Aufsätze

Sparkassen und Marktwirtschaft - eine ordnungspolitische Betrachtung

Mit der eintönigen Penetranz einer tibetanischen Gebetsmühle verkündet
der Bundesverband der deutschen Banken (BdB), der Staatseinfluss im
deutschen Kreditwesen sei zu hoch, was dazu führe, dass die
bedauernswerten Großinstitute einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt
seien, der sie so schwäche, dass sie zum Opfer feindlicher Übernahmen
werden könnten, zum Schaden der gesamten deutschen Wirtschaft. Nun
werden fragwürdige Thesen nicht dadurch richtig, dass sie dauernd
wiederholt werden. Die Argumentation findet aber durchaus Gehör,
insbesondere im Ausland und - erstaunlicherweise - in sich liberal
gebenden Kreisen. Es ist daher angebracht, sie auf ihren Gehalt aus
ordnungspolitischer Sicht zu durchleuchten. Dabei hält kein Glied der
Gedankenkette einer kritischen Überprüfung stand.
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Offene Märkte und Rechtsform
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Bewusst irreführend ist es bereits, die Größe des Sparkassensektors
mit übermäßigem, den Wettbewerb verzerrenden Einfluss des Staates
gleichzusetzen. Denn damit wird suggeriert, hier herrschten quasi
planwirtschaftliche Verhältnisse. Insbesondere bei internationalen
Institutionen hat diese Propaganda wohl schon den Eindruck vermittelt,
im deutschen Finanzwesen hätte sich die letzte Bastion des
untergegangenen Reichs Erich Honeckers gehalten. So rührt der -
ansonsten sehr renommierte konservative amerikanische Think Tank
Heritage Foundation bei der Konstruktion seines Index of Economic
Freedom locker Sparkassen, Landesbanken und Kreditgenossenschaften(!)
in einen Topf, um damit den hohen Anteil der Staatswirtschaft zu
belegen und daraus ein mangelndes Maß an ökonomischer Freiheit
abzuleiten. Zu dem Schluss, solchen Zuständen müsse abgeholfen werden,
ist es dann verständlicherweise nicht weit.
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Geschickt setzt der BdB die Privatisierung der öffentlich-rechtlichen
Institute mit der Öffnung des Marktes gleich. Hier hat Deutschland
jedoch keinerlei Nachholbedarf - im Gegenteil: Schon seit Jahrzehnten
kann sich hierzulande jeder Wettbewerber frei und ohne Diskriminierung
betätigen. Kein aus- oder inländisches Haus wird daran gehindert, sich
niederzulassen, Filialen zu eröffnen und sich zu entfalten, wenn es
die dazu notwendigen aufsichtsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Die
hohe Zahl der Auslandsbanken belegt dies zweifelsfrei.
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Schlichtweg falsch ist die These, öffent-lich-rechtliche Unternehmen
seien aus ordnungspolitischen Gründen in einer Marktwirtschaft fehl am
Platze, denn diese kennt keine Präferenz für eine bestimmte
Rechtsform. Die Skepsis der liberalen Denker gegenüber staatlichem
Eigentum rührt vielmehr daher, dass dieses oft verbunden ist mit
wirtschaftlicher (Monopol-)Macht. Eine solche Kumulation führt in der
Tat fast immer zu einer suboptimalen Versorgung der Verbraucher. Im
deutschen Finanzwesen ist aber gerade dies nicht der Fall: Die
Existenz der Kreditgenossenschaften und der Sparkassen sorgt dafür,
dass die Struktur des deutschen Bankenmarktes dem Ideal eines
optimalen Wettbewerbs sehr nahe kommt.
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Eine Studie der KfW belegt eindrucksvoll, dass das Wachstum der
Arbeitsproduktivität im hiesigen Kreditwesen sowohl über demjenigen
der meisten anderen heimischen Branchen als auch über demjenigen der
Institute in nahezu allen Industrieländern liegt. Darüber hinaus wurde
dieser Fortschritt nirgends so schnell und so stark an die Verbraucher
weitergegeben wie hierzulande. Dass dies zum Segen der Bürger ist, ist
für andere Bereiche der Wirtschaft unumstritten. Kein vernünftiger
Mensch käme auf die Idee, die harte Konkurrenz im Einzelhandel oder in
der Bauwirtschaft zu beschränken, damit die großen Unternehmen bessere
Margen erzielen können. Dass die hohe Wettbewerbsintensität den
Großbanken nicht gefällt, ist verständlich, aus marktwirtschaftlicher
Sicht aber ein begrüßenswerter Zustand.
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Hoher Konzentrationsgrad mit negativen Folgen
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Eine jüngst im Journal of Finance erschienene Studie der beiden
Amerikaner Garmaise und Moskowitz kommt zu dem Ergebnis, dass eine zu
große Konzentration im Bankensektor erhebliche negative Folgen für die
Wirtschaft hat. Mit sinkendem Wettbewerb, so zeigen sie anhand einer
breit angelegten empirischen Untersuchung für die USA,
verschlechterten sich die Kreditkonditionen für die Unternehmen um bis
zu fünf Prozent, und es wurde schwieriger, überhaupt Fremdkapital
aufzunehmen. Als Nebenaspekt weisen sie sogar nach, dass sich darauf
das soziale Umfeld in der betroffenen Region verschlechterte bis hin
zu steigender Kriminalität.
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Niedrige Kreditzinsen sind gut für Verbraucher und Wirtschaft.
Problematisch wären sie nur, wenn sie durch eine vom Staat verfälschte
ruinöse Konkurrenz zustande kämen. Davon ist Deutschland aber weit
entfernt. Die Sparkassen genießen - entgegen aller anders lautender
Behauptungen keinerlei Privilegien: keinerlei Steuervorteile,
keinerlei Subventionen und keinerlei regulatorische Begünstigungen. Da
die meisten Institute über mehr Einlagen verfügen als sie Darlehen an
Kunden vergeben haben, sind sie nicht darauf angewiesen, den
Kapitalmarkt anzuzapfen. Deshalb haben selbst die oft angeführten
Refinanzierungsvorteile aufgrund der staatlichen Haftungsgarantien nie
existiert.
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Dies betont auch die große Nähe zum S-Finanzverbund sicher
unverdächtige Ratingagentur Moody´s in ihrer Studie "Assessing
Germany´s Public Sector Banks and their Cross Sector Support
Mechanisms": "In particular we are of the view that the Sparkassens´
business model does not hinge on the legal support mechanisms of
Anstaltslast and Gewährträgerhaftung." Spätestens seit Letztere im
Juli 2005 gefallen sind, kann davon nun endgültig keine Rede mehr
sein.
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Wettbewerb: Optimum für die Verbraucher
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Auch für ihr Eigenkapital waren die Mitglieder des öffentlichen
Sektors schon bisher nicht auf ihre Träger angewiesen. Sie konnten
dieses in der Regel aus erwirtschafteten Gewinnen bilden. Gelungen ist
ihnen das, weil sie eben keineswegs Non-Profit-Organisationen sind,
sondern sich voll im Wettbewerb bewähren müssen. Verluste aus den
Fehlern der Vergangenheit auf einen Schlag abzuschreiben und dann die
Kapitalbasis mittels neuer Aktien zu restaurieren - dieser Weg steht
Sparkassen nicht offen.
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Konstitutives Prinzip der liberalen Lehre ist die unsichtbare Hand des
Wettbewerbs, die gewährleistet, dass die Verbraucher bestmöglich mit
Gütern und Dienstleistungen versorgt werden. Ziel ist, das Optimum für
die Konsumenten zu erreichen, nicht für die Produzenten. Deshalb ist
es schon erstaunlich, dass Institutionen und auch Presseorgane, die
sich sonst als Bannerträger der Marktwirtschaft geben, für das
Kreditwesen fordern, die existierende Konkurrenz einzuschränken, damit
die Großbanken höhere Profite einstreichen können.
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Die Eigenkapitalrendite immer weiter zu steigern, ist zwar aus
betriebswirtschaftlicher Sicht zielführend, volkswirtschaftlich aber
keineswegs, denn die Leistung der unsichtbaren Hand besteht gerade
darin, das Gewinnstreben des Einzelnen zum Wohle des Ganzen zu
transformieren und damit langfristig zu begrenzen.
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Italien: "Paradies für Banken"?
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Im dynamischen Gleichgewicht stellt sich eine Rendite ein, die gerade
so hoch ist, dass dadurch sichergestellt wird, dass die Verbraucher
stetig und kostengünstig mit Gütern und Dienstleistungen versorgt
werden. Höhere Ertragschancen signalisieren ein temporäres
Marktungleichgewicht und locken neue Anbieter an, worauf die Margen
wieder sinken. Gerade dieser Mechanismus funktioniert in einem
vermachteten Markt mit wenigen Großbanken nicht, wie die Beispiele in
Großbritannien und Italien zeigen. Dass die Protagonisten der
Sparkassenprivatisierung gerade auf diese Länder als ihr Ideal
verweisen, zeigt, dass es ihnen nicht darum geht, die
gesellschaftliche Wohlfahrt zu maximieren, sondern ausschließlich die
eigene.
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Denn in diesen Ländern beherrschen wenige Institute den Markt, mit der
Folge, dass die Kunden weit schlechtere Konditionen in Kauf nehmen
müssen oder überhaupt keine Bankdienstleistungen mehr erlangen können.
Mit institutionellen Eingriffen versucht die englische Regierung, dies
wenigstens notdürftig wieder zu ermöglichen. Das deutsche System mit
seiner flächendeckenden Versorgung gegen ein solches einzutauschen,
wäre keineswegs eine liberale Heldentat, sondern ein
Schildbürgerstreich. Die Konkurrenz auszuschalten und dann die
verbleibenden Großunternehmen durch eine Regulierungsbehörde zu
überwachen sowie ein ausreichendes Angebot für die Bürger durch
staatliche Auflagen und Subventionen notdürftig wieder herzustellen,
das ist schlichtweg unsinnig, auf keinen Fall aber liberal.
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Der als ideal gepriesene Zustand, in anderen Ländern hätten die fünf
größten Banken Marktanteile bis zu 80 Prozent, hat mit liberalem
Gedankengut nicht das Geringste gemein. Im Gegenteil, gerade der
Ordoliberalismus fordert eine strikte Wettbewerbspolitik und
Fusionskontrolle, um zu vermeiden, dass zu große ökonomische Macht
entsteht. Auch die liberalen Denker hätten ein solches Ansinnen mit
Sicherheit zurückgewiesen. Schon Adam Smith warnte: "Wenn zwei oder
mehr Unternehmer zusammensitzen, verabreden sie sich, den Wettbewerb
zu beschränken." Ludwig Erhard, der Vater der sozialen
Marktwirtschaft, stand der Großindustrie undfinanz erklärtermaßen
skeptisch gegenüber und setzte bewusst auf die schöpferische Kraft des
Mittelstands.
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Eine überregionale Tageszeitung hat vor geraumer Zeit ernsthaft
empfohlen, Deutschland solle sich Italien zum Vorbild für sein
Bankensystem nehmen. Der Kommentar schloss: In Deutschland "pflegt man
noch den idyllischen Gedanken an die Kleinsparkasse, die den lokalen
Schreiner bedient, während über Kredite an Großunternehmen und
Krisenfälle wohl bald in London und New York entschieden wird." Dass
solche Thesen ausgerechnet von dem Blatt vertreten werden, das sich
sonst als Hüter des Liberalismus geriert, versetzt schon in Erstaunen.
Ein enges Oligopol, das nicht einmal im Wettbewerb entstanden ist,
sondern vom damaligen Präsidenten der italienischen Zentralbank nach
eigenem Gusto gezimmert wurde, hat mit dem ordnungspolitischen
Leitbild Ludwigs Erhards nichts zu tun.
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Kundennähe und nicht Rechtsform als Erfolgsfaktor
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Ausgerechnet das damalige Italien als Land der bankwirtschaftlichen
Verheißung auszudeuten, ist decouvrierend: Die dortigen Verbraucher
bezahlen bis zum Fünffachen dessen, was in Deutschland üblich ist, und
das mit weiter steigender Tendenz. So verlangt die Deutsche Bank
Italien etwa fünf Euro für eine schlichte Überweisung. Kurze Zeit
später schrieb denn auch der gleiche Journalist, aus dessen Feder die
obigen Zeilen stammen: "Italien bietet ein Paradies für ausländische
Banken." Italien, ein Paradies für die (Groß-)Banken, Deutschland ein
Paradies für die Kunden. Klarer kann man nicht ausdrücken, welches aus
liberaler Sicht das bessere Modell ist.
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Wenn schon Vorbilder im Ausland gesucht werden, wäre Spanien eine viel
überzeugendere Alternative, wo trotz eines prosperierenden
flächendeckenden Sparkassensektors die nationalen Großinstitute zu den
profitabelsten der Welt zählen. Dies belegt, dass die Schwäche der
deutschen Aktienbanken keineswegs auf unfairen Wettbewerb durch die
öffentlich-rechtliche Säule, sondern auf eigene falsche strategische
Weichenstellungen zurückzuführen ist. Nachdem sie im Zuge der
Konzentration auf das vermeintlich lukrativere Investmentbanking Ende
des letzten Jahrzehnts die Privatkunden und mittelständischen
Unternehmen weitgehend vertrieben haben, dürfen sie sich jetzt nicht
wundern, dass ihnen heute die Erträge aus diesem Geschäft fehlen. Oder
mit den Worten von Moody´s: "Especially in times when the commercial
banks have modified their business strategy frequently, damaging
numerous customer relationships, Sparkassens´ focus on the longer term
and loyality vis-a-vis their clients have further enhanced their
already strong franchises."
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Um das hier verlorene Terrain zurückzuerobern, sind die Großbanken
wieder mit Kampfkonditionen unterwegs, weil es für sie die einzige
Chance ist, die Klientel zurückzugewinnen, die sie noch vor Kurzem
rabiat "abgebaut" haben. Die Schuld für diesen ruinösen Preiskampf
wird - nach dem Motto "Haltet den Dieb" - wieder einmal den Sparkassen
in die Schuhe geschoben. Häuser, wie die Citibank oder die ING, die
diese Fehler nicht begangen haben, arbeiten hierzulande profitabel,
trotz der Konkurrenz der beiden Verbünde. Im Übrigen widerlegt auch
die Wettbewerbsstärke der noch kleineren Kreditgenossenschaften die
These, dass es die öffentliche Rechtsform ist, die den Sparkassen den
entscheidenden Vorteil verschafft. Sie verstärkt vielmehr den
Eindruck, dass das Geheimnis des Erfolgs in der Nähe zum Kunden und
der dezentralen Entscheidungskompetenz zu suchen ist.
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Marktstrukturen und funktionierender Wettbewerb
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Aufgabe des Staates in der liberalen Lehre ist es sicherzustellen,
dass faire Konkurrenz herrscht. Dazu muss er den Rahmen so setzen,
dass eine Vielzahl von Anbietern frei konkurrieren kann, präventiv
eingreifen, indem er durch die Fusionskontrolle verhindert, dass
Oligopole oder gar Monopole entstehen, und dort, wo sich bereits
vermachtete Strukturen gebildet haben, korrigierend wirken durch die
Missbrauchsaufsicht des Kartellamts und das Regiment von
Regulationsbehörden. Dabei ist die institutionelle Prophylaxe der
niemals perfekten nachträglichen Symptomtherapie immer vorzuziehen.
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Beispiel einer gelungenen Liberalisierung ist die Telekommunikation,
wo die neu geschaffene Konkurrenz deutlich sinkende Preise mit sich
brachte. Das Gegenteil ereignete sich an den Strommärkten, wo die
Öffnung dazu führte, dass die Großkonzerne die kleinen, ehemals
kommunalen Stromversorger reihenweise aufkauften, mit der Folge, dass
sich die Konditionen sogar verschlechterten. Entscheidend für das
Funktionieren des Wettbewerbs ist also nicht primär die Rechtsform der
betroffenen Unternehmen, sondern die Struktur des Marktes. Insofern
ist es absurd zu behaupten, man könne die Marktwirtschaft stärken,
indem man es ermöglicht oder gar fördert, dass ein enges Oligopol mit
einigen wenigen Anbietern entsteht.
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IWF auf Irrwegen
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Völlig abstrus ist es, wenn der Direktor für Währungsfragen des
Internationalen Währungsfonds (IWF), ein Schwede, propagiert, man
müsse die Sparkassen als Wettbewerbshindernis beseitigen, damit die
Profite der Privatbanken steigen. Das Argument, dann verschlechterten
sich für die Kunden die Konditionen, aber damit abtut, dann könnten
die Zinsen ja von einer echten öffentlichen Bank à la KfW wieder nach
unten subventioniert werden. Erst den funktionierenden Wettbewerb
zerschlagen und das dann durch staatlichen Eingriff wieder
korrigieren, ist ein intellektueller Salto mortale, den ein echter
Ordoliberaler nur mit Schaudern bestaunen kann.
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Vom IWF stammt im Übrigen auch die Forderung, die Beteiligung der
Versicherten an den Überschüssen aus den Kapitalanlagen unter die
bisher vorgeschriebene Mindestquote von 90 Prozent zu senken, damit
die großen Assekuranzkonzerne höhere Überschüsse einstreichen können.
Was davon zu halten ist, nämlich nichts, hat das
Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten Urteil zu dieser Thematik
dargelegt, in dem es sogar schon die bestehende Regelung als
verfassungsrechtlich bedenklich einstufte.
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Von ähnlicher Qualität ist die Studie des IWF über den deutschen
Finanzsektor, in der er diesem erst eine hohe Stabilität und eine
hervorragende Versorgung der Bevölkerung mit Bankdienstleistungen
bescheinigt, um dann daraus abzuleiten, die Struktur der drei Säulen
müsse durch die Privatisierung der Sparkassen von Grund auf umgewälzt
werden. Auch hier haben die großen liberalen Denker längst eine
bessere Lösung parat: Ein möglichst intensiver Wettbewerb ist der
beste Garant dafür, dass Fehler einzelner Wirtschaftssubjekte sich
nicht zu Krisen des gesamten Systems auswachsen.
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Wenn es nur noch wenige Banken gibt, können schon Schwierigkeiten
einer einzelnen große Teile der Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen,
ja es reicht möglicherweise schon, wenn ein Institut beschließt, das
mittelständische Firmenkundengeschäft sei nicht mehr attraktiv. Dass
dies nicht ganz unrealistisch ist, haben die neunziger Jahre erwiesen;
ja mehr noch, sie zeigen, dass enge Oligopole oft zum Herdentrieb
neigen, was das Systemrisiko noch potenziert. Die These, die
Stabilität eines Wirtschaftssystems steige, wenn die Konzentration
zunehme, ist abenteuerlich und widerspricht nicht nur jeglichen
Lehrsätzen der liberalen Wirtschaftslehre, sondern auch jeder
praktischen Erfahrung.
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Wer braucht nationale Champions?
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Da die Argumente der Befürworter einer Privatisierung der Sparkassen
wenig zu überzeugen vermögen, wird die Forderung nachgeschoben,
Deutschland brauche mindestens einen nationalen Champion im
Finanzwesen, damit Großunternehmen nicht auf Banken mit Sitz im
Ausland angewiesen seien. Dies zu kommentieren, erübrigt sich für
einen Liberalen fast von selbst. Der Ruf nach nationalen Champions
entspringt dem Gedankengut des Merkantilismus, das spätestens seit
Adam Smith kein ernst zu nehmender Ökonom mehr vertritt. Der letzte
Versuch, auf deutschem Boden solche Institutionen zu schaffen, ist mit
den DDR-Kombinaten kläglich gescheitert.
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Unabhängig davon, dass Monopole oder Oligopole niemals im Sinne der
Marktwirtschaft sein können: Wer garantiert, dass der nationale
Champion seinen Sitz nicht einfach nach Luxemburg oder London verlegt
oder eines Tages von einem internationalen Champion übernommen wird?
Dann gäbe es nur noch die Kreditgenossenschaften als hier ansässige
Institute. Ginge es Deutschland dann besser? Im Übrigen arbeiten
Bayer, BMW und Co. längst mit vielfältigen internationalen
Bankadressen zusammen und werden auch weiter von diesen umworben
werden. Der Gewerbetreibende vor Ort aber ist auf dauerhaft
verlässliche Partner angewiesen. Wer dieses Prinzip gefährdet, legt
die Hand an die Wurzeln der mittelständisch geprägten heimischen
Wirtschaft.
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Seltsame Blüten treiben die Attacken internationaler Institutionen auf
die Struktur des öffentlich-rechtlichen Kreditwesens in Deutschland,
wenn die Ratingagentur Fitch propagiert, die WestLB sei nur
überlebensfähig, wenn sie sich mit den Sparkassen
gesellschaftsrechtlich zusammenschließe. Sie verletzt damit nämlich
eklatant ihre Verpflichtung zur Neutralität. Geschäftspolitische
Vorgaben durch Ratingagenturen sind neu und etwa damit zu vergleichen,
dass ein Schiedsrichter einer der Mannschaften die Aufstellung
vorschreibt. Konsequenterweise müsste Fitch dann auch für den Schaden
gerade stehen, wenn das propagierte Geschäftsmodell nicht zum Erfolg
führte.
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Private Beteiligungen an Sparkassen?
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Kennzeichnend für die Marktwirtschaft ist, dass die Erfolglosen
ausscheiden. Die Variante, dass die Erfolgreichen von den Erfolglosen
aufgekauft werden, ist eigentlich nicht vorgesehen. Eindeutig
erfolgreicher als die großen Kreditinstitute waren in der jüngeren
Vergangenheit die Sparkassen. Sie haben im letzten Jahr im Schnitt
fast schon die angestrebte Eigenkapitalrendite von 15 Prozent vor
Steuern erreicht und die Summe der Einzelwertberichtigungen trotz der
weiter schwierigen Konjunktur reduziert.
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Scheinheilig und interessengeleitet ist die Behauptung, man könne die
Sparkassen zum Verkauf freigeben, ohne dass sich die Marktstruktur
dadurch ändere. Da zuerst die profitabelsten Institute übernommen
würden, wäre der Verbund aus den verbleibenden, schwächeren Häusern
kaum überlebensfähig. Viel schlimmer noch aus liberaler Sicht wäre,
dass damit genau die weißen Flecken ohne lokale Banken entstünden, die
die unsichtbare Hand des Wettbewerbs verhindert hat. Denn die
Übernehmer sind nur an den Kunden interessiert, Mitarbeiter und
Geschäftsstellen sind für sie nur Kostenfaktoren, die sehr schnell der
Renditemaximierung zum Opfer fielen.
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Intelligente Vorkehrung zur Versorgung der Bevölkerung
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Ein vor Ort verankertes Institut hingegen kann sein Geschäftsgebiet
nicht verlassen. Insofern ist das Regionalprinzip der
Kreditgenossenschaften und Sparkassen eine hochintelligente
Vorkehrung, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit
Bankdienstleistungen wettbewerbskonform sicherzustellen, ohne dass es
dazu korrigierender Eingriffe des Staates bedürfte.
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Deshalb wäre die von angeblichen und wirklichen Freunden der
Sparkassen propagierte Möglichkeit, private Beteiligungen bis zu einer
Grenze von 49 Prozent zuzulassen, für die vermeintlich Begünstigten
ein Danaergeschenk. Denn zum einen werden diese Mittel gar nicht
benötigt, da selbst ein Kreditwachstum von 5 Prozent in den nächsten
fünf Jahren aus vorhandenem Kapital finanziert werden könnte. Zum
anderen würde der Streit dadurch nicht geschlichtet, sondern
weitergehen bis zur vollständigen Öffnung. Denn für die Käufer macht
eine bloße Finanzbeteiligung wenig Sinn, erst die Integration in die
eigene Struktur brächte die gewünschten Ertrags- und
Kostensynergieeffekte, mit dem schönen Nebeneffekt des Verschwindens
eines lästigen Wettbewerbers.
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Verbund und Konzern
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Der BdB versteht es immer wieder geschickt, vordergründig
einleuchtende Argumente ins Feld zu führen, um seine These zu belegen,
die Säulen des deutschen Kreditwesens würden ungleich behandelt. Die
daraus abgeleiteten Forderungen zielen aber keineswegs auf mehr
Chancengerechtigkeit, sondern vielmehr darauf, die
öffentlich-rechtlichen Institute zu diskriminieren. So wird verlangt,
aus Gleichheitsgründen müsse es Privatbanken erlaubt sein,
öffentlich-rechtliche Institute zu erwerben, da dies auch umgekehrt
möglich sei.
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Dieses Argument, so sehr es vordergründig einleuchten mag, ist bei
näherem Hinsehen nicht stichhaltig. Die hier treffende Analogie ist
nicht: lokale Sparkasse - Bankkonzern, sondern Verbund - Konzern. Da
die einzelne Sparkasse (und Kreditgenossenschaft) wegen der engen
Verflechtung nicht ohne ihren Verbund existieren kann und dieser nicht
ohne die einzelnen Häuser vor Ort, ist der Verkauf einer Sparkasse
nicht damit gleichzusetzen, dass eine einzelne autonome Privatbank
übernommen würde, sondern damit, dass die Filiale einer Großbank den
Besitzer wechselte. Da dies selbstverständlich nicht möglich ist, ohne
dass die Konzernzentrale zustimmt, ist es nur recht und billig, dass
auch ein öffent-lich-rechtliches Institut (oder eine
Volks-/Raiffeisenbank) nicht ohne weiteres erworben werden darf. Dies
gilt zumindest so lange, wie man nicht (Finanz-)Verbünde als
Organisationsform generell in Frage stellt.
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Namensschutz
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Inzwischen wird den Sparkassen sogar ihr Namen streitig gemacht. Jedem
Kreditinstitut müsse erlaubt sein, ihn zu tragen. Was auf den ersten
Blick als gleiches Recht für alle erscheint, entpuppt sich bei näherem
Hinsehen aber als das pure Gegenteil. Denn folgte man dieser Logik,
wäre Gerechtigkeit erst dann geschaffen, wenn sich im Umkehrschluss
jede Bank oder Sparkasse auch Deutsche Bank oder Commerzbank nennen
dürfte. Dies zeigt, wie abstrus die vordergründig einleuchtende
Forderung ist.
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Man könnte darüber lachen, wenn nicht die Gefahr bestünde, dass die
EU-Kommission sich in zunehmendem Maße mit derartigen Gedanken
anfreunden könnte. Alfred Herrhausen oder gar Hermann Josef Abs wäre
es im Traum nicht eingefallen, dass die Marke Sparkasse für eine
Privatbank von Nutzen sein könnte.
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Wäre zu deren Zeit eine Übernahme möglich gewesen, hätte man
selbstverständlich das rote S durch das blaue Logo ersetzt und nicht
umgekehrt. Jeder andere Gedanke wäre als Zumutung empfunden worden.
Heute hingegen trachtet der BdB mit geradezu brennender Leidenschaft
nach dem Namen Sparkasse, womit er zu erkennen gibt, dass er diesen
für um ein Vielfaches wertvoller hält als den seiner eigenen
Institute.
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Wie kann man offensichtlicher das Versagen der privaten
Kreditinstitute im Wettbewerb eingestehen? Dem Ansinnen nachzugeben,
wäre gleichbedeutend damit, Opel zu gestatten, künftig den Namen
Porsche nutzen zu dürfen.
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Wettlauf um die profitabelsten Institute?
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Als Fazit bleibt festzuhalten: Dem BdB geht es nicht darum, die
Konkurrenz zu stärken, sondern vielmehr darum, diese massiv
einzudämmen. Welch verzerrtes Bild insbesondere im Ausland schon
erzeugt wurde, zeigen die abstrusen Thesen des IWF und die sonstigen
von wenig Sachkenntnis geprägten Einlassungen manch anderer
ausländischer Institution. Die Großbanken sind dabei, erneut einen
schweren strategischen Fehler zu begehen. Würde der Sparkassensektor
zur Privatisierung freigegeben, wären es mitnichten die deutschen
Häuser, die zum Zuge kämen.
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Im Wettlauf um die profitabelsten Institute würden sie wohl den
Kürzeren ziehen gegenüber der ausländischen Konkurrenz, mit dem
Ergebnis, dass sie vor Ort nicht mehr mit der Sparkasse Grünberg oder
der Sparkasse Vorpommern konkurrierten, sondern mit dem Banco
Santander, der ABN Amro, der Royal Bank of Scotland und vielen anderen
mehr. Ob sie in diesem Wettbewerbsumfeld besser abschnitten als heute,
darf mehr als bezweifelt werden.
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Die Bankiers der Vergangenheit würden sich schämen, wenn sie
miterleben müssten, dass ihre Nachfolger die kleinen Sparkassen dafür
verantwortlich machen, dass die großen, weltweit agierenden deutschen
Banken hierzulande nicht profitabel arbeiten können. Könnte es sein,
dass die Großbanken dem erfolgreichen und zukunftsfähigen dezentralen
Geschäftsmodell der Sparkassen nur wenig Überzeugendes
entgegenzusetzen zu haben?

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