische Staatsfonds.

Die Problematik des Umgangs mit ausländischen Fonds steht deshalb weltweit auf der politischen Agenda. So haben die G7 anlässlich der Herbsttagung von IWF und Weltbank die Entwicklung von Transparenzregeln für solche Fonds angekündigt. Auch die EU-Kommission hat sich des Themas Anfang Dezember 2007 angenommen. Sie warnt zwar vor Barrieren gegen Staatsfonds, erwägt aber zugleich, "einige Grundregeln oder Leitlinien zu Governance und Transparenz" zu entwickeln. In Deutschland wurde bereits im Oktober 2007 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ein Referentenentwurf vorgelegt, der über eine Ausweitung des Außenwirtschaftsgesetzes ein Genehmigungsverfahren für ausländische Beteiligungen vorsieht. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Beschluss des CDU-Bundesparteitages "In Chancen denken - Strategische Standortpolitik im 21. Jahrhundert" von Anfang Dezember 2007 in Hannover.

Liberaler Welthandel und Transparenz

Die deutsche Politik steht hier vor besonderen Herausforderungen. Denn die deutsche Wirtschaft ist traditionell durch eine ausgesprochen hohe internationale Verflechtung gekennzeichnet. Als Exportweltmeister erwirtschaftet Deutschland jährlich beträchtliche Leistungsbilanzüberschüsse, deren Spiegelbild sich in der Kapitalbilanz mit entsprechend hohen Kapitalexporten niederschlägt. Deutschland ist auf offene Märkte und freien Kapitalverkehr also ganz besonders angewiesen.

Jeder Dritte Beschäftigte hat heute in Deutschland einen Arbeitsplatz, der in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung eingebunden ist. Insofern ist es nur konsequent, dass Deutschland auch nach Untersuchungen der OECD eines der offensten Länder für ausländische Direktinvestitionen ist. Und ganz sicher wäre es fatal, diese traditionelle Offenheit jetzt durch eine grundlegende Kehrtwende und generelle Abschottung gegenüber ausländischen Investitionen aufs Spiel zu setzen.

Intensiver Dialog mit der Wirtschaft

Doch darum geht es bei dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vorgelegten Gesetzentwurf auch gar nicht. Denn hiermit wird weder eine allgemeine Melde- oder gar eine Genehmigungspflicht ausländischer Investitionen, sondern nur ein Aufgriffsrecht eingeführt. Danach kann ein Investor eine genehmigungsfähige Beteiligung anzeigen und eine Genehmigung beantragen - er muss es aber nicht. Zeigt der Investor die Beteiligung nicht an, so soll der Bundesregierung in einer noch festzulegenden Frist bei ausländischen Investitionen, die die "öffentliche Sicherheit" beziehungsweise "die strategische Infrastruktur" betreffen, die Möglichkeit zur Sanktionierung eingeräumt werden.

Sicherlich muss hierzu noch ein intensiver Dialog insbesondere mit der Wirtschaft geführt werden, wie öffentliche Sicherheit oder strategische Infrastruktur definiert werden sollten. Der Bereich der Kreditwirtschaft wird sicherlich zu den sogenannten "Schlüsselindustrien", über die diskutiert werden muss, zu zählen sein. Deutschland hat hier aber gegenüber vielen anderen Ländern einen entscheidenden Vorteil. Wir haben bereits einen großen kreditwirtschaftlichen Sektor, der vor dem Eindringen ausländischer Staatsfonds geschützt ist. Die öffentlich-rechtliche Rechtsform ermöglicht es den Instituten der Spar-kassen-Finanzgruppe, sich unbeeinflusst beispielsweise für die Interessen deutscher Unternehmen und der deutschen Wirtschaft stark zu machen.

Keine einfachen Antworten

In der Diskussion um "Schlüsselindustrien" oder strategische Infrastruktur" werden keine einfachen Antworten zu finden sein, aber letztlich wird mit der Diskussion auch deutlich werden, wo die Grenzen des freien Marktes liegen und wo Eckpunkte für staatliches Handeln gesetzt werden müssen.

Ein solches Verfahren als willkürlichen Protektionismus abzulehnen, greift zu kurz und schadet der Auseinandersetzung über die Strategie für den Standort Deutschland. Jeder demokratischen Gesellschaft, jedem modernen Staat muss es vorbehalten bleiben, in letzter Konsequenz zu bestimmen, wie verantwortlich mit dem Vermögen im Land und in der Region umgegangen wird. Die Politik muss diese Herausforderung aufgreifen und - um es ordnungspolitisch zu formulieren - dafür "vertrauenstiftende Institutionen" schaffen. Im Kern geht es dabei auch um die Stärkung von Transparenz und Ausgestaltung von Eigentumsrechten und -pflichten.

Erfolgsschlüssel - Transparenz, Transparenz und nochmals Transparenz

Die Unternehmen in Deutschland müssen in die Lage gebracht werden, eine größtmögliche Transparenz über ihre Anteilseigner und deren Strategien zu erzielen. Dazu gehört auch die größtmögliche Kenntnis über die Anteilseignerstruktur ausländischer Investoren. Die Eigentümertransparenz, die für deutsche Aktienunternehmen eingeführt wurde, kann dabei Vorbild für internationale Vereinbarungen sein. Hier ist gerade als Erfolg der Deutschen Ratspräsidentschaft der G8 in diesem Jahr hervorzuheben, dass Gespräche über Transparenz und "good Governance" für Hedgefonds und Private Equity insbesondere nach anfänglichen Widerständen doch noch auf internationaler Ebene aufgegriffen wurden.

Insgesamt ist Deutschland mit dieser Politik auf dem Weg in die richtige Richtung. Einerseits werden international die gleichen Rahmenbedingungen für die Schaffung einer globalen Sozialen Marktwirtschaft vorangetrieben. Andererseits wird allen strategischen Angreifern deutlich gemacht, dass die Zukunftsfähigkeit des deutschen Investitionsstandorts durch gleiche und klare Spielregeln gesichert wird. Das Ordnungssystem der Sozialen Marktwirtschaft hat schon immer dann erfolgreich gewirkt, wenn Geschäfte auf beide Seiten - den Käufer und den Verkäufer - gut wirken.

Im Ergebnis würde Deutschland über ein ähnliches Instrumentarium verfügen wie andere Länder, die deshalb keineswegs unter den Generalverdacht der systematischen Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit stehen. Dies gilt etwa für das Vereinigte Königreich mit dem Enterprise Act oder für die Vereinigten Staaten mit dem Exon-Florio-Amendment. In der Gesetzesbegründung wird denn auch ausführlich dargelegt, dass "ein offenes Investitionsregime zu den Grundpfeilern der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland gehört" und dass "ein klarer und offener Rechtsrahmen für ausländische Investitionen und Beteiligungen eine zentrale Voraussetzung für die stetige Integration der deutschen Wirtschaft in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung" ist.

Anpassung des Rechtsrahmens

Die Auffassung, dass wirksame Regeln in diesem Bereich notwendig sind, teile ich. Es ist daher nur konsequent, dass die Bundesregierung nach Möglichkeiten sucht, den Gefährdungen durch politisch-strategisch motivierte Anlageentscheidungen sogenannter Staatsfonds im Rahmen einer Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes Rechnung zu tragen. Wenn die EU-Kommission nun darauf hinweist, dass die geplanten Regelungen mit dem geltenden Europarecht nicht zu vereinbaren sein könnten, dann sollte die Politik darauf hinarbeiten, dass der rechtliche Rahmen in Europa angepasst wird. Denn Transparenz allein wird nicht ausreichen, berechtigte Interessen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union insgesamt wirksam durchzusetzen.

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