Aufsätze

Schlüsselindustrien und ausländische Staatsfonds - die Sicht der Bundesregierung

Ungeachtet der zurzeit ein wenig aufgeregt geführten Debatte um Staatsfonds oder "Sovereign Wealth Funds (SWFs)" stellen diese keine neue Entwicklung dar. Nicht zuletzt der starke Zuwachs an Devisenreserven und die hohen Erlöse aus Rohstoffexporten in den Schwellenländern haben aber in den letzten Jahren zu einem starken Wachstum in Zahl und Größe der Staatsfonds, insbesondere in Schwellenländern beigetragen.

Vielfältige positive Wirkungen

Gemäß aktuellen Schätzungen beläuft sich das verwaltete Finanzvolumen der Staatsfonds auf 1 900 bis 2 900 Milliarden US-Dollar (Tabelle 1). Zum Vergleich: Das Anlagevermögen der Hedge Fonds beläuft sich auf zirka 1 800 Milliarden US-Dollar; die Marktkapitalisierung aller Dax-Unternehmen erreicht etwa 1 200 Milliarden US-Dollar. Morgan Stanley schätzt, dass das verwaltete Finanzvolumen der Staatsfonds bis 2015 auf 12 000 Milliarden US-Dollar anwachsen könnte.

Es gibt keinen Anlass, ausländische Staatsfonds zu verteufeln. An vielen deutschen Dax-Unternehmen sind ausländische Investoren beteiligt, und Staatsfonds aus Kuwait und Dubai halten Anteile an führenden Dax-Unternehmen wie Daimler und der Deutschen Bank - mit guten Erfahrungen.

Die positiven Wirkungen von Staatsfonds sind vielfältiger Natur:

- In Rohstoff exportierenden Ländern können Staatsfonds einen wichtigen Beitrag zur Vorsorge gegen allmählich abnehmende Rohstoffvorkommen leisten.

- Staatsfonds können helfen, stark fallende oder steigende Rohstoffeinnahmen auszugleichen, und damit kurzfristige Ausgabenkürzungen oder eine Überhitzung der Volkswirtschaft beziehungsweise spekulative Blasen zu vermeiden.

- Auch in den Empfängerländern können Staatsfonds eine nützliche Rolle für Wachstum und Beschäftigung spielen. Sie sind bisher vorwiegend als Langzeitinvestoren aufgetreten und haben auch im Falle von Finanzmarktturbulenzen Aktiva nicht kurzfristig verkauft.

- Staatsfonds haben - zumindest bisher in der Regel nicht mit Krediten und spekulativen Instrumenten gearbeitet, sondern mit eigenem Geld.

- Staatsfonds können eine wichtige Quelle für Kapital darstellen.

Insgesamt dürften deshalb Staatsfonds bisher eher zu einer Stabilisierung der Finanzmärkte beigetragen haben. In diesem Zusammenhang ist zu hoffen, dass das Engagement der Singapore Investment Agency Corporation (Gic) bei UBS sowie der Abu Dhabi Investment Authority (Adia) bei der Citibank, zur Beruhigung der Finanzmarktverwerfungen der letzten Monate beitragen.

Sehr geringe Transparenz

Dessen ungeachtet ist und bleibt die sehr geringe Transparenz der meisten Staatsfonds problematisch. Wie dargestellt, können die Portfoliogrößen der meisten Fonds nur geschätzt werden, und die Schätzungen weisen durchaus beachtliche Spannweiten aus. Wissen wir sehr wenig über die Portfoliogrößen von Staatsfonds, so wissen wir noch weniger über die Zusammensetzung ihrer Portfolios und ihre Investitionsmotive und Anlagestrategien. Auch wenn die Staatsfonds in der Vergangenheit mit ihren Investitionen keine industrie- und außenpolitischen Ziele verfolgt haben, so ist doch ein aggressiveres Anlageverhalten einzelner Fonds in Zukunft nicht auszuschließen. Angesichts ihrer Größe und ihres Wachstums - gepaart insbesondere mit ihrer unzureichenden Transparenz - könnten Staatsfonds dann auch Risiken für die Stabilität der Finanzmärkte bergen.

Vor diesem Hintergrund suchen die G7 den Dialog mit den Staatsfondsländern, um zu diskutieren, wie Verhaltensregeln, sogenannte "Best Practices" für Staatsfonds aussehen sollen. Deshalb haben sich die G7-Finanzminister zuletzt im Rahmen der Jahrestagung von IWF und Weltbank mit den Finanzministern und Fondschefs der großen Staatsfondsländer getroffen. Gleichzeitig wurden IWF, Weltbank und OECD beauftragt, Staatsfonds genauer zu untersuchen und Leitlinien für Staatsfonds und für Investitionsrahmengesetze in den Empfängerländern auszuarbeiten.

Konkret ist der IWF aufgefordert zu untersuchen, welche möglichen Gefahren für die Finanzmarktstabilität aus den Aktivitäten von Staatsfonds resultieren könnten. Außerdem soll der IWF "Best Practices" in den Bereichen Transparenz, institutioneller Strukturen der Fonds, Risikomanagement und Rechenschaftspflichten identifizieren. Empfehlungen zur Transparenz könnten dabei zum Beispiel auf periodische Veröffentlichungen mit genaueren Angaben zu Portfoliogröße und -struktur sowie Investitionsmotiven und Anlagestrategien zielen.

Die OECD wiederum ist aufgefordert, die derzeitigen Investitionsregelungen ihrer Mitgliedsländer genauer zu untersuchen und für die Empfängerländer "Best Practices" von Rahmenbedingungen für Direktinvestitionen zu entwickeln. Diese sollen sowohl den weitgehend ungehinderten Fluss von Direktinvestitionen ermöglichen, als auch genuinen nationalen Sicherheitsinteressen Rechnung tragen, basierend auf den Prinzipien der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Berechenbarkeit. Ziel sollte die Gewährleistung eines "Level Playing Field" sein.

Nationale Sicherheitsinteressen prüfen

Je größer und überzeugender die Transparenz und die "Governance"-Strukturen von Staatsfonds und je liberaler die weltweiten Investitionsbedingungen, desto eher besteht die Aussicht, auf nationale Maßnahmen verzichten zu können. Bei der Staatsfondsdebatte geht es also zu allererst um einen internationalen Dialog von Industriestaaten und Staatsfondsländern.

Jedoch gibt es in den meisten G7-Staaten darüber hinaus bereits nationale Regelungen, zum Schutz öffentlicher Sicherheitsinteressen (Tabelle 2). Nicht so in Deutschland: Das geltende deutsche Recht erlaubt bisher lediglich eine Überprüfung und gegebenenfalls Untersagung des unmittelbaren oder mittelbaren Erwerbs von Unternehmen, die Güter der Kriegswaffenliste oder Verschlüsselungsprodukte zur Wahrung des nationalen Geheimschutzes herstellen oder entwickeln beziehungsweise von Anteilen an solchen Unternehmen, wenn ein gebietsfremder Erwerber 25 Prozent oder mehr der Stimmrechte an dem Unternehmen erhält. Ausländische Direktinvestitionen, die außerhalb des Rüstungssektors Risiken für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bergen, können dagegen nicht untersucht oder untersagt werden.

Die Bundesregierung beschloss deshalb auf der Kabinettsklausur in Meseberg am 23./24. August 2007, durch die Erweiterung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) nationale Sicherheitsinteressen bei ausländischen Investitionen zu prüfen. Ich rechne damit, dass eine entsprechende Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes eine wirksame Wahrung sowohl deutscher Sicherheitsinteressen als auch der Interessen Deutschlands als attraktiver Investitionsstandorts ermöglichen wird. Derzeit wird der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der zugehörigen Außenwirtschaftsverordnung im Ressortkreis abgestimmt. Nach der Verbandsanhörung wird dann die Kabinettsbefassung erfolgen.

Der Entwurf des BMWi sieht vor, dass die Prüfung von Investitionsvorhaben allein darauf ausgerichtet werden soll, inwieweit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gegeben ist. Ein Verbot ist nur möglich, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland unerlässlich ist. Das Kriterium der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit entspricht den Vorgaben des Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag. Nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH ist eine Berufung auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit nur möglich, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Keine Schein-Konkretisierung

Auf eine Definition von "Schlüsselsektoren" wird im BMWi-Entwurf bewusst verzichtet. Eine solche (Schein-)Konkretisierung erscheint zwar auf den ersten Blick nahe liegend, ist aber ex-ante sehr schwierig wenn nicht gar unmöglich. Ob der Erwerb von gebietsansässigen Unternehmen durch gebietsfremde Erwerber aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einer Prüfung unterworfen werden kann, muss anhand dieser vom EuGH entwickelten Kriterien für jeden konkreten Fall im Einzelfall geprüft werden.

Überprüft werden sollen nur die Übernahmen von Unternehmen in Höhe von mindestens 25 Prozent des Kapitals. Dabei sollen - zur Vermeidung von Umgehungsgeschäften - inländische Unternehmen, an denen ein Gebietsfremder einen Stimmrechtsanteil von mindesten 25 Prozent hält, wie ausländische Investoren behandelt werden. Auf eine Meldepflicht der betroffenen Unternehmen wird verzichtet. Die Bearbeitung der Prüfung von Investitionsvorhaben soll innerhalb kurzer Fristen erfolgen, damit Investoren möglichst schnell über Rechtssicherheit verfügen: Maximal drei Monate bis zum Aufgreifen des Vorgangs (ab Veröffentlichung des Übernahmeangebots beziehungsweise ab Abschluss des Kaufvertrags) und ein Monat Bearbeitungszeitraum der zuständigen Behörden.

Angemessener administrativer Aufwand

Die inhaltlichen Vorschläge des BMWi-Entwurfs erscheinen mir insgesamt ausgewogen. Es ist sinnvoll, Prüfungen auf die mögliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beschränken, wobei diese Begriffe eng und EU-gemeinschaftskonform auszulegen sind. Aufgrund der kurzen Bearbeitungsfristen ist zu erwarten, dass Prüfungen schnell und mit einem für alle Beteiligten angemessenen administrativen Aufwand erfolgen werden. Grundsätzlich sollte die AWG-Änderung es der Bundesregierung erlauben, den Erwerb deutscher Unternehmen durch ausländische Investoren in sehr seltenen, sehr gut begründeten Ausnahmefällen zu prüfen, ohne die Attraktivität Deutschlands für ausländische Direktinvestitionen zu schmälern oder im Widerspruch zu EU-Recht zu stehen.

Darüber hinaus wurde das Bundesministerium der Finanzen in Meseberg beauftragt, zusammen mit dem Bankensektor die Möglichkeiten zur Stärkung von Kapitalsammelstellen zu prüfen. Insbesondere in den Medien wurde dieser Prüfauftrag dahingehend fehlinterpretiert, dass das BMF einen Schutzfonds plane, um mit Hilfe von Kapitalsammelstellen unliebsame Übernahmen abwehren zu können. Hier ist einiges durcheinander gekommen. Fakt ist: Ein staatlicher Schutzfonds zur Abwehr von unerwünschten Übernahmen ist nicht geplant und es gibt auch keine entsprechende Gesetzesinitiative. Vielmehr geht es um die strukturelle Frage, inwieweit es sinnvoll und möglich ist, die Entwicklung von Kapitalsammelstellen auch in Deutschland voranzubringen, nicht zuletzt mit Blick auf unsere Rolle als ein international wettbewerbsfähiger Finanzstandort.

Investitionen von Ausländern in Deutschland - und von deutschen Unternehmen im Ausland - leisten einen unverzichtbaren Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Deutschland ist und bleibt offen für Auslandsinvestitionen und setzt sich auf internationaler Ebene - zuletzt in der Heiligendamm-Erklärung - konsequent für Investitionsfreiheit ein. Um weltweit möglichst liberale Investitionsbedingungen zu erhalten und zu schaffen, ist vor allem eine verantwortungsvolle Reaktion von Seiten der Staatsfonds sowie ihrer Eigentümer und - für wenige Ausnahmefälle eine staatliche Prüfungsmöglichkeit in den Empfängerländern notwendig, um eine mögliche Gefährdung öffentlicher Sicherheitsinteressen auszuschließen.

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