Gespräch des Tages

Wettbewerb - Fair kommt weiter

Die anhaltende Finanzkrise und die diversen Skandale in der Lebensmittelindustrie haben eines gemeinsam: Beide haben die Wertediskussion in der Wirtschaft neu entfacht. Zu den zentralen und als bedeutend angesehenen Werten zählt dabei nicht zuletzt die vor einiger Zeit wieder entdeckte Regionalität. Als Gegentrend zur eher bedrohlich wirkenden und negativ besetzten "Globalisierung" ist sie inzwischen in vielen Unternehmen und Facetten spürbar. Beispielsweise rüstet der Lebensmittelhandel mit Verkaufsinseln von Produkten regionaler Anbieter auf. Von Kreditinstituten wird Regionalität hingegen überwiegend nur als Marketinginstrument eingesetzt. So gibt es zwar kaum eine Genossenschaftsbank oder Sparkasse, die eine regionale Verankerung und den entsprechenden Kundennutzen nicht in ihrem Leitbild verankert hat. Will man allerdings den Wert "Regionalität" mit konkreten Kundenvorteilen verbinden, dann stößt man auf viele gute Ideen, die jedoch vorwiegend auf der abstrakten Ebene bleiben und immer wieder um den Erhalt der Filialstandorte, Spenden, Vereinsförderung und Stiftungen kreisen. Deshalb verwundert es kaum, wenn Institute ohne jeglichen regionalen Bezug wie etwa die ING-Diba nach wie vor stark wachsen.

In ihrem jüngsten Thesenpapier plädiert die Unternehmensberatung Confidum nun dafür, ganz bewusst im Gegensatz zur Globalisierung auf den Wert "Fairness" als zentralen Treiber von Regionalität zu setzen. Fairness in der Beratung, bei den Leistungen und in der Preisstellung sind - so das Schweizer Unternehmen - dabei Ausprägungen, die gerade der Verantwortung regionaler Kreditinstitute ideal entsprechen und auch authentisch dargestellt werden können. Als weitere wichtige Aspekte nennt die Beratungsgesellschaft den fairen Umgang mit den Eigentümern, Mitgliedern und Mitarbeitern, eine "spekulationsfreie" Unternehmensstrategie sowie eine Fokussierung auf das regionale Kundengeschäft.

Nicht nur aufgrund eventuell unterschiedlicher Auffassungen von Fairness ist die Realität allerdings oft eine andere: So haben die Beschwerden über Fehlberatungen in den letzten Jahren dramatisch zugenommen, und die Kunden fühlen sich nicht selten angesichts komplizierter Gebührenmodelle, versteckter Spesen, Provisionen von Vertriebspartnern sowie hohen Überziehungszinsen und Mahngebühren über den Tisch gezogen. Dabei befinden sich die Regionalbanken oftmals in einem strategischen Dilemma: Die durch zu geringe Bruttoerträge ausgelösten Bemühungen um Cross- Selling-Geschäft führen zu Produktverkäufen, die objektiv als Fehlberatungen gewertet werden müssen und letztlich Frustrationen sowohl bei Kunden als auch bei Bankberatern hervorrufen.

In Anbetracht der aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse - etwa 40 Millionen Deutsche benötigen aufgrund mangelnder Sparfähigkeit maximal einen Sparplan, den Ansprüchen der vermögenden Privatkunden werden die Regionalbanken flächendeckend zu wenig gerecht - plädiert Confidum deshalb für eine kundensegmentspezifische Neupositionierung des traditionellen Geschäftsmodells: Das Mengengeschäft etwa sollte so gestaltet werden, dass sowohl die Bank als auch der Kunde in einem fairen Verhältnis bezüglich Beratung und Leistung, aber auch hinsichtlich Kosten und Rentabilität zueinander stehen. Dies bedeute eine Abkehr von der Cross-Selling-Illusion als zentralem Pfeiler der Retailstrategie und eine deutliche Anpassung der stationären Kapazitäten sowie ein Ausbau der virtuellen Filiale im Internet.

Um sich als kompetenter Begleiter bei dieser Neupositionierung darzustellen, bleibt Confidum in dem nur wenige Seiten umfassenden Thesenpapier konkretere Lösungsvorschläge verständlicherweise ebenso schuldig wie anschauliche Beispiele für einen fairen Umgang mit Eigentümern, Mitgliedern und Mitarbeitern. Dass der Weg zu neuem Wachstum sowohl von Management als auch von Eigentümervertretern Initiative und Mut zur Veränderung verlangt, dessen ist sich das Unternehmen aber sicher.

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