Aufsätze

Was Unternehmer und Banken einander zu sagen haben

Die Fälle insolventer Mittelstandsunternehmen reichen, wenn überhaupt, gerade noch als Füllmaterial für die regionale Tageszeitung - ansonsten bleibt ihr "Ableben" von der Öffentlichkeit mit Ausnahme der Handelsregisterchronisten meist unbemerkt. Zwar verzeichnet das Statistische Bundesamt 2007 einen sechsprozentigen Rückgang von Unternehmensinsolvenzen, doch ist die absolute Zahl mit 27 500 Unternehmen nach wie vor erschreckend hoch. Dahinter verbergen sich neben Unternehmerschicksalen und verlorenen Arbeitsplätzen in vielen Fällen auch erhebliche Implikationen für die finanzierenden Banken.

"Schicksalsgenossen"

Die hier geschilderte Situation einer mittelständischen Unternehmensgruppe aus der Maschinenbaubranche zeigt plakativ, wie eng die beiden "Schicksalsgenossen" in schlechten Zeiten aneinander geschmiedet sind. Das seit über 130 Jahren familiengeführte Unternehmen ist in Bayern ansässig und operierte zu Beginn der Krise vor fünf Jahren mit rund 35 Standorten und knapp 2 000 Mitarbeitern, die weltweit mehrheitlich in Produktion, Montage, Service und Vertrieb tätig waren.

Zwar waren die Substanz des Unternehmens in den wesentlichen Geschäftsbereichen und seine Performance in nahezu allen Märkten stets einwandfrei. Doch Erbschaftssteuerbelastungen, erhebliche Managementfehler in einem der ehemals vier Geschäftsbereiche hatten das Konzern- Eigenkapital stark dezimiert. Zweistellige Euro-Millionenverluste und die anhaltende Dollarschwäche, die zu massiven Währungsverlusten bei der Kapitalkonsolidierung führten, taten ihr Übriges dazu. Zudem waren die Verantwortlichkeiten in den Geschäftsbereichen unklar und intransparent. Wie so häufig fehlte ein klares Finanz- und Renditekonzept und - last but not least - geriet die Hausbank mit der größten Kreditforderung in Schieflage.

Trügerische Sicherheit

Erschwerend hatte das Vertrauen der Banken vor dem Hintergrund personeller Gegebenheiten und mehrjähriger, signifikanter Zielverfehlungen (das Ergebnis nach Zinsen war negativ und die Kennzahl "Nettoverschuldung zu EBITDA" lag zeitweise schlechter als fünf) erheblich gelitten. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Nach vier Jahren der Krise konnte das Unternehmen 2008 ein historisches Rekordergebnis aufweisen - doch der Weg dahin war steinig.

Solange die Geschäfte gut laufen, sind bei Mittelstandsunternehmen dieser Größenordnung in der Regel gleich mehrere Banken involviert, weitere bemühen sich um den Kunden. Er wird aktiv umworben, es kommt zu einzelnen Kreditzusagen; oftmals reduzieren viele Banken ihren eigenen Status auf den einer "Auch-da-Bank". Der Mandant ist überversorgt, fühlt sich bestätigt und sicher. Doch ist diese Sicherheit trügerisch - denn eine Vielzahl von Banken und deren ebenso hohe Zahl einzelner Kreditzusagen führen den Kreditnehmer in schwierigen Zeiten in eine nahezu unkalkulierbare Situation.

Die Banken jedoch sollten sich zukünftig nicht mehr mit der Rolle der "Auch-da-Bank" zufrieden geben. So verführerisch eine einzelne Kreditzusage als Türöffner für die Bank auch sein mag - zur Sorgfalt im Umgang mit Mandanten und zur Eigensicherheit gehört auch der nachdrückliche Hinweis auf das so entstehende Kreditversorgungsrisiko respektive der Rat, ungeordnete und sich häufende Kreditnahmen durch ein festes Konsortium mit klaren Spielregeln zu ersetzen, das zum Unternehmen und seinem Geschäft passt.

Geschäftsmodell mit klaren Zielen?

Unabhängig vom Volumen des Engagements muss es im Interesse solider Bankhäuser sein, das Geschäftsmodell ihres Kreditnehmers auch wirklich zu verstehen. Allein um die richtigen Fragen stellen zu können, ist jede Bank gut beraten, zumindest branchenspezifisches Knowhow vorzuhalten und einzusetzen und so Wettbewerbsumfeld, internationale Geschäftsaktivitäten, Kernkompetenzen, Planziele und daraus erwachsende mögliche Risiken auch wirklich beurteilen zu können.

Zur "Ehrenrettung" der Banken sei auf die Mittelstandstypologie der "Sprachlosigkeit" hingewiesen. Denn Banken - wie Mitarbeiter, Geschäftskunden und Öffentlichkeit können nur nachvollziehen, was auch klar beschrieben ist. Doch im aufreibenden Alltagsgeschäft geraten die Entwicklung von Zielsetzungen und die Beschreibung des Geschäftsmodells auf der Prioritätenliste der Verantwortlichen häufig nach hinten. Nicht nur im Umgang mit Banken gewinnt ein klar formuliertes Geschäftsmodell erheblich an Bedeutung - Führungsverantwortliche sollten sich die Zeit dafür nehmen.

Geradezu essenziell ist es, auf einfaches Verständnis und Akzeptanz innerhalb des Unternehmens zu achten, damit die gelebte Unternehmenskultur dem Konzept folgen und es gegenüber Banken und Beratern überzeugend vertreten kann. Der Nutzen einer solchen "Corporate Identity" schafft nach innen und außen das nötige Verständnis und die Motivation zum Handeln. Zudem zeigt sich, wie unabdingbar diese Arbeit für das Unternehmen ist, um sich Klarheit bei der Selektion der "richtigen" Bank auf dem Weg in die Zukunft, wie beispielsweise die Expansion in neue Märkte oder Geschäftsfelder, zu verschaffen.

Hausaufgaben für Basel II

Das Geschäftsmodell der Gruppe war nicht klar und eindeutig skizziert, eine nachhaltig formulierte Strategie gab es nicht. Dementsprechend waren Verantwortlichkeiten nicht eindeutig geregelt und Geschäftsprozesse ungeordnet. Auch die auf die Branche spezialisierten Banken verstanden ihren Kunden aufgrund fehlender Transparenz und deutlich verfehlter Planungen nicht mehr. Folglich lagen auf allen Seiten die Nerven blank: Nach einer Reihe persönlicher Missverständnisse kam es mit einer großen Bank zum Eklat, so dass eine regionale Bank um Hilfe gebeten wurde, und kurzfristig mit einem Großkredit einsprang. Forderungen nach Darstellung eines transparenten Geschäftsmodells und zuverlässigen Planungen wurde jedoch weiterhin nicht erfüllt. Die später selbst in Schieflage geratene regionale Bank forderte kurzerhand die Rückführung der Linie und löste damit eine Art Schneeballeffekt aus, denn nun wollten auch die anderen Banken so nicht weitermachen.

Die Einführung von Basel II und den damit einhergehenden Ratings und ihrer Folgen - etwa die dadurch entstandene Margenproblematik der Bank und die zur Einordnung erforderliche detaillierte Auskunftspflicht der Kreditnehmer - hat das Gefühl der Gängelung durch die Banken bei vielen Mittelständlern keineswegs geschmälert. Doch für das Verhältnis aller Beteiligten und schlussendlich für die Geschäftsgrundlage der Unternehmen verfügt diese lästige Pflicht über weniger Fluch als vielmehr Segen. Denn gute Gespräche, wie eine offene Rating-Diskussion, führen zu durchaus positiven Effekten für beide Seiten. Der Unternehmer erfährt mehr zur Situation der Banken sowie der Refinanzierung und die ihm abverlangten Informationen führen nicht selten zu einer Optimierung seines unternehmenseigenen Reportings.

Aufklärung anhand des Businessplans

Seit Mitte 2007 die Finanzmärkte und viele Banken selbst in eine Krise geraten sind, ist die Refinanzierung für die Kreditgeber teils erheblich schwieriger und teurer geworden. Der Druck der Banken zur transparenten Darstellung der Kredithintergründe ist nur noch weiter gestiegen. Die Haltung der Banken lässt sich überspitzt so umschreiben: Wer seine Finanzierung noch zu den ehemals günstigen Konditionen erhielt, der ist gut beraten, die vertraglichen Bedingungen vollumfänglich zu erfüllen. Denn nur zu gern kompensieren auch die Banken angesichts der steigenden Kosten solch "günstige Verträge" durch neue - mit logischerweise teureren Konditionen.

Hat die Bank im ersten Schritt das Geschäftsmodell des Kunden verstanden, so wird darüber hinaus die Darstellung des Kredithintergrundes mittels gut ausgearbeiteter Businesspläne auch für den Unternehmer zu einer sinnstiftenden Selbstverständlichkeit. Sind dabei Risiken größerer Art identifizierbar, fordern die Banken in der Regel zwei Elemente: zum einen die Beschreibung des Risikomanagementsystems (Teil der Compliance) und zum zweiten die Berechnung verschiedener Szenarien, um die Auswirkungen auf Liquidität und Covenants abschätzen zu können.

Banken-Tools als Grundlage für die eigene Planung

Um die erbetene Finanzierung planen respektive die optimale Beratung zu deren Ausgestaltung leisten zu können, sind aus Sicht der Banken üblicherweise gleich eine ganze Reihe von Instrumenten erforderlich: Eine Gewinn- und Verlustrechnung (G+V), eine Bilanzplanung sowie eine Cash-Flow-Planung inklusive wichtiger Positionen wie Veränderungen des Networking Capital (insbesondere bei Wachstumsprozessen) und die Investitionen. Darüber hinaus zählen eine Avalplanung, um die bilanzfreien Effekte zu sehen, und eine Liquiditätsplanung, in die alle zuvor genannten Parameter einfließen, um die Liquidität zu sichern, zu den erforderlichen Standards. Eine Worst-Case-Planung rundet die Tools ab.

Wer dieses Prozedere einmal durchlaufen hat, wird im Nachgang durchaus die Vorteile für sein Unternehmen zu würdigen wissen. Da wäre zunächst der schlichte Kostenfaktor: Denn wer den Forderungen nicht nachkommt, wird zwangsläufig in eine höhere Risikokategorie eingestuft und der Kredit wird automatisch teurer. Mittels der Tools entsteht zudem eine Grundlage für die eigene Planung und die Beurteilung von Optionen: Unternehmensleistungen sind in der Regel besser messbar und die Mechanismen zur Geschäftssteuerung greifen spürbar.

Und nicht zuletzt: Wer die Fragen professionell beantworten kann und seine Strategien verinnerlicht hat, verbessert schlicht seine Verhandlungsposition. Im besten Fall kann er den Beratungsprozess sogar so moderieren, dass alle Beteiligten - inklusive Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern - ihr spezifisches Know-how zum Wohle des konkreten Projektziels einbringen.

Transparenz keine Einbahnstraße mehr

In einer solchen Atmosphäre ist nun auch die Bank gefordert, ihr spezielles Knowhow zu zeigen: Und nicht erst seit der Subprime-Krise, doch seither besonders, sollten Unternehmer ihrem "Banker" die selbstbewusste Frage stellen "wie er es denn halte, mit der Transparenz". Über welches Wissen etwa verfügen die Spezialisten beispielsweise im Bereich strukturierter Finanzierungen und im derivativen Bereich? Mit welchen Geschäftsstellen ist die Bank in der Welt vertreten, und passt sie überhaupt zu bestehenden oder geplanten Auslandsaktivitäten? Wie gut ist das Standing der Bank hierzulande, und welche Benchmarks liefert sie in den Zielmärkten des Unternehmens? Passt die Bank also in das Konsortium? Eines wird klar: Die Pflicht zur fundierten Selbstdarstellung ist längst keine Einbahnstraße mehr.

Doch im konkreten Fall war das Unternehmen weit in die Defensive geraten: Zu Beginn der Krise verfügte man lediglich über eine rudimentäre G+V-Planung. Die deutsche Muttergesellschaft sorgte weltweit für die Finanzierung, ohne dabei auf planerische Unterstützung, etwa durch eine Bilanzplanung mit Capital-Employed- Planung oder integrierter Investitionsplanung, ganz zu schweigen von einer Finanzstromplanung zwischen den verschiedenen Ländern (inklusive Hochschleusung von Dividenden), zurückgreifen zu können.

Nicht einmal vor Ort war die Working- Capital-Finanzierung geordnet. Da es darüber hinaus bei wesentlichen Standorten weder getrennt bilanziert noch separat geplant wurde, gab es auch keine eindeutige Verantwortung für die Entwicklung des "Capital-Employed" der verschiedenen Geschäftsbereiche. Das in enger Zusammenarbeit mit Banken und Management-Beratern eingeleitete Restrukturierungskonzept schuf Abhilfe:

Durch die Zuweisung klarer Verantwortlichkeiten verschafften sich die handelnden Personen zunächst einen Überblick über das benötigte Kapital pro Geschäftsbereich. Dies erhöhte das Kostenbewusstsein, womit die Anerkennung zur Notwendigkeit eines stringenten Working-Capital-Managements einherging, das unter anderem zu einer Produktgruppenbereinigung, Lagerdauer-Analysen und Prozessverbesserungen in Disposition und Einkauf führte.

Finanzierungsrunde unter neuen Vorzeichen

Als Kommanditgesellschaft bilanziert die Holding keine Ertragssteuer im Ergebnis-Abführungs-Kreis (mit Ausnahme der Gewerbesteuer), was einen Überblick über daraus erwachsende Verbindlichkeiten schlicht unmöglich machte. Doch mittels eines Simulationsmodells, das in der Einzelbilanz der Holding auch die Gesellschafterkontenentwicklung inklusive zukünftiger Steuerentnahmen berücksichtigt, konnten erstmalig die gesamten Steuerabflüsse gezeigt werden.

Zudem erkannten die Gesellschafter die Nachteile einer zu geringen Thesaurierung und deren Auswirkungen auf die Eigen-kapital-Quote, die der bisherigen Praxis von Steuerentnahmen und solchen für private Zwecke geschuldet waren.

Diese und andere Maßnahmen zeigten bald Wirkung: Der Turn-around führte zu einer signifikanten Verbesserung des Bankenratings um gleich fünf Stufen. Vor dem Hintergrund des neuen Wissens um die tatsächlichen Stärken verlief zudem auch die zweite Finanzierungsrunde Mitte 2007 unter vollkommen neuen Vorzeichen. Der ursprüngliche "Fluchtinstinkt" der beteiligten Banken hatte sich in Nichts aufgelöst und das Unternehmen konnte sich bei der Ausschreibung seines Clubdeals aufgrund der eigenen Professionalisierung genau die Banken auswählen, die aufgrund ihrer Leistungsfähigkeiten am besten zu ihm passten.

Anforderungen an die Banken So gerüstet und mit erstarktem Selbstvertrauen ging das Unternehmen hierbei überraschende Wege: Es forderte die interessierten Banken nun seinerseits zur Auskunft auf und fragte für seine Geschäftsplanungen wesentliche Kriterien ab, um auf dieser Grundlage die Entscheidung für die richtigen Partner zu fällen:

Branchenexpertise: Inwieweit ist die Bank mit den spezifischen Geschäftszyklen eines Maschinenbauunternehmens vertraut und mittels welcher Mechanismen ist sie in der Lage, zyklische Flauten überbrücken zu helfen (beispielsweise mit vorsorgenden Kreditreserven)? Cash-Management Kompetenz: Wie gut beherrscht die Bank die durchaus komplexen Strukturen des Saldenausgleichs zur Valutenkompensation? Welche Beratungsleistung kann sie im Zusammenhang mit gesetzlichen Fallstricken, technischen Anforderungen wie Buchungstechnik und die Abstimmung zwischen Kredit- und Sicherheitenverträgen erbringen?

Auslandsexpertise: Verfügt sie über ein funktionstüchtiges Auslandsnetz mit ausgeprägter Retailbanking-Funktion, um auch vor Ort breite Bankdienstleistungen erbringen zu können und damit Koordinationsaufwand des Mittelständlers aus Deutschland heraus im Rahmen zu halten? Ist sie zudem in der Lage, das Unternehmen bei geplanten Expansionen in neue Märkte mit regionaler Expertise zu unterstützen und diese "risikogepuffert" - etwa durch Abstellung auf Assets vor Ort - zu finanzieren?

Natürlich ist das hier vorliegende Ergebnis keineswegs repräsentativ, doch zeigt es mit einer relativ erschreckenden Deutlichkeit, eine Reihe von Schwächen inländischer Banken auf. So konnten etwa die angefragten Landesbanken trotz ihrer vielgerühmten Korrespondenzbankennetze durch die fehlende Koordinationsleistung von Deutschland aus nicht überzeugen. Aber auch generell erfüllte nur eine einzige Bank überhaupt zwei der drei abgefragten Kriterien.

Das Konsortium des Maschinenbauers setzt sich heute folglich aus einer im Ausland basierten Bank, deren Stärke neben ihrer Mittelstandskompetenz insbesondere in der Flächenpräsenz im Ausland liegt, einer italienischen Bank, die als Einzige durch echte Branchenkompetenz im Maschinenbau überzeugte und nur noch einer deutschen Großbank zusammen, die sich dank ihrer eindeutigen Mittelstandsstrategie besonders in der Restrukturierungs- und strukturierten Finanzberatung hervortat.

Fortsetzung des Dialogs mit mehr Vertrauen und steigendem Fachwissen

Doch können sich schlussendlich auch diese drei Kandidaten nicht endgültig sicher sein: Denn vor dem Hintergrund der Subprime-Krise, konnte das Unternehmen die Möglichkeit, die Banken jederzeit auszutauschen, in den Vertragstext einfließen lassen. Zudem ist es den Banken ausdrücklich untersagt, Kredite ohne Zustimmung des Maschinenbauers zu "veräußern".

Weder ein solcher Vertragstext noch die ausschließlich vergangenheitsorientierte Ratingpraxis von Basel II schaffen Garantien für die Zukunft. Doch zwingt letztendlich auch eine solche Vertragsgestaltung alle Beteiligten zur Fortsetzung des Dialogs - mit klaren Vorteilen: Subjektiv wachsendem Vertrauen und objektiv steigendem Fachwissen. Schlussendlich ist das - und nur das - die gesunde Basis, um zukünftige Projekte des Unternehmers für alle Seiten auch zu guten Ergebnissen zu führen.

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