Aufsätze

Verfeinerte Bonitätsbewertung für das Kreditrisikomanagement

Im Zuge der Einführung einer neuen Auskunftsgeneration hat Creditreform die Berechnungsmethode und die Informationsgrundlage für den Bonitätsindex, das in Deutschland führende Bewertungsinstrument für Kreditentscheidungen in der Unternehmenspraxis, weiterentwickelt. Das Ziel bestand in der weiteren Steigerung der Prognosegüte des Auskunftssystems zum Nutzen der Anwender in den Unternehmen und Kreditinstituten. Eine punktgenaue Angabe zur Ausfallwahrscheinlichkeit des jeweiligen Unternehmens sorgt dabei für zusätzliche Orientierung.

Steigerung der Prognosegüte als Ziel

In einem theoretischen perfekten Bewertungssystem liegen in der besten Risikoklasse keine Ausfälle vor. Gleichzeitig sind alle Ausfälle auf die schlechtesten Risikoklassen konzentriert. Um den Bonitätsindex in diese Richtung weiterzuentwickeln, müssen bonitätsstarke Unternehmen tendenziell besser bewertet werden als bisher, bonitätsschwache Unternehmen hingegen tendenziell schlechter.

Auf ein Risikoklassenmodell übertragen, wird dadurch die vorhandene Unternehmenskonzentration in den mittleren Risikoklassen reduziert - es kommt zu einer Verlagerung in Richtung der besten und der schlechtesten Risikoklassen. Im Ergebnis glättet sich die Verteilung der Unternehmen über alle Risikoklassen hinweg. Damit wird die Bonitätsbewertung kleinteiliger und differenzierter. Das Ergebnis der Weiterentwicklung ist der "Bonitätsindex".

Mit der Weiterentwicklung werden Veränderungen in der Struktur der deutschen Wirtschaft ebenso berücksichtigt wie Änderungen der Ausfallwahrscheinlichkeit in einigen Branchen oder Rechtsformen. Die Ausfallwahrscheinlichkeit beschreibt dabei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen in Deutschland innerhalb von zwölf Monaten in eine der beiden schlechtesten Bonitätsklassen des neuen Bonitätsindexes wandert.

Diese Definition entspricht den Kriterien gemäß Basel II, wonach ein Ausfall dann vorliegt, wenn eine Forderung seit 90 Tagen überfällig ist oder die Zahlungen eingestellt werden. Während die Ausfallwahrscheinlichkeit bei Gewerbebetrieben in den letzten Jahren stark anstieg, ist sie etwa bei der Gesellschaftsform GmbH & Co. KG gesunken. Um die unterschiedlichen Risikostrukturen der einzelnen Rechtsformen angemessen berücksichtigen zu können, wurden drei Rechtsform-Cluster gebildet. Die genaue Merkmalszusammensetzung und die Gewichtung der einzelnen Merkmale variiert je nach Cluster.

Cluster I: Freier Beruf, Gewerbebetrieb.

Cluster II: Offene Handelsgesellschaft (OHG), Kommanditgesellschaft (KG), Einzelfirma (e. K.), eingetragener Verein (e. V.), BGB-Gesellschaft.

Cluster III: Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), GmbH & Co. KG, Aktiengesellschaft (AG), eingetragene Genossenschaft (e. G.), Arge.

Erweiterte Informationsbasis

Ein weiterer Auslöser für die Weiterentwicklung war, dass sich die Datenbasis für die Berechnung des Bonitätsindexes erheblich erweitert hat. Inzwischen stehen Informationsquellen wie Jahresabschlüsse und Zahlungserfahrungen in weitaus größerem Umfang für die Bewertung zur Verfügung. Für die Berechnung des Indexes wird darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Informationen bewertet, auf denen die Bonität eines Unternehmens gründet.

Aufbauend auf einer Vielzahl von insolvenz- und branchenanalytischen Bilanzunterlagen bonitätsgefährdeter und solventer Unternehmen wurde ein EDV-gestütztes Verfahren entwickelt, das unter Berücksichtigung der bonitätsrelevanten Informationen einer Wirtschaftsauskunft eine Risikobestimmung des Kunden ermöglicht. Dabei werden mehr als zehn Merkmale aus der Auskunft und aus branchenanalytischen Vergleichswerten sowie einzelne Kennzahlen daraus zur Bonitätsbestimmung herangezogen. Im Einzelnen sind dies in alphabetischer Reihenfolge:

- Anzahl Mitarbeiter, Relation Umsatz/Mitarbeiter,

- Auftragslage, Unternehmensentwicklung,

- Branche,

- Erfahrung Management,

- Jahresabschlüsse,

- Kapital, Relation Kapital/Umsatz,

- Krediturteil,

- Rechtsform,

- Region, PLZ-Gebiet,

- Umsatz,

- Unternehmensalter,

- Zahlungsweise/Externe Zahlungserfahrungen.

Die Prognosegüte der Bonitätsbewertung basiert zusätzlich zur beschriebenen Datenbasis und qualitätsgesicherten Bewertungsprozessen auch auf der Expertise der bewertenden Spezialisten. So wird jede Bewertung abschließend durch einen Analysten geprüft und freigegeben. Dies ist bei einem voll automatisierten, synthetischen Auskunftssystem nicht der Fall.

Stichwort Jahresabschlüsse: Seit auch kleinere Kapitalgesellschaften ihre Bilanz und teilweise auch die Gewinn- und Verlustrechnung im elektronischen Handelsregister zur Verfügung stellen, hat sich ein Tor zu einer noch tieferen Bewertung der finanziellen Stabilität gerade von mittelständischen Betrieben geöffnet. Der Blick auf Bilanz und GuV gibt wichtige Anhaltspunkte für Schwachstellen, aber vor allem auch Stärken eines Unternehmens. Jede der jährlich knapp eine Million beim elektronischen Handelsregister hinterlegten Bilanzen und Geschäftsberichte stehen - strukturiert erfasst in einer Bilanzdatenbank - für die Bewertung zur Verfügung.

Erfasst werden nicht nur Jahresabschlussdaten wie Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen, sondern auch unterjährige Daten aus Summen- und Saldenlisten sowie betriebswirtschaftlichen Auswertungen. Exklusiv werden zusätzlich Jahresabschlüsse nicht hinterlegungspflichtiger Unternehmen recherchiert und für die Bewertung nutzbar gemacht. Alle Jahresabschlüsse werden einem speziell entwickelten Bilanzrating unterworfen, das Kennziffern und deren Entwicklung im Zeitverlauf bewertet.

Stichwort externe Zahlungserfahrungen: Die Finanzsituation vieler Unternehmen wird wesentlich davon bestimmt, ob und wie schnell die Kunden ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Informationen darüber werden etwa im Debitorenregister Deutschland erfasst. Der Umfang des Pools, der die Zahlungserfahrungen deutscher Unternehmen mit ihren entsprechenden Geschäftspartnern dokumentiert, wächst derzeit monatlich um durchschnittlich 3,5 Millionen aktuelle Zahlungserfahrungen zu mittlerweile 2,1 Millionen Unternehmen. Diese Daten werden systematisch und statistisch ausgewertet und fließen nach strengen Regeln mit in die Bonitätsbewertung von Unternehmen ein.

Zusätzlich werden individuelle Erfahrungen mit der Zahlungsabwicklung durch Rückfragen bei Lieferanten erhoben. Beide Quellen ergänzen vor allem in positiver Hinsicht die Zahlungsinformationen aus dem Inkasso und die Rückschlüsse aus den Negativmerkmalen. Die Fülle der Informationen ermöglicht ein aktuelles Urteil über das Zahlungsverhalten deutscher Unternehmen. Veränderungen oder Unregelmäßigkeiten können frühzeitig erkannt werden.

Ermittlung des Indexes

Die einzelnen Bestandteile der Wirtschaftsauskunft werden in Form des Bonitätsindexes 2.0 zu einem Gesamtwert zwischen 100 und 500 oder 600 zusammengefasst. Das entspricht dem Spektrum zwischen einer ausgezeichneten Bonität und der Zahlungseinstellung. Bei neugegründeten Unternehmen und beim Vorliegen unklarer Sachverhalte wird kein Bonitätsindex vergeben. Die Bonitätsbeurteilung erfolgt auf Grundlage der je nach Rechtsform-Cluster spezifischen Kombination qualitativer Bewertungen durch Analysten und quantitativer Merkmale. Die Merkmalsausprägungen ergeben sich aus der unternehmensbezogenen Recherche und aus dem Benchmarking mit Branchenvergleichswerten.

Alle bonitätsrelevanten Kriterien werden für jedes Unternehmen einzeln bewertet. Dabei wird jedem Kriterium eine Gewichtung zugeordnet, die über statistische Verfahren unter Zugrundelegung einer repräsentativen Gesamtheit von Unternehmensdaten ermittelt wird und einer laufenden Überwachung und Qualitätssicherung unterliegt. Die Einzelbewertungen werden dann unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Kriteriums zu einer Gesamtbewertung verdichtet.

Unter Berücksichtigung dieser Gewichtung und der Risikoklassen eines jeden Merkmals ergibt sich ein Bonitätsindex, der eine direkte Einschätzung des aus Sicht von Creditreform geltenden Ausfallrisikos ermöglicht. Je höher der Index ist, desto größer ist das Risiko. Je geringer die Risikopunktzahl ausfällt, desto besser ist die Bonität des zu beurteilenden Unternehmens. Die Werte des Bonitätsindexes werden in acht Klassen eingeteilt, die wie der Tabelle definiert und entsprechend der damit verbundenen durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit je Klasse interpretiert werden.

Im Risikomanagement spielt die Zusammenfassung vergleichbarer Schuldner in eine Bonitäts- beziehungsweise Risikoklasse eine große Rolle. Grund dafür ist, dass die aus den internen Kreditrichtlinien abgeleiteten Werte wie Kreditlimits und Zahlungsziele bei Lieferantenkrediten sowie risikoabhängige Margen und Standard- Risikokosten im klassischen Kreditgeschäft der Banken und Sparkassen vom Risikogehalt des Kredits und damit von der Risikoklasse abhängen. Daher ist der neue Bonitätsindex nicht nur für Industrieunternehmen und Kreditinstitute als externe Information in interne Ratingsysteme integrierbar, sondern wird zusätzlich auch in Risikoklassensysteme eingebettet.

Die zusätzliche Einordnung des ausgewiesenen Indexes in eine sechsstufige Ratingskala ermöglicht die Übertragung der Bonitätsbewertung auf die Ratingskalen weiterer Finanzdienstleister. Bewertete Unternehmen können daran auf Basis ihres Indexes ablesen, wie ihre Bewertung durch die weiteren Ratingsysteme ausfallen würde. Darüber hinaus ermöglicht die Ratingskala das Mapping der punktgenauen Ausfallwahrscheinlichkeit des Bonitätsindexes 2.0 auf die individuelle Ratingskala eines Finanzdienstleisters.

Veränderungen in der Bonitätsbewertung

Die Weiterentwicklung zum Bonitätsindex 2.0 führt zu Veränderungen bei der Bonitätsbewertung von Unternehmen. Nach Analysen für die Gesamtwirtschaft liegen 90 Prozent der Abweichungen im Bereich zwischen einer Verbesserung des Indexes um 42 Punkte und einer Verschlechterung um 18 Punkte. Über alle Unternehmen hinweg verbessert er sich durchschnittlich um neun Punkte, von 259 auf 250 Punkte. Grundlage der Veränderungen ist vor allem der deutliche Ausbau der Informationsbasis und der damit verbundene Anstieg der Bewertungssicherheit und Transparenz.

Folglich steigt die Wahrscheinlichkeit für eine verbesserte Bonitätsbewertung mit dem Umfang der zur Verfügung stehenden Informationen. Die Unternehmen können durch eine aktive Finanz- und Bonitätskommunikation mit zum Ausbau der Transparenz beitragen. So hilft ein offensiver Umgang mit eigenen Kennzahlen wie den vollständigen Bilanzen inklusive der Gewinn- und Verlustrechnung, die Kreditwürdigkeit des eigenen Unternehmens zu kommunizieren sowie die Finanzierungsmöglichkeiten auszubauen und zu verbilligen.

Ein Ratingsystem wie der Bonitätsindex ist umso genauer, je besser der Ausfall oder Nicht-Ausfall eines Unternehmens im Voraus prognostiziert werden kann. Diese Trennschärfe wird durch statistische Gütemaße wie den Gini-Koeffizienten beurteilt. Dabei handelt es sich um ein relatives Konzentrationsmaß, dessen ermittelter Wert zwischen null Prozent (Zufallsverteilung) und 100 Prozent (vollkommene Aufklärung) liegen kann. Somit erlaubt der Gini-Koeffizient Aussagen darüber, um wie viel Prozent ein Ratingsystem einen Ausfall besser voraussagt als ein ungeregelter und dem Zufall überlassener Geschäftsprozess. Der Gini-Koeffizient des Bonitätsindexes 2.0 erreicht beispielsweise bei Kapitalgesellschaften bis zu 62 Prozent. Damit verbunden ist ein deutlicher Zugewinn an Trennschärfe.

Verfeinerung der Steuerungsprozesse

Nahezu alle namhaften Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen sowie Finanzdienstleister nutzen den Bonitätsindex als einen wesentlichen Bestandteil in ihrem Risikomanagement. Unverzichtbar ist er für unzählige kleine und mittlere Unternehmen, um Lieferungen und Leistungen abzusichern sowie die Bonitätsentwicklung wichtiger Geschäftspartner zu beobachten. Diese Steuerungsprozesse können jedoch nur greifen, wenn risikorelevante Informationen wie etwa vollständige Jahresabschlüsse der zu bewertenden Unternehmen vorliegen. Die Weiterentwicklung des Bonitätsindexes hilft, potenziell ertragreiche und verlustreiche Geschäfte noch exakter unterscheiden zu können, als es bereits bisher möglich war.

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