BVR erwartet Trendwende bei Unternehmensinsolvenzen und fordert bessere Rahmenbedingungen für Gründungen

Dr. Andreas Martin, Mitglied des Vorstandes des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken

Quelle: BVR

Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) rechnet damit, dass der langjährige Abwärtstrend der Unternehmensinsolvenzen allmählich auslaufen wird. Der neusten BVR-Insolvenzprognose zufolge wird die Anzahl der Firmenpleiten in Deutschland 2021 gegenüber dem Vorjahr zwar nochmals zurückgehen, um rund 1 Prozent auf etwa 15 700 Fälle. Eine Analyse der Insolvenzquoten der vergangenen 50 Jahre lässt mittelfristig aber merklich wieder steigende Fallzahlen erwarten.

Trotz der Beeinträchtigungen durch die Corona-Pandemie war die Insolvenzzahl auch im Krisenjahr 2020 gesunken. Im Zuge massiver staatlicher Hilfsmaßnahmen fiel sie gegenüber dem Vorjahr um deutliche 15,5 Prozent. „Viele Insolvenzen von Unternehmen mit einem intakten Geschäftsmodell konnten durch die wirtschaftspolitischen Maßnahmen verhindert werden. Dass diese Hilfen teilweise noch weiterlaufen, ist angesichts der hohen pandemischen Unsicherheit noch vertretbar", so BVR-Vorstand Dr. Andreas Martin.

In zwei Szenarien rechnet der BVR die Insolvenzzahlen für das Gesamtjahr 2021 hoch. In dem als wahrscheinlicher angenommenen Hauptszenario wäre ein moderater Anstieg der monatlichen Fallzahlen auf rund 1 600 Fälle im Dezember 2021 denkbar, also ein Niveau, das die Unternehmensinsolvenzen vor dem Ausbruch der Corona-Krise in Deutschland zu Jahresbeginn 2020 markiert hatten. In einem solchen Szenario wäre im gesamten Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr mit einem Rückgang der Firmenpleiten um rund 1 Prozent auf rund 15 700 Fälle zu rechnen. Sollten die Staatshilfen von der neuen Bundesregierung rasch zurückgefahren werden, könnten die Fallzahlen bis zum Jahresende leicht über die Marke von 2 000 Fällen pro Monat steigen, ein Niveau, welches zuletzt im Sommer 2015 markiert wurde. Dann könnten die Unternehmensinsolvenzen im Jahresdurchschnitt 2021 um rund 6 Prozent auf etwa 16 800 Fälle steigen. Sofern der Umfang der Staatshilfen bis Ende 2021 hoch bleibt, die Belastungen durch die Materialengpässe und das Pandemiegeschehen aber unerwartet schnell abflauen, könnte die gesamtwirtschaftliche Entwicklung dynamischer verlaufen als erwartet und einem (auf niedrigen Niveau) stagnierenden Verlauf der Insolvenzen nach sich ziehen. Sollte sich dies manifestieren, würde die Insolvenzzahl 2021 im Vorjahresvergleich um knapp 7 Prozent auf rund 14 800 sinken.

Die Insolvenzquote lag 2020 mit 48 Fällen je 10 000 Unternehmen erheblich unter ihrem langjährigen Mittelwert von 71 Fällen. In diesem vergleichsweise niedrigen Niveau sieht der BVR ein Indiz dafür, dass immer weniger dauerhaft ertragsschwache Unternehmen aus dem Markt treten. Diese würden aber wichtige Ressourcen binden, die von neuen, innovativen Firmen benötigt werden. "Die nächste Bundesregierung sollte mit dem Abklingen der Pandemie daher so bald wie möglich aus dem Krisenmodus aussteigen. Sie ist zudem mehr denn je gefordert, die Rahmenbedingungen für Gründungen zu verbessern", so Martin weiter. Bürokratische Hemmnisse müssten beseitigt werden. Ein großer Fortschritt sei es beispielsweise, wenn ein Gründungsvorgang künftig online innerhalb eines Tages möglich wäre. Zudem könnten sogenannte Reallabore weiter ausgebaut werden, in denen kreative Unternehmen, Wissenschaftler und Verwaltungen neue Technologien oder Produkte erproben können. Auch die Einführung eines an wenige Vorbedingungen geknüpften, staatlichen Gründungszuschusses könne in Betracht kommen, unabhängig davon, ob die Gründer zuvor arbeitslos waren oder nicht. Denn mehr Gründungen sowie das Aufbrechen überkommener Unternehmensstrukturen seien ein Schlüssel für mehr Innovationen und eine höhere Produktivität.

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