Aufsätze

Sparkassen in Österreich: Bankengruppe sui generis

Es begann inmitten einer Krise: In den wirtschaftlich sehr schwierigen Jahren nach dem Ende der kostenaufwendigen Napoleonischen Kriege regte der österreichische Kaiser Franz I. die Gründung einer Sparkasse nach deutschem und englischem Vorbild an. Es sollte einer möglichst breiten Schicht der Bevölkerung der Zutritt zu professionellem Geldverwalten und Geld ausleihen ermöglicht werden. Johann Baptist Weber, Pfarrer in der damaligen Wiener Vorstadt Leopoldstadt, griff diesen Gedanken auf. Er gründete 1819 den "Verein der Ersten österreichischen Spar-Casse", und am 4. Oktober 1819 öffnete dessen erste Bankstelle in der Haupt - und Residenzstadt Wien.

Ihre Aufgaben wurden in den Gründungsstatuten so beschrieben: "Sie hat ... den Zweck, dem Fabrikarbeiter, dem Landmanne, oder sonst einer gewerbefleißigen und sparsamen minderjährigen oder großjährigen Person, die Mittel an die Hand zu geben, von ihrem mühsamen Erwerbe von Zeit zu Zeit ein kleines Capital zurückzulegen, um solches in späteren Tagen zur Begründung einer besseren Versorgung, zur Aussteuer, zur Aushülfe in Krankheit, im Alter oder zur Erreichung irgendeines löblichen Zwecks zu verwenden." Dieses Leitmotiv der Sparkasse - die Förderung der Spargesinnung und der Vorsorge - blieb durch Generationen hindurch bis zum heutigen Tag in seinem Kern unverändert.

Dieses feste Gründungsfundament und das Vertrauen in Professionalität und Glaubwürdigkeit der Sparkassen hat wohl auch dazu geführt, dass diese Bankengruppe die Finanzkrise der Jahre 2008/09 in Österreich unbeschadet überstanden hat. Die Sparkassen haben sich immer als grundsolide - wenn auch in der Hochphase des "innovativen Investmentbanking" gelegentlich belächelte - Sammler von Primäreinlagen und Kreditvergeber an Kommerzkunden, die meist aus dem regionalen KMU-Umfeld stammen sowie an private Haushalte verstanden. Dieses durchaus unspektakuläre Geschäftsmodell hat sich gerade am Höhepunkt der globalen, finanzwirtschaftlichen Turbulenzen bestens bewährt.

Flächendeckend aktiv

Die Sparkassen in Österreich sind eben keine Bankengruppe wie andere, sondern Kreditinstitute sui generis. Denn nicht nur dem einzelnen Sparer gegenüber fühlt man sich verpflichtet, sondern auch der Gesamtgesellschaft gegenüber. Zahlreiche Sparkassenstiftungen fördern daher im Sinne des Gründungsauftrages aus den Erträgen der Geschäftstätigkeit zahlreiche lokale und regionale Projekte von ökonomischer und gesellschaftspolitischer Relevanz. Die Projektschwerpunkte liegen bei der Bildung, dem Sozialen, der regionalen Kultur und diversen Aktivitäten der Bürgergesellschaft.

Die österreichische Sparkassengruppe besteht aus der Erste Group Bank AG als Holdinggesellschaft, der Erste Bank Oesterreich und weiteren 46 selbstständigen Sparkassen außerhalb von Wien. In der landläufigen Bezeichnung "Erste Bank und Sparkassen", die auch in der Medienberichterstattung verwendet wird, ist die Erste Group Bank AG nicht enthalten. Die insgesamt 48 österreichischen Sparkassen verzeichneten zu Jahresende 2013 eine Bilanzsumme von knapp 90 Milliarden Euro und beschäftigen etwas mehr als 10000 Mitarbeiter. Mit knapp 1 000 Geschäftsstellen beziehungsweise Filialen sind die Sparkassen in Österreich ein weitgehend flächendeckend agierender, in der jeweiligen Region stark verwurzelter, kreditwirtschaftlicher Nahversorger. Die Primärmittel beliefen sich am Ende 2013 auf rund 68 Milliarden Euro und die Kredite an Unternehmen und Private erreichten ein Volumen von knapp 55 Milliarden Euro.

Haftungsverbund erhöht Sicherheit

Die Sparkassen in Österreich unterscheiden sich von anderen dezentral organisierten Sektoren der Kreditwirtschaft durch

- ihre rechtliche Eigenständigkeit;

- ein spezielles, traditionell umfassendes Verständnis von Corporate Social Responsibility (CSR);

- ihre starke Marktposition bei Privatkunden, im Wohnbau und bei Freien Berufen;

- sowie die Verankerung in der regionalen Wirtschaft, die sich vor allem auf die Klein- und Mittelbetriebe und auf die Gemeinden als Gebietskörperschaft bezieht.

Erste Bank und Sparkassen haften im Rahmen von wechselseitigen Haftungsvereinbarungen für die Auszahlung der Kundeneinlagen weit über die gesetzlich gesicherten Beträge hinaus. Der Haftungsverbund wirkt somit ergänzend zur gesetzlichen Einlagensicherung und Anlegerentschädigung als zusätzliches Sicherheitsnetz. Er ist ein subsidiäres Instrument, das im Absicherungsfall (Eröffnung des Konkurses über ein Mitglied des Haftungsverbunds) nach der gesetzlichen Einlagensicherung in Kraft tritt. Abgewickelt wird der Haftungsverbund über die Haftungsverbund GmbH. Im Absicherungsfall stehen für die Kunden die notwendigen Mittel kurzfristig im Rahmen einer Einzugsermächtigung, die von der Haftungsverbund GmbH abgerufen werden kann, zur Verfügung.

In der Grundsatzvereinbarung zum Haftungsverbund, dem (mit Ausnahme der Allgemeine Sparkasse Oberösterreich Bankaktiengesellschaft, welche mit Erste Bank und Erste Group Bank AG eine trilaterale Haftungsvereinbarung abgeschlossen hat) alle österreichischen Sparkassen angehören, ist zudem ein Früherkennungssystem verankert, um frühzeitig auf wirtschaftliche Schwierigkeiten einer Sparkasse reagieren zu können. Die vorrangigste Aufgabe des Früherkennungssystems ist es, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Sparkassengruppe im Sinne der Kunden zu erhöhen und damit die Einlagen der Kunden weiterhin abzusichern. Noch nie ist eine österreichische Sparkasse in Konkurs gegangen, es hat noch nie ein Kunde einer Sparkasse einen Euro verloren.

Flankiert von Finanzdienstleistern

Neben den Sparkassen selbst gibt es zusätzlich eine große Zahl an Kooperations- oder Verbundpartnern mit komplettem Allfinanz-Anbot, die entweder Tochterunternehmen der Erste Group Bank AG, der Erste Bank Oesterreich und/oder anderer Sparkassen sind. Die wichtigsten Partner sind die s Bausparkasse, die Erste Asset Management (bestehend aus Erste Sparinvest und Ringturm KAG) und die s IT Solution AT Spardat GmbH. Diese Unternehmen sind in ihren Branchen zumindest in Teilbereichen ebenso Marktführer wie die Erste Group Immorent im Leasinggeschäft und die VBV-Pensionskasse AG bei den Betriebspensionen.

Die s Versicherung - seit Jahren Marktführer im Bereich Lebensversicherungen - gehört seit 2008 zur Vienna Insurance Group, ist aber nach wie vor der Partner der Sparkassen in Fragen der Lebens- und Pensionsversicherungen. Diese Versicherungsgesellschaft bedient sich ausschließlich des Bankenvertriebs als Vertriebsweg. Die Vien na Insurance Group - Holding einer Versicherungsgruppe mit CEE-Schwerpunkt und Muttergesellschaft der Marktführers Wiener Städtische Versicherung in Österreich - kooperiert seit 2008 ebenfalls mit der Sparkassengruppe.

Als Dienstleister für die Sparkassen selbst stehen vor allem der Österreichische Sparkassenverband als Interessensvertretung und Kollektivvertragspartner, die Sparkassenakademie als Zentrum für die Ausund Weiterbildung der Mitarbeiter und der Sparkassen-Prüfungsverband als Wirtschaftstreuhänder zur Verfügung.

Geschäftsergebnisse 2013

Die Erste Bank und Sparkassen legen als österreichische Bankengruppe ihre Bilanz nach dem österreichischen Unternehmensgesetzbuch (UGB). Die Erste Group, die ihr Ergebnis am 28. Februar 2014 veröffentlicht hat, bilanziert als internationale Bankengruppe hingegen nach IFRS (International Financial Reporting Standards).

Die Österreichischen Sparkassen konnten 2013 den Jahresüberschuss nach Steuern von 219,5 Millionen Euro auf 270,5 Millionen Euro steigern (plus 23,2 Prozent). Verantwortlich dafür waren ein beachtlich wachsendes Kundengeschäft (plus 91 262 Kunden netto) sowie sinkende Wertberichtigungen (minus 18,6 Prozent). Der Kundenzugewinn unterstreicht das Vertrauen in die Sparkassen auch unter den erschwerten Bedingungen des als Folge der Finanzkrise weltweit geschwundenen Vertrauens in die Finanzwirtschaft insgesamt.

Durch die rasche Reaktion zu Krisenbeginn im Vorsorgebereich normalisiert sich der Wertberichtigungsbedarf, wodurch eine Steigerung des EGT (plus 20,1 Prozent) und des Jahresüberschusses nach Steuern zu verzeichnen sind. Erste Bank und Sparkassen haben im vergangenen Berichtsjahr 8,8 Milliarden Euro an neuen Krediten (Private und Unternehmen) vergeben. Das beweist, dass von einer "Kreditklemme" im einschlägigen Geschäftsbereich der Sparkassen nicht die Rede sein kann. Zum Jahresende betrug die Loan to Deposit Ratio, also das Verhältnis von Krediten zu Einlagen, 96,1 (97,6) Prozent. Der österreichische Durchschnitt liegt bei 119 Prozent. Dieser Wert signalisiert die hohe Liquidität der Sparkassen und das Vermögen der Gruppe, den Kreditbedarf der Unternehmen auch bei sich hoffentlich bald deutlich belebender Investitionstätigkeit problemlos decken zu können.

Eigenmittelausstattung

Die Eigenmittelsituation hat sich bei den Sparkassen in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert: Derzeit liegen sie bei 6,36 Milliarden Euro und sind damit seit 2008 um 0,8 Milliarden Euro (plus 14 Prozent) gestiegen. Das Mindesterfordernis gemäß § 23 BWG von 3,1 Milliarden wurde damit um mehr als 100 Prozent übererfüllt. Das Kernkapital stieg 2013 um zwei Prozent und liegt bei 5,2 (5,1) Milliarden Euro. Der Anteil des Kernkapitals an den gesamten Eigenmitteln beträgt 81 (79) Prozent, die Kernkapitalquote bezogen auf das Kreditrisiko liegt damit bei 15,2 (14,3) Prozent. Der Gemeinwohlauftrag der Sparkassen ist - wie schon erwähnt - ein Gründungsauftrag. Lange bevor der Begriff der Corporate Social Responsibility überhaupt aufgekommen ist, haben Sparkassen diesem Thema viel Engagement und finanzielle Mittel gewidmet. Die Finanzkrise hat daran nichts geändert. So ist auch im Jahr 2013 das gesellschaftspolitische Engagement der Sparkassen nicht zu kurz gekommen.

Mehr als 22,3 Millionen Euro wurden in regionale soziale, karitative und kulturelle Projekte investiert. Es wurden der Umweltschutz gefördert und die Jugend unterstützt. Sparkassen sind immer auch Impulsgeber für die Entwicklung der regionalen und gesellschaftspolitischen Infrastruktur und verstehen sich als Partner des Innovationsreichtums der Bürgergesellschaft.

Im vergangenen Jahr wurden auch wieder zahlreiche Initiativen im Bereich der Finanz- und Wirtschaftsbildung gestartet und fortgeführt. Die Sparkassen präsentieren sich mit Workshops und umfangreichen Materialien als Partner der Schulen, um Finanz- und Wirtschaftsthemen lebensnah in die Bildungseinrichtungen zu bringen. Die Sparkassengruppe bekräftigt damit deutlich ihre Vorreiterrolle im Bereich der Financial Literacy. Dies ist deshalb ein zentrales Anliegen, weil es in Österreich bei einem Großteil der Bevölkerung um das Wirtschaftswissen generell und das Finanzwissen im Besonderen nicht zum Besten bestellt ist. Einschlägige Untersuchungen, die auch von den Sparkassen initiiert werden, zeigen einen beträchtlichen Aufholbedarf, dessen Deckung zu den genuinen Aufgaben der Sparkassen zählt.

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