Blickpunkte

Insolvenzstatistik - Schleifspuren

Die Insolvenzzahlen in Deutschland waren im Jahr 2012 zum zweiten Mal in Folge rückläufig, so hat es die Creditreform ermittelt. Die Unternehmenspleiten sanken dem Jahresbericht 2012 zufolge um 2,1 Prozent, die Verbraucherinsolvenzen gingen um 1,7 Prozent zurück. Und doch machen sich die "Schleifspuren der europäischen Staatsschuldenkrise bemerkbar, so der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Prof. Dr. Helmut Rödl. Im Vergleich zum Vorjahr fällt der Rückgang deshalb deutlich geringer aus.

Skeptisch ist man bei Creditreform insbesondere hinsichtlich der Verbraucherinsolvenzen. Der Rückgang um 1 750 auf 101500 Fälle erklärt sich durch Gehaltssteigerungen sowie die günstige Lage am Arbeitsmarkt. Gleichwohl habe die Verschuldung der privaten Haushalte insgesamt zugenommen. 6,6 Millionen Verbraucher über 18 Jahre sind dem Schuldner-Atlas 2012 zufolge überschuldet. Die Schuldnerquote der Personen mit nachhaltigen Zahlungsstörungen hat sich damit von 9,38 Prozent im Vorjahr auf 9,65 Prozent erhöht. Insbesondere die Verschuldung junger Menschen bis 29 Jahre hat nach Rödls Worten 2012 "exorbitant zugenommen".

Dass die Zahl der Verbraucherinsolvenzen dennoch weiter gesunken ist, lässt sich demnach nicht zuletzt mit dem geänderten Insolvenzrecht erklären: Seit Jahresbeginn nämlich kann bei Verbraucherinsolvenzen die von sechs auf drei Jahre verkürzte Wohlverhaltensperiode in Anspruch genommen werden, sofern wenigstens 25 Prozent der geschuldeten Summe abbezahlt und die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren beglichen werden. Das dürfte viele Überschuldete bewegt haben, den Gang zum Gericht bis nach dem Jahreswechsel aufzuschieben.

Aus diesem Stau dürfte sich im laufenden Jahr eine Art Nachholeffekt ergeben, der die Zahl der Verbraucherinsolvenzen wieder anwachsen lassen wird. Für 2013 wird eine Steigerung um rund 29 000 Fälle prognostiziert. Das entspräche einer Zunahme um beachtliche 28 Prozent. Und das wird wohl auch kein Einmaleffekt sein. Creditreform rechnet mit einem "Überschuldungssockel" von 3,6 bis 3,8 Millionen Verbrauchern in sehr prekärer Überschuldungslage, die auch eine Restschuldbefreiung nicht dauerhaft aus der finanziellen Schieflage befreien wird. "Überschuldung nährt die Überschuldung", so Rödl.

Gläubiger dieser Haushalte werden in Zukunft damit rechnen müssen, weniger Geld zu erhalten. Denn die im Zuge der Insolvenzrechtsreform durchgesetzten Änderungen konterkarieren das erklärte Ziel, das außergerichtliche Einigungsverfahren zu stärken: Moratorien über mehr als drei Jahre und Quoten über 25 Prozent werden angesichts der neuen Bedingungen für die verkürzte Wohlverhaltensperiode kaum durchsetzbar sein. In der Folge werde die Bonitätsprüfung wohl strenger werden und eine Verteuerung der Kredite müsse erwartet werden, resümiert man bei Creditreform.

Nicht ganz so düster sieht es bei den Unternehmensinsolvenzen aus. Auch dort geht Creditreform für 2013 zwar wieder von einem leichten Anstieg aus. Mit 30 500 Pleiten läge das Plus jedoch "nur" um rund drei Prozent über dem Niveau des Jahres 2012. Die 2012 ungewöhnlich hohe Zahl der Zusammenbrüche von Großunternehmen dürfte vermutlich wieder zurückgehen. Im verarbeitenden Gewerbe, bei dem 2012 eine Stagnation des Insolvenzgeschehens zu beobachten war, könnte dies hingegen der Vorbote einer sich abschwächenden Konjunktur gewesen sein, der 2013 wieder zu einem Anstieg der Pleiten führen könnte.

Auch die jungen Unternehmen (bei den drei bis vier Jahre alten Unternehmen nahmen die Insolvenzen 2012 um 9,5 Prozent zu) bilden einen Unsicherheitsfaktor. Hierunter fallen eine Menge aus der Krise 2008 geborene Neugründungen, bei denen sich die Nachwirkungen der Krise bemerkbar machen. Insgesamt aber bezeichnet Creditreform die Lage im Mittelstand noch als "relativ entspannt".

Bei den Unternehmensinsolvenzen fällt die Bewertung der bereits zum 1. März 2012 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen - anders als bei den Privatinsolvenzen - überwiegend positiv aus. Die neuen Möglichkeiten, darunter die Eigenverwaltung im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens (elf Fälle im Jahr 2012) oder das Insolvenzplanverfahren mit Umwandlung von Gläubigerforderungen in Gesellschaftsanteile würden rege genutzt. Rödl bezeichnet die Änderungen durch das ESUG deshalb als "Chance zu einer Insolvenzkultur". sb

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