Verbraucherinsolvenz

Nur die eine Seite der Medaille

79 030 deutsche Verbraucher haben 2015 Insolvenz angemeldet. Damit sank die Zahl der Verbraucherinsolvenzen im vergangenen Jahr zum fünften Mal in Folge, und das deutlich. Mit einem Rückgang um 8,6 Prozent erreichte sie den niedrigsten Stand seit 2005. Zuletzt kam es im Jahr 2010 zu einem Anstieg, der damals 9,1 Prozent betrug. Seitdem verringerte sich die Zahl der Verbraucherinsolvenzen um 28,1 Prozent. Das geht aus dem im Dezember 2015 veröffentlichten Insolvenzbericht des Verbands der Vereine Creditreform e.V., Neuss, hervor. Grund ist vor allem die geringe Arbeitslosigkeit.

Die relative Insolvenzbetroffenheit ist demnach im Zeitraum 2013 bis 2015 in allen Altersgruppen rückläufig. Am höchsten ist die Insolvenzquote in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen mit 22 Insolvenzen je 10 000 Personen.

Die Insolvenzzahlen sind jedoch nur die eine Seite der Medaille. Die andere stellt die private Überschuldung dar. Und hier ist - anders als bei den Privatinsolvenzen - erneut ein Anstieg zu verzeichnen. Im Herbst 2015 wurde nach Angaben von Creditreform für die gesamte Bundesrepublik eine Schuldnerquote von 9,92 Prozent gemessen. Damit sind 6,7 Millionen Bürger über 18 Jahre (plus 0,7 Prozent) überschuldet und weisen nachhaltige Zahlungsstörungen auf. Den leichten Zuwachs an dieser Stelle führt Creditreform auf eine spürbare Zunahme der Bevölkerungszahlen durch die Zuwanderung zurück. Aber: Seit 2010 weist die Schuldnerquote einen zwar leichten, aber doch kontinuierlichen Anstieg auf. 2009 hatte sie erst bei 9,09 Prozent gelegen.

Angestiegen ist auch die "strukturelle Überschuldung" oder "Basisüberschuldung". Denn während die Quote der Menschen mit geringer Überschuldungsintensität (nachhaltige Zahlungsstörungen) um 0,5 Prozent zurückging, nahmen gleichzeitig die Fälle mit hoher Überschuldungsintensität (juristische Sachverhalte) um 1,5 Prozent zu. Damit befinden sich in Deutschland rund 3,95 Millionen Menschen in einer dauerhaften Schuldenspirale.

Perspektivisch geht Creditreform daher für die nächsten Jahre davon aus, dass die realen Schuldnerzahlen eher steigen denn abnehmen werden. Für viele Verbraucher bleibe die Überschuldungsampel auf "mittelrot" - nicht zuletzt auch deswegen, weil die Konsumlaune auf hohem Niveau verbleibt.

Weil die gesteigerte Konsumfreude zu einem guten Teil auch auf die niedrigen Zinsen zurückzuführen ist, droht die Zinspolitik auch zu einem Anwachsen der Überschuldungsproblematik beizutragen. Natürlich muss Konsumfreude nicht zwangsläufig in eine "Schuldenspirale" führen, sie kann aber die finanzielle Situation vieler, oft einkommensschwacher Verbraucher durch überhöhte kreditfinanzierte Konsumausgaben mittelfristig schwächen und langfristig überlasten. Der "Kaufrausch" der letzten Jahre wird deshalb nach Einschätzung der Auskunftei zeitversetzt Folgen zeigen.

Das gilt insbesondere dann, wenn die positive wirtschaftliche Entwicklung ins Stocken gerät. Schließlich ist es zum großen Teil die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die die Anzahl der Privatinsolvenzen hat sinken lassen. Nicht zuletzt gilt die Warnung auch für die Langzeitarbeitslosen, deren Anteil an den Arbeitslosen insgesamt weiter steigt. Derzeit sind 37 Prozent aller Arbeitslosen langzeitarbeitslos. Das sind 3 Prozentpunkte mehr als 2012.

Für die nächsten Monate geht der Schuldneratlas 2015 deshalb trotz vereinzelter Positiventwicklungen davon aus, dass das Überschuldungsrisiko für die deutschen Verbraucher und somit vielleicht auch die Verbraucherinsolvenzen mittelfristig eher steigen, denn abnehmen werden. Dies gilt umso mehr, da andere Analysen zeigen, dass der Verzicht auf das Sparen und auf eine gezielte Altersvorsorge die Wahrscheinlichkeit von Überschuldung deutlich erhöht. Und hier sind die Rahmenbedingungen nicht günstig: Sparen ist wenig attraktiv, und auch der Anteil derjenigen, die nicht fürs Alter vorsorgen, steigt weiter an.

Damit wiederum verändern sich auch die "Megathemen" in Sachen Verschuldung: Das Thema "Junge Überschuldung" bleibt zwar weiter virulent, weist jedoch einen rückläufigen Trend aus. Bei den Älteren steigen die Schuldnerzahlen (wenngleich auf niedrigem Niveau) hingegen rapide an: Bei den über 70-Jährigen wuchsen die Zahlen der Überschuldeten in den letzten beiden Jahren um 35,4 Prozent, bei den 60- bis 69-Jährigen um 12,4 Prozent. Absolut gesehen sind die Zahlen zwar noch nicht besorgniserregend. Sie deuten aber doch auf eine wachsende Problematik der Altersarmut hin. Berichte darüber, dass ältere Menschen bei der Kreditvergabe benachteiligt werden, könnten sich somit in absehbarer Zeit wieder häufen. Red.

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